Fachliches | 03. August 2017

Auch die Kleinen müssen aufzeichnen

Von Dr. Monika Riedel, WBI Freiburg; Dr. Dietmar Rupp, LVWO Weinsberg
Seit dem 2. Juni dieses Jahres gilt die neue Düngeverordnung. Hier lesen Sie die für den Weinbau wichtigsten Regelungen der neuen Verordnung.
Unter der etwas sperrigen Überschrift „Verordnung zur Neuordnung der guten fachlichen Praxis beim Düngen” finden sich  auch etliche Vorgaben, die schon bisher Gültigkeit hatten. Das betrifft zum Beispiel die Pflicht zur Ermittlung des Düngebedarfs, und einige Betriebe mussten auch einen Nährstoffvergleich erstellen.
Jetzt ist aber nicht nur der Düngebedarf vor dem Aufbringen wesentlicher Nährstoffmengen festzustellen, sondern es sind auch das Verfahren und das Ergebnis der Bedarfsermittlung aufzuzeichnen. Aufzeichnungen und Nährstoffvergleiche (Bilanzierung der Zu- und Abfuhr für Stickstoff und Phosphat) sind jetzt mit wenigen Ausnahmen bereits für Betriebe mit mehr als zwei Hektar Weinbau – bisher zehn Hektar –  erforderlich. Zukünftig sind geringere Überschüsse in der Stickstoff- und Phosphatbilanz zulässig.
Düngung nur nach Bedarf
Aufzeichnungen und Nährstoffvergleiche müssen jetzt mit wenigen Ausnahmen bereits Betriebe mit mehr als zwei Hektar Weinbau − bisher zehn Hektar − machen.
Wie alle Kulturpflanzen brauchen auch Reben eine ausreichende Mineralstoffversorgung, um den nötigen Wuchs und die Erzeugung hochwertiger Trauben zu gewährleisten. Andererseits sind gerade die wichtigen Nährstoffe Stickstoff und Phosphor nicht unproblematisch. Stickstoff kann als leicht lösliches Nitrat ins Grundwasser gelangen, und Phosphat kann die Qualität von Oberflächengewässern beeinflussen.
Daher hat die Düngeverordnung (DüV) das Ziel, die gute fachliche Praxis bei der Düngung von landwirtschaftlich genutzten Flächen zu regeln. Aufbringungszeit und -menge sind so zu wählen, dass Nährstoffe den Pflanzen zeitgerecht in einer dem Nährstoffbedarf der Pflanzen entsprechenden Menge zur Verfügung stehen und Einträge in oberirdische Gewässer und das Grundwasser vermieden werden. Dabei sind Standortbedingungen zu berücksichtigen, die sich auf die zu erwartende Nährstofflieferung auswirken, beispielsweise Humusgehalt, Bodenart und Wetter. Düngemittel sowie Bodenhilfsstoffe, Kultursubstrate oder Pflanzenhilfsmittel dürfen nur aufgebracht werden, wenn der Betriebsinhaber zuvor ihre Gehalte an Gesamtstickstoff, verfügbarem Stickstoff oder Ammoniumstickstoff und Gesamtphosphat zur Kenntnis genommen hat. Dies gilt auch für Wirtschaftsdünger wie beispielsweise Trester und Stallmist. Vor dem Aufbringen wesentlicher Nährstoffmengen (mehr als 50 kg Gesamtstickstoff oder 30 kg P2O5 je Hektar und Jahr) ist der Düngebedarf unter Berücksichtigung der im Boden verfügbaren Nährstoffmengen festzustellen und zu dokumentieren.
Möglichkeiten, Stickstoffbedarf zu ermitteln
Wenn geplant ist, mehr als 50 kg Gesamtstickstoff je Hektar und Jahr zu düngen, sind für jede Bewirtschaftungseinheit für den Zeitpunkt der Düngung der Stickstoffdüngebedarf und die im Boden verfügbare Stickstoffmenge zu ermitteln. Wie bisher können dazu verschiedene Verfahren verwendet werden:
  • Berechnungs- und Schätzverfahren, die auf fachspezifischen Erkenntnissen beruhen, oder
  • Untersuchung repräsentativer Bodenproben, beispielsweise mittels Nmin- oder EUF-Methode, oder
  • Übernahme der Ergebnisse von vergleichbaren Standorten, siehe Nitratinformationsdienst oder Ergebnisse von EUF-Untersuchungen.
Die verschiedenen Verfahren zur Ermittlung des Stickstoffdüngebedarfs werden rechtzeitig vor der Düngesaison 2018 in Fachzeitschriften genauer beschrieben. Sicher gibt es im Winterhalbjahr 2017/2018 auch viele Gelegenheiten, um sich in Versammlungen und bei Vorträgen mit den Änderungen und Einzelheiten der Düngeverordnung vertraut zu machen.
Einschränkung bei Phosphat
Vor einer Düngung von mehr als 30 kg Phosphat je Hektar und Jahr ist bei jedem Schlag ab einem Hektar durch eine Bodenuntersuchung, welche mindestens alle sechs Jahre durchzuführen ist, die im Boden verfügbare Phosphatmenge zu ermitteln. Ein Schlag im Sinne der Düngeverordnung ist „eine einheitlich bewirtschaftete, räumlich zusammenhängende und mit der gleichen Pflanzenart oder mit Pflanzenarten mit vergleichbaren Nährstoffansprüchen bewachsene oder zur Bestellung vorgesehene Fläche”.
Eine deutliche Veränderung gegenüber der alten Düngeverordnung enthält die Bewertung von Phosphatgehalten: Auf Schlägen, bei denen der ermittelte Phosphatgehalt nach der CAL-Methode 20 mg P2O5 je 100 g Boden oder nach dem EUF-Verfahren 3,6 mg Phosphor je 100 g Boden überschreitet, dürfen trotz guter Versorgung phosphathaltige Düngemittel noch höchstens bis in Höhe der voraussichtlichen P-Abfuhr ausgebracht werden; dabei kann die voraussichtliche Phosphatabfuhr für einen Zeitraum von höchstens drei Jahren zugrunde gelegt werden.
Beispielsweise ist bei einem Traubenertrag von 10 t/ha mit einer Abfuhr von 10 kg Phosphat, oder in drei Jahren mit 30 kg Phosphat/ha zu rechnen. In Weingütern, in denen der Traubentrester im Betrieb bleibt, ist die Phosphatabfuhr noch geringer. Viele Rebböden sind so gut mit Phosphat versorgt, dass für Jahre oder Jahrzehnte kein Düngebedarf für Phosphat besteht. 
Die in Baden-Württemberg geltenden Gehaltsklassen für Phosphat und Düngeempfehlungen für Weinbau werden derzeit überarbeitet. Auch diese Änderungen werden rechtzeitig vor der Düngesaison 2018 bekannt gegeben.
Wer muss was aufschreiben?
Was die Dokumentationspflichten betrifft, so sind einige der schon länger bekannten Vorgaben konkretisiert worden. Betriebsinhaber haben Folgendes aufzuzeichnen:
Vor dem Aufbringen wesentlicher Nährstoffmengen von mehr als 50 kg Gesamtstickstoff oder 30 kg Phosphat je Hektar und Jahr
  1. Verfahren und Ergebnis der Düngebedarfsermittlung für N und P
  2. Nährstoffgehalte der Düngemittel – inklusive Wirtschaftsdünger, Kompost und ähnlichem. Zu dokumentieren sind insbesondere der Gesamtstickstoff, der verfügbare Stickstoff oder Ammoniumstickstoff und das Gesamtphosphat –  einschließlich der zu ihrer Ermittlung angewendeten Verfahren.
  3. Die ermittelten, im Boden verfügbaren Nährstoffmengen einschließlich der zu ihrer Ermittlung angewendeten Verfahren. Dies gilt für Phosphat nicht für Schläge, die kleiner als ein Hektar sind.
Außerdem sind bis zum 31. März des auf das jeweils abgelaufene Düngejahr folgenden Kalenderjahres Ausgangsdaten und Ergebnisse der Nährstoffvergleiche aufzuzeichnen. Die Aufzeichnungen müssen sieben Jahre nach Ablauf des Düngejahres aufbewahrt werden und sind der nach Landesrecht zuständigen Stelle auf Verlangen vorzulegen.
Nährstoffvergleiche für Stickstoff und Phosphat sind für das abgelaufene Düngejahr als
  • Vergleich von Zu- und Abfuhr für die landwirtschaftlich genutzte Fläche insgesamt (Betriebsbilanz) oder
  • zusammengefasste Schlagbilanz (auf der Basis der einzelnen Schläge oder Bewirtschaftungseinheiten) zu erstellen und in einem jährlich fortzuschreibenden mehrjährigen Nährstoffvergleich zusammenzufassen. 
Kein Nährstoffvergleich erforderlich
Wie die Vorgängerversion nennt auch die neue Düngeverordnung Situationen, bei denen kein Nährstoffvergleich (und keine Aufzeichnung der Düngebedarfsermittlung) nötig ist.Nährstoffvergleiche sind nicht erforderlich für:
  1. Betriebe, die auf keinem Schlag mehr als 50 kg Gesamt-N / ha oder 30 kg P205 / ha und Jahr aufbringen (einschließlich organischer Düngung),
  2. Baumschul-, Rebschul-, Strauchbeeren- und Baumobstflächen, nicht im Ertrag stehende Dauerkulturen des Wein- und Obstbaus sowie Flächen, auf denen nur Zierpflanzen, Weihnachtsbäume oder schnellwüchsige Forstgehölze zur energetischen Nutzung angebaut werden,
  3. Flächen mit ausschließlicher Weidehaltung bis 100 kg N/ha Stickstoffausscheidung und ohne zusätzliche N-Düngung, 
  4. Betriebe, die a) nach Abzug der unter Nr. 2 und 3 aufgeführten Flächen weniger als 15 ha bewirtschaften, b) höchstens bis zu zwei Hektar Weinreben, Erdbeeren, Gemüse oder Hopfen anbauen, c) keine außerhalb des Betriebs anfallenden Wirtschaftsdünger oder Gärreste aus Biogasanlagen einsetzen und in denen jährlich höchstens 750 kg N aus „tierischem Wirtschaftsdünger” anfällt. 
Wie wird der Nährstoffvergleich bewertet?
Die N-Zufuhr abzüglich -abfuhr im Durchschnitt der vergangenen drei Düngejahre ergibt den Kontrollwert für Stickstoff, gleiches gilt für Phosphat im Durchschnitt der vergangenen sechs Düngejahre. Die Kontrollwerte sollen möglichst niedrig sein.
Der Betriebsinhaber hat sicherzustellen, dass der Kontrollwert für Stickstoff im Mittel der drei vergangenen Düngejahre 50 kg N/ha/Jahr in den 2018, 2019, 2020 und später begonnenen Düngejahren (zuvor 60 kg N/ha/Jahr) nicht überschreitet.
Für Phosphat darf der Kontrollwert als Mittel aus den sechs vergangenen Düngejahren 10 kg P2O5 je Hektar und Jahr in den 2018 und später begonnenen Düngejahren (zuvor 20 kg P2O5/ha/Jahr) nicht überschreiten.
Wenn die nach Landesrecht zuständige Stelle eine Überschreitung der Kontrollwerte feststellt, hat der Betriebsleiter an einer Düngeberatung teilzunehmen.
Kein Nährstoffeintrag in oberirdische Gewässer und auf Nachbarflächen
Gute fachliche Praxis bedeutet Düngung nur nach Bedarf und zum richtigen Termin. Zu späte Stickstoffgaben sind nachteilig. Für magere Ecken reicht die Streuwanne.
Auf überschwemmte, gefrorene oder schneebedeckte Böden dürfen keine stickstoff- und phosphathaltigen Düngemittel, Bodenhilfsstoffe, Kultursubstrate und Pflanzenhilfsmittel aufgebracht werden. Eine Ausnahme bei gefrorenem Boden gibt es nur dann, wenn der Boden am Tag des Aufbringens auftaut, ein Abschwemmen nicht zu befürchten ist, der Boden begrünt ist und anderenfalls die Gefahr von Bodenverdichtungen bestehen würde. P-arme Kalkdünger mit weniger als 2 % Phosphat dürfen auf gefrorenen Boden aufgebracht werden, wenn kein Abschwemmen in oberirdische Gewässer oder auf benachbarte Flächen zu befürchten ist.
Zwischen der Böschungsoberkante der Gewässer und dem Rand der durch die Streubreite bestimmten Aufbringungsfläche ist nach der Düngeverordnung ein Abstand von mindestens vier Metern einzuhalten. Der erforderliche Abstand reduziert sich auf mindestens einen Meter, wenn für das Aufbringen Geräte wie etwa ein Kastenstreuer verwendet werden, bei denen die Streubreite der Arbeitsbreite entspricht oder die über eine Grenzstreueinrichtung verfügen.
Innerhalb eines Abstandes von einem Meter zur Böschungsoberkante eines Gewässers ist das Aufbringen der oben genannten Stoffe verboten. In Baden-Württemberg gelten zudem die Regelungen im Landeswassergesetz, wonach im Gewässerrandstreifen in einem Bereich von fünf Metern der Einsatz von Düngemitteln verboten ist.
Bei Hanglagen, die innerhalb eines Abstandes von 20 m zur Böschungsoberkante eines oberirdischen Gewässers eine Neigung von durchschnittlich mindestens 10 % aufweisen, ist nach der DüV ein Abstand von fünf Metern zur Böschungsoberkante einzuhalten. Diese Vorgabe ist für Rebflächen neu. 
Anwendungsbeschränkungen
Düngemittel außer Wirtschaftsdünger dürfen nur angewendet werden, wenn sie einem durch die Düngemittelverordnung zugelassenen Typ entsprechen oder durch EU-Recht zugelassen sind. Bodenhilfsstoffe, Kultursubstrate und Pflanzenhilfsmittel müssen den Vorgaben der Düngemittelverordnung entsprechen. Harnstoff als Düngemittel darf ab dem 1. Februar 2020 nur noch aufgebracht werden, wenn ihm ein Ureasehemmstoff zugegeben ist oder er unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von vier Stunden nach der Aufbringung eingearbeitet wird.
Die Anwendung von Produkten, zu deren Herstellung Kieselgur verwendet wurde, ist auf Flächen des bodennahen Obstanbaus, beispielsweise Erdbeeren, auf Grünland, im Gemüseanbau etc., verboten. Wer diese auf sonstigen landwirtschaftlichen Flächen aufbringt, hat sie sofort einzuarbeiten.
Die Anwendung von trockenen Düngemitteln und ähnlichem, zu deren Herstellung Kieselgur verwendet wurde, ist verboten. Geräte zum Aufbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten oder Pflanzenhilfsmitteln müssen den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. 
Verschärfte Vorschriften möglich
Mithilfe des jetzt neu aufgenommen § 13 können die Landesregierungen bei Bedarf einige Vorgaben der Düngeverordnung verschärfen. So kann beispielsweise in Regionen mit hohen Nitratgehalten im Grundwasser der Stickstoff-Kontrollwert für den Nährstoffvergleich von 50 kg N/ha/Jahr auf 40 kg N/ha/Jahr gesenkt werden. Der betriebliche Bilanzüberschuss darf dann im Mittel von drei Jahren 40 kg N/ha und Jahr nicht überschreiten.
Wie genau dann – und im Grunde generell –  die Stickstoffdüngung austariert werden muss, zeigt sich daran, dass bei einem Traubenertrag von 10 t/ha lediglich mit einer Abfuhr von 25 kg N/ha zu rechnen ist. Bei Weingütern, bei denen nur der Wein den Betrieb verlässt und die Traubentrester im Betrieb bleiben, ist die Stickstoffabfuhr noch geringer.
Kein Anspruch auf Vollständigkeit
Dieser Artikel enthält nur die wichtigsten Regelungen der Düngeverordnung aus Sicht des Weinbaus. Rechtsverbindlich ist der ausführliche Text der Düngeverordnung. Der Originaltext der Düngeverordnung ist über die Internetseite des Bundesanzeiger-Verlages abrufbar.