Fachliches | 02. Februar 2017

Kirschessigfliege 2016 nur mäßig aktiv

Von Dr. Michael Breuer, WBI Freiburg
2016 waren, über alle Anbaugebiete betrachtet, ein eher durchschnittlicher Flug und eine mäßige Aktivität der Kirschessigfliege zu beobachten. Im Weinbau ist dieser neue Schädling nach bisherigen Erkenntnissen von untergeordneter Bedeutung.
Die Monitoringfallen zur Feststellung des Befallsdrucks mit Kirschessigfliegen werden auch im Winter vom Weinbauinstitut weiter bearbeitet. Wildpflanzen in der Nähe von Weinbergen, zum Beispiel Brombeeren, Holunder oder Misteln, bieten den Schädlingen Unterschlupf und Nahrung in der Übergangs- und kalten Jahreszeit.
Die Keltertrauben gehören nach den bisherigen Erfahrungen nicht zu den bevorzugten Objekten der Kirschessigfliege. Das Insekt mit dem wissenschaftlichen Namen Drosophila suzukii war erstmals 2008 in Europa nachgewiesen worden und hat sich in den Folgejahren in vielen europäischen Staaten etabliert. In Deutschland tritt das Tier seit 2011 auf. Es ist nun in allen Regionen verbreitet. 2015 spielte dieser Schädling aufgrund der Hitzeperiode im Sommer keine nennenswerte Rolle. Im Folgenden soll die Situation im vergangenen Jahr beleuchtet werden.
Die Kirschessigfliege kann ihre Eier – im Gegensatz zu den anderen heimischen Essigfliegenarten – auch in intakte Früchte ablegen. Die Weibchen haben dazu eine Sägevorrichtung am Hinterleib, die es ihnen ermöglicht, die Eier in weichschalige Früchte unter der Beerenhaut zu platzieren. Im Obstbau waren in den vergangenen Jahren besonders Süß- und Sauerkirschen, Strauchbeeren wie Himbeeren, Brombeeren und Holunder sowie späte Erdbeeren betroffen. Auch entsprechende Wildfrüchte wie die der Misteln werden von der Kirschessigfliege zur Eiablage genutzt.
Keltertrauben werden im Gegensatz dazu in viel geringerem Maße mit Eiern belegt. Viele Rebsorten werden bei der Eiablage sogar gemieden. Zurzeit sind die Ursachen noch nicht bekannt. Das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg (WBI) arbeitet unter Hochdruck an diesen und anderen Fragestellungen. Im Rahmen eines durch die EU geförderten Interreg-Projektes („Invaprotect”) werden im Verbund mit anderen Institutionen in Rheinland-Pfalz, Frankreich und der Schweiz weitere Grundlagen erarbeitet, die dann direkt in Empfehlungen und Strategien für die weinbauliche und obstbauliche Praxis einfließen sollen.
Eiablage 2016
Das Ei einer Kirschessigfliege auf einer Mistelbeere. Mistelbeeren reifen sehr früh im Jahr und spielen offenbar nach der Überwinterung eine gewisse Rolle.
Das WBI und die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) Weinsberg haben im vergangenen Jahr wieder über die gesamte Zeit der Traubenreife ein umfangreiches Monitoring zur Eiablage durchgeführt. Insgesamt wurden über 1000 Proben bearbeitet, das sind etwa 50000 Einzelbeeren, die mithilfe von Stereomikroskopen auf abgelegte Eier untersucht wurden. Die erste Eiablage wurde am 15. August 2016 in einer Acolon-Anlage festgestellt. Eine Übersicht über die in Baden erarbeiteten Ergebnisse gibt das Balkendiagramm. Großflächig betrachtet war die Eiablageaktivität im vergangenen Jahr gering. Deutlich war wieder, dass die Kirschessigfliege dabei einige Rebsorten bevorzugt. Wie bereits aus den vergangenen Jahren bekannt, sind dies rote oder rötliche Sorten wie Acolon, Cabernet Dorsa, Dornfelder, Dunkelfelder, Regent und Roter Gutedel. Auffallend war aber, dass es bei den genannten Rebsorten Anlagen gab, die bis zur Lese frei von Eiern waren. Aus diesem Grunde war die mittlere Eizahl recht gering. Weiße Rebsorten waren auch 2016 wieder überhaupt nicht betroffen. 
Gesundheitszustand hat großen Einfluss
Verletzte Beeren werden durch heimische Essigfliegen und Kirschessigfliegen aktiv aufgesucht. In die Verletzungen werden auch Eier abgelegt, was an der Beere oben rechts zu sehen ist.
Wie bereits in den vergangenen Jahren zeigte sich auch 2016 ein deutlicher Einfluss des Gesundheitszustandes der Trauben. Anlagen mit Vorschäden durch Vogel-, Mäuse- und/oder Insektenfraß werden durch die Kirschessigfliege eher beflogen. So war etwa im vergangenen Jahr stellenweise ein ausgeprägter Ameisenfraß zu beobachten. Solche beschädigten Beeren werden gerne von Essigfliegen, auch Kirschessigfliegen, aufgesucht. Auch Beschädigungen, die durch das Wetter auftreten, können eine Rolle spielen. So kam es in einigen Regionen nach Regenfällen im September 2016 in manchen Anlagen zum Aufplatzen von Einzelbeeren. Nachfolgend waren auch Kirschessigfliegen in solchen Anlagen zu beobachten. Eier wurden aber überwiegend oder ausschließlich in solche Platzwunden abgelegt. Die Untersuchungen des Weinbauinstituts zeigten, dass hingegen in den daneben liegenden, intakten Beeren keine Eier zu finden waren. Auch Experimente im Labor konnten diese Beobachtungen bestätigen. Neben den Beschädigungen begünstigen auch Fäulnisnester, die nach Niederschlägen oder lange feuchtem Wetter auftreten, das Auftreten von Essigfliegen. Häufig sind in solchen Phasen auch die Beerenhäute relativ mürbe, was ebenfalls zu vermehrter Eiablage führen kann. Dies war beispielsweise 2014 zu beobachten gewesen. 
Schlupfrate sehr gering
Aufgeplatzte Einzelbeeren nach Niederschlägen im September 2016
Das Staatliche Weinbauinstitut in Freiburg hat in den vergangenen Jahren auch untersucht, in welchem Maße sich die abgelegten Eier in den verschiedenen Früchten zu Fliegen weiterentwickeln. In Weinbeeren ist dies nur ein Bruchteil. Im Jahr 2016 schlüpften im Durchschnitt über alle Rebsorten nur aus etwa 8 % der abgelegten Eier Larven, Puppen und schließlich Fliegen (Tortendiagramm). Diese Ergebnisse decken sich mit denen aus den Vorjahren und auch mit Beobachtungen aus anderen Weinbauregionen im In- und Ausland. Bei einem Großteil der Eier verschorfen die in die Beerenhaut hineingeritzten Öffnungen. Eine Weiterentwicklung des Eies findet dann nicht statt. Die Gründe hierfür sind noch nicht vollständig geklärt und bedürfen weiterer Untersuchung. Zurzeit werden am WBI im Rahmen des oben genannten Interreg-Projektes und anderer Forschungsaufträge sowie an vielen anderen wissenschaftlichen Institutionen im In- und Ausland verschiedene Aspekte zur Biologie der Kirschessigfliege erforscht und neue Ansätze zu Bekämpfungsstrategien erarbeitet. Auch während der Winterzeit werden das Fallenmonitoring und verschiedene Laboruntersuchungen weitergeführt. Relevante Ergebnisse werden zeitnah der Praxis zur Verfügung gestellt. Das Staatliche Weinbauinstitut und die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg werden zu gegebener Zeit auch in diesem Jahr Empfehlungen zum Umgang mit der Kirschessigfliege herausgeben. 
 
Fazit
Die Kirschessigfliege ist seit über fünf Jahre ein „neuer Gast” in unseren Kulturen. Die anfängliche Unsicherheit und Angst gegenüber diesem neuen Schädling ist nun einer gewissen Professionalität gewichen. Der Wissensstand über das Insekt wird mit jedem Jahr besser. Auch das umfangreiche Monitoring mit Fallen sowie die Eiablagekontrollen und die zeitnahe Veröffentlichung auf der Internetplattform VitiMeteo Monitoring haben dazu beigetragen, dass Winzer, Wissenschaftler und Berater ruhiger in die Zukunft blicken können. Eine wichtige Feststellung ist, dass Keltertrauben in viel geringerem Maße mit Eiern belegt werden als andere Kulturen, etwa Kirschen oder Beerenobst. Auch die Entwicklungsbedingungen für die Kirschessigfliege sind offensichtlich in Weinbeeren viel schlechter als in den genannten Obstkulturen. Ein guter Pflegezustand, insbesondere eine Fäulnis-Prophylaxe mit moderater Entblätterung und niedriger Gassen-Vegetation und damit eine gut durchlüftete und schnell abtrocknende Anlage sind wichtige Voraussetzungen zur Vermeidung von Kirschessigfliegenbefall. Dies konnte durch zahlreiche Untersuchungsergebnisse untermauert werden.