Wein und mehr | 07. April 2017

Armenien: Zerbrechlicher Erfolg

Von Thiery Joly
Dank hoher Investitionen erzeugen die Armenier hochwertige Weine. Aber die Wirtschaftskrise in Russland und das Auftauchen der Reblaus bedrohen die Früchte der Anstrengungen.
Rebflächen sind in Armenien teuer. Zugang zu Wasser ist unabdingbar, da es im Sommer kaum regnet.
Es ist noch untertrieben zu sagen, dass der Weinbau in Armenien altüberliefert ist. Archäologen haben hier einen 6200 Jahre alten Weinkeller zutage gefördert, in der zentralen Provinz von Vayots Dzor. Sie ist heute neben Aragatsotn (westlich von Eriwan) eine der zwei großen Weinbauregionen des Landes. Dennoch hat keiner der zurzeit 40 Weinproduzenten vor 1994 existiert. Das Sowjet-Regime bestimmte zuvor, dass das Land ausschließlich Brandy erzeugen sollte.
Die Produktion von Qualitätswein ist noch jung. „Erst vor rund zehn Jahren hat man hier angefangen, die Produktion von Qualitätswein aufzubauen”, sagt Vahagn Mkrtchyan, einer der zwei Eigentümer von Armenia Wines, dem größten Weinerzeuger des Landes mit Sitz in der Nähe der Hauptstadt Eriwan.
Die jüngste Entwicklung wurde von neuen Unternehmern angestoßen, die Berater aus Frankreich und Italien hinzuzogen und in neueste Kellertechnik investierten. Deren Gesellschaften exportieren 70 bis 95 Prozent des Weines, vor allem nach Russland.
Verkäufe stark eingebrochen
David Oganesyan (rechts), Chef von Voskevaz, und Alexey Sapsay, Önologe.
Ein Markt, der extrem geschrumpft ist, wegen der dort grassierenden Wirtschaftskrise. „Unsere Verkäufe dorthin sind zwischen 2015 und 2016 von 2,3 Millionen Flaschen auf 1,5 Millionen Flaschen eingebrochen. Das ist ein Rückgang, den wir auch durch das Wachstum unseres Heimatmarktes und die Steigerungen nach China und Mexiko nicht kompensieren konnten”, gesteht sich Vahagn Mkrtchyan ein.
„Seit 2016 exportieren wir auch in die Europäische Union. Aber dort Kunden zu finden braucht Zeit, weil es uns noch an Bekanntheit fehlt”, ergänzt David Oganesyan, Eigentümer des benachbarten Weinguts Voskevaz, das seine Produktion zwischen 2015 und 2016 von 400.000 Liter auf 210.000 Liter herunterfahren musste. 
Diese Unternehmen kaufen alle Trauben oder einen Teil davon von Winzern zu. Ihre Enttäuschung überträgt sich somit auf sie. Zumal die Erzeuger von Brandy in der gleichen Lage sind.
Ein halber bis fünf Hektar Reben
Die Winzer, die über einen halben Hektar bis fünf Hektar Reben verfügen, machen 95 Prozent des Weinbaus im Land aus. „2015 ist der Preis für ein Kilo Trauben von 35 bis 50 Cent auf 18 Cent gefallen”, erklärt Alexey Sapsay, Önologe bei Voskevaz. Die Preise sind 2016 aufgrund einer schwachen Ernte wieder gestiegen.
Aber die Winzer können gerade mal ihre Kosten decken und die Reben sind schlecht gepflegt. „Die Qualitätsunterschiede bei den Trauben, die wir annehmen, sind unser größtes Problem”, unterstreicht Grigor Aleksanyan, der Kellermeister von Armenia Wines. Die Önologen wollen dem mit Rebenbegehungen und laufenden Ratschlägen entgegenwirken.
Wer Grünlese betreibt, erhält einen Bonus von 25 Prozent. Eigene Rebflächen sind Ziel jedes Weinerzeugers, aber die Flächen sind rar, zerstückelt und teuer. Man muss mit 5000 bis 10000 Euro/Hektar und sogar mehr rechnen, weil Zugang zu Wasser unabdingbar ist. Im Sommer regnet es hier kaum.
Kalte Winter, viel Hagel
Traubenannahme bei Armenia Wines. Das Unternehmen hat in modernste Kellertechnik investiert.
Die 50 Hektar, die Armenia Wines gehören, befinden sich in 50 Kilometer Entfernung zum Keller, in der Provinz Armavir, wo wie in Ararat die Reben vor allem der Brandy-Herstellung gewidmet sind. Armenia Wines wird 70 Hektar näher beim Keller pflanzen. „Vier Hektar werden biologisch geführt, mit Tropfbewässerung, Hagelschutznetzen und Frostschutzvorrichtung”, erläutert Vahagn Mkrtchyan.
Die Vorrichtungen sind sinnvoll. In der Tat bedrohen mehrere Plagen die Reben von Armenien, die in Höhenlagen zwischen 1000 und 1600 Metern wachsen. Im Winter fallen die Temperaturen bis minus 20 Grad Celsius. Wo es wenig schneit, muss man die Reben eingraben. Bis Mai kann es Fröste geben. Im Mai und Juni hagelt es wiederholt.
Eingeschleppte Reblausproblematik
Eine weitere Sorge ist die Reblaus. Sie ist im Norden und im Süden aufgetaucht, zweifellos von Pflanzen übertragen, die aus Aserbaidschan oder aus Georgien kommen. In beiden Ländern ist die Reblaus präsent. Die Reblaus ist ein Damoklesschwert für den Weinbau des Landes, weil 95 Prozent der Reben wurzelecht sind.
Hovakim Saghatelyan, Geschäftsführer von Trinity Canyon, neben einem Karas. Den traditionellen Tonbehälter gibt es mit Fassungsvermögen bis 1000 Liter.
„Die Behörden versuchen ihr Einhalt zu gebieten, indem sie infizierte Gebiete unter Quarantäne stellen und betroffene Parzellen roden lassen”, erläutert Hovakim Saghatelyan, Geschäftsführer von Trinity Canyon, einem Weingut nahe bei Areni, das sechs Hektar besitzt und 32000 Flaschen pro Jahr erzeugt. Allerdings bringt sich das Land selbst um das wichtigste Bekämpfungsmittel, weil es bis heute verboten ist, heimische Sorten auf ausländische Unterlagen zu pfropfen. Umgekehrt ist es erlaubt, „unter der Bedingung, dass der Pfröpfling aus einem Land kommt, das reblausfrei ist”,  erklärt Hovakim Saghatelyan.
Gärung in Karas
Vahagn Mkrtchyan ist Miteigentümer von Armenia Wines, dem größten Produzenten des Landes.
Die Betriebe bevorzugen jedoch heimische (autochthone) Sorten. „Armenien hat davon über 300, darunter einige, die sehr selten geworden sind”, bedauert Jean-Baptiste Soula, Berater für Armenia Wines. Bei den Roten ist die meistangebaute und bekannteste die Sorte Areni, gefolgt von Haghtanak, Karmrahyut und Kakhet.
Bei den Weißen gilt Voskehat als die beste, vor Khatun, Kharja und Kangun. Letztere wird auch für Brandy verwendet.„Wenn man nicht über sieben Tonnen je Hektar hinausgeht, erbringt sie exzellente Stillweine und Schaumweine”, versichert Vahagn Mkrtchyan.
Parallel dazu knüpfen die meisten wieder an die Tradition der Gärung und Weinreifung in Karas an. Karas sind Tongefäße, die bis zu 1000 Liter fassen können. Zorah Wines, ein Gut mit neun Hektar und internationaler Bekanntheit, ist zudem zu Weinbau ohne Unterstützungsrahmen zurückgekehrt, so wie es einst Tradition war.
Die Erzeuger wollen die Rentabilität steigern, indem sie das Premium-Segment besser entwickeln. Derzeit bewegen sich die Weinpreise in einer Spanne zwischen drei und 20 Euro, wobei sich der meiste Wein im Einstiegsbereich befindet.

