Wein und mehr | 01. Mai 2016

Wein, Vogelsang und beste Aussicht

Von Jutta Schütz / Sabine Köllner
Ein Sonntag in den Reben, bei einem guten Glas Wein, frisch gebackenem Brot und selbstgemachten Aufstrichen – was will der Mensch mehr? Auf die Idee, eine sonntägliche Weinverkostung in den Reben anzubieten, kamen Susi und Jürgen Engler, Winzer aus Haltingen, während ihrer Arbeit im Rebberg, als sie wieder und wieder über ihr Tun und den hiesigen Wein ausgefragt wurden. Eine tolle Idee!
Ruckzuck sind Tische und Bänke aufgestellt und das Buffet gerichtet – die Winzersleut Jürgen Engler (l.) und seine Frau Susi (2.v.l.) haben mit ihrer Eventidee des Rebensonntags ein attraktives Angebot für Wein- und Naturfreunde gleichermaßen.
Seit 2012 gibt es in den Haltinger Weinbergen einen Rebensonntag. Ins Leben gerufen haben dieses Ereignis Susi und Jürgen Engler, beides Winzer und Mitglieder der kleinen Erzeugergemeinschaft der Haltinger Winzer eG. „Die Idee flog uns einfach spontan zu”, erklärt Susi Engler. „Immer, wenn wir im Weinberg waren, sind uns die vielen Wanderer, vor allen Dingen an schönen Sonntagen, aufgefallen. Und die haben uns alles Mögliche zum Thema Wein gefragt.  So lag die Idee nahe, ein Weinprobierangebot inmitten der Weinberge, sprich am Entstehungsort zu kreieren.” Die Rebstücke der Englers liegen allesamt über die Tüllinger Berghänge verteilt. Insgesamt sