Fachliches | 02. Februar 2017

Ökologie und Ökonomie unter einen Hut gebracht

Von Markus Muhler, Gemeinsame Dienststelle Flurneuordnung in Freiburg
Die Kulturlandschaft am Kaiserstuhl soll erhalten bleiben. Dafür ist eine nachhaltige Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen erforderlich. Die Flurneuordnung „Vogtsburg-Burkheim/Nonnental” zeigt beispielhaft, dass dabei der Naturschutz nicht zu kurz kommen muss.
Der Kaiserstuhl zeichnet sich als Weinbau- und Tourismusregion durch hervorragende Lagen für den Weinbau und eine aus Sicht des Naturschutzes einzigartige Vielfalt aus. Durch die Kultivierung der Hänge ist über Jahrhunderte eine Terrassenlandschaft entstanden, die zur weinbaulichen Nutzung angelegt wurde und sich durch eine bundesweit einzigartige Flora und Fauna auszeichnet.
Bewirtschaftung unerlässlich für Naturschutz
Reblandschaft in Burkheim vor der Umlegung ...
Mit dem Strukturwandel im Weinbau wurde in den vergangenen Jahrzehnten die Bewirtschaftung von Rebflächen mechanisiert, was den Winzern eine Basis für wirtschaftliches Arbeiten bietet. Sind die Voraussetzungen für die Bewirtschaftung mit den ortsüblichen landwirtschaftlichen Maschinen nicht erfüllt, so sind die Winzerbetriebe genötigt, entweder die Rebterrassen entsprechend topographisch anzupassen oder deren Bewirtschaftung aufzugeben. Im zweiten Fall drohen neben Brache und Verbuschung nicht nur der Verlust von sehr guter Rebfläche, sondern auch die Verdrängung der hochwertigen Flora und Fauna sowie die Minderung der Attraktivität für den Tourismusstandort. Um dieser vielschichtigen Entwicklung entgegenzuwirken, wurde im Rahmen des Integrierten ländlichen Entwicklungskonzeptes (ILEK) „Sonniges Weinland Kaiserstuhl” das Flurneuordnungsverfahren Vogtsburg-Burkheim (Nonnental) durchgeführt. Das Neuordnungsgebiet umfasst rund 36 ha, davon rund 29 ha Rebfläche, und weist vielschichtige Strukturprobleme auf. Ziel des Flurneuordnungsverfahrens war es, durch eine Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen den langfristigen Erhalt der hochwertigen Kulturlandschaft zu sichern und durch gezielte Maßnahmen die ökologische Wertigkeit des Gesamtgebietes zu steigern. 
Möglichst optimale Arrondierung
... und danach. Die Rebzeilen sind nun im Durchschnitt 130 statt 40 Meter lang.
Konkret bedeutet dies, dass unter anderem die Grundstücke nach Lage, Form und Größe für den Weinbau und die Pflege der hochwertigen Böschungsstrukturen optimiert und über öffentliche Wege erschlossen wurden, ohne jedoch das Relief des Berges wesentlich zu verändern. Bei der Zuteilung der neuen Grundstücke wurde darüber hinaus großes Augenmerk darauf gelegt, eine möglichst optimale Arrondierung von Eigentums- und Pachtflächen aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu erreichen und Nutzungskonflikte zu entflechten. Um weiter dem Strukturwandel im Weinbau Rechnung zu tragen, wurden bereits weit vor der Zuteilung Maßnahmen zur Begleitung der Eigentumsentwicklung umgesetzt – unter anderem durch das Einrichten einer Grundstücksbörse oder die Realisierung von freiwilligem Landtausch. Bei der Planung der Gestaltungsmaßnahmen wurde explizit darauf geachtet, ökologisch sensible oder hochwertige Bereiche – diese waren zuvor in umfangreichen ökologischen Gutachten erhoben und kartiert worden – zu schützen und Eingriffe auf ein Minimum zu reduzieren. Durch gezielte Maßnahmen zur
Förderschild mit einem Insektenhotel. Aus 384 Grundstücken wurden in der Flurneuordnung 150 Grundstücke.
Förderung der lokalen Flora und Fauna wurde der unvermeidbare Eingriff ausgeglichen und darüber hinaus ein deutlicher ökologischer Mehrwert erzielt. Beispiele hierfür sind die Schaffung von Brutmöglichkeiten für Bienenfresser  und Wiedehopf oder die Einsaat artenreicher Trockenrasen. Das ortsnahe und ortsbildprägende Neuordnungsgebiet wurde zudem für Naherholungssuchende und Touristen aufgewertet. Neben der durchgängigen Begehbarkeit der neu angelegten Wirtschaftswege wurde das stark frequentierte Naturdenkmal „Hunggaß” aufgewertet und gesichert. Ein von der Zimmererinnung Freiburg gestifteter Pavillon wird in Kooperation mit der Stadt Vogtsburg errichtet und in den neu aufgelegten Weinlehrpfad integriert. Dieser wird allgemeine Informationen rund um die Themen Wein, Kaiserstuhl, Natur und Flurneuordnung beinhalten. 
Alle haben an einem Strang gezogen
Bei der Arbeit am Flurneuordnungsverfahren wurde schon früh sehr großer Wert auf die Einbindung aller interessierten Bürgerinnen und Bürger sowie der Träger öffentlicher Belange und anerkannter Vereine gelegt. Mit dem Ziel, Transparenz, Akzeptanz und Vertrauen zu schaffen, wurden vor der Anordnung des Verfahrens eine Informationsveranstaltung und Eigentümergespräche mit allen potenziellen Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Es wurde dabei neben umfangreichen Informationen rund um das Thema Flurneuordnung auch die Interessenlage der einzelnen Personen aufgenommen.
Arbeitskreis gebildet
Planiemaßnahmen im nördlichen Gewann Nonnental. Im ersten Schritt markieren Holzpflöcke die zukünftige Böschungskante, bevor ...
Um eine möglichst zweckmäßige Abgrenzung des Neuordnungsgebietes und einen ersten Gestaltungentwurf erarbeiten zu können, wurde in der Informationsveranstaltung ein unabhängiger Arbeitskreis aus interessierten Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeindevertretern gebildet. Nach der formellen Anordnung des Flurneuordnungsverfahrens wurden alle Maßnahmen und Verfahrensschritte in enger Zusammenarbeit und im Einvernehmen mit dem gewählten Vorstandsgremium bearbeitet und mit den betroffenen Trägern öffentlicher Belange erörtert. Während des gesamten Flurneuordnungsverfahrens wurden regelmäßig Teilnehmerversammlungen abgehalten und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einem Newsletter per E-Mail über die jeweils aktuell anstehenden Arbeiten informiert. Alle datenschutzrechtlich unbedenklichen Informationen wurden hier veröffentlicht. 
Ergebnis und Bewertung
... im zweiten Schritt der Bagger die Landschaft modelliert.
Betrachtet man die wesentlichen statistischen Faktoren (Tabelle) der alten und neuen Rebgrundstücke, so ist die Aufwertung deutlich ablesbar. Sie waren im Planiebereich vor dem Flurneuordnungsverfahren kleinparzelliert mit einer durchschnittlichen Größe von rund 8 Ar und Schlaglängen von durchschnittlich etwa 40 m. Außerdem waren die Rebgrundstücke unzureichend erschlossen und wiesen oftmals weitere Bewirtschaftungseinschränkungen wie Missformen oder erhebliche Längs- oder Quergefälle auf. Aus Sicht der Winzer konnten die landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen durch Arrondierung und Bodenordnung (Zusammenlegungsverhältnis rund 3:1) sowie gezielte Gestaltungs- und Wegebaumaßnahmen erheblich verbessert werden. Alle neuen Bewirtschaftungseinheiten (62 statt 220) sind über ein neuzeitliches, an den tatsächlichen Bedarf angepasstes Wege- und Gewässernetz mit möglichst minimaler Versiegelung erschlossen und für die Bewirtschaftung optimiert worden. Die Terrassen wurden möglichst parallel, mit minimalem Quergefälle (maximal 4 %) und in der Breite mit einem Vielfachen von 1,80 m angelegt. Um die Investitionen im Rahmen des Flurneuordnungsverfahrens zu sichern und dem Klimawandel Rechnung zu tragen, wird das Gebiet mit einer Tropfberegnungsanlage ausgestattet. 
Augenmerk auch auf Böschungspflege
Nachdem die Arbeiten abgeschlossen sind, nehmen Rebstöcke und Wildpflanzen ihren neuen Platz ein.
Weiter wurde neben der Bearbeitung der Rebflächen – die durchschnittliche Rebzeilenlänge wurden von rund 40 m auf 130 m gesteigert – auch Augenmerk auf die Pflege der hoch sensiblen und mit gebietsheimischem Saatgut eingesäten Böschungen gelegt. Diese wurden so bemessen, dass eine maschinelle Bewirtschaftung durch maximal acht Meter Höhe möglich ist. Die Realisierung des Wege- und Gewässerkonzeptes wäre jedoch kaum möglich gewesen, wenn sich die Anzahl der Teilnehmer im Laufe der Planung (von 165 auf 98) nicht wesentlich verringert hätte. Dieser durch die Gemeinsame Dienststelle Flurneuordnung Freiburg (GDS) mit einer Grundstücksbörse begleitete Prozess spiegelt den Strukturwandel im Weinbau wider und ermöglicht es, größere Grundstücke zu bilden und die notwendigen Erschließungsmaßnahmen zu reduzieren. Aus weinbaulicher Sicht sind nachhaltige Strukturen entstanden, die eine wirtschaftliche Bewirtschaftung der Flächen ermöglichen und dabei insbesondere ökologische Aspekte nicht außer Betracht lassen.  
Fazit
Die frisch angelegten Lösssteilwände sind von unzähligen Bienenfressern zum Bau von Bruthöhlen genutzt worden.
Blickt man auf die vorgesehenen und umgesetzten ökologischen Maßnahmen (Ausgleich und Zusatz), so war deren Funktionalität sehr schnell zu erkennen. Die großflächig gebietsheimisch eingesäten Böschungen entfalteten ihren artenreichen Bewuchs und die für streng geschützte Arten neu angelegten Habitate wurden rasch besiedelt. Die extra errichteten Rebhäuschen mit Nisthilfen sind von Wiedehopf-Pärchen angenommen und die frisch angelegten Lösssteilwände von unzähligen Bienenfressern zum Bau von Bruthöhlen genutzt worden. Neu angelegte Böschungsstrukturen wurden so mit ausschließlich gebietsheimischem Material angelegt, dass optimale Strukturen für Smaragd- und Zauneidechsen entstehen. In letzter Konsequenz ist darauf hinzuweisen, dass nur durch die Bewirtschaftung der Rebflächen die einzigartige Kulturlandschaft und die hochwertige Ökologie nachhaltig erhalten werden können. Denn auch ein Naturgarten wie der Kaiserstuhl kann in seiner einzigartigen Vielfalt nur durch die Arbeit seiner Gärtner, der Winzer, existieren.