 
Den eigenen Markt entwickeln
„Vor drei Jahren haben wir in der Hauptstadt Eriwan die erste Weinbar eröffnet. Heute gibt es zehn”, informiert Hovakim Saghatelyan. Immerhin, aber doch noch recht wenig für eine Stadt mit einer Million Einwohnern. Und der Pro-Kopf-Verbrauch von Wein beträgt gerade mal zwei Liter pro Jahr. Bei Wodka sind es zehn Liter. Um ihren Markt auszubauen, setzen die Erzeugerbetriebe auf Weintourismus. So wird Armenia Wines noch in diesem Jahr ein Museum zur Geschichte des Weines eröffnen.
Voskevaz baut ein Kulturzentrum, das Handwerker und Künstler beherbergen soll; als Ergänzung zu Kellerbesichtigungen und Weinproben. „Seit der Eröffnung unseres neuen Kellers realisieren wir zehn Prozent unseres Absatzes vor Ort bei Armeniern und Touristen aus dem Ausland”, erläutert Vardan Mkrtchyan, Geschäftsführer von Hin Areni. 
Des Weiteren diversifizieren die Weingüter ihre Produktion, um neue Kunden anzulocken.  Sie setzen auch auf Rosé und Schaumwein. Zuvor wurde der Tradition gemäß nur Weißwein und Rotwein erzeugt. „Rosé macht mittlerweile 30 Prozent unseres Absatzes aus”, betont Hovakim Saghatelyan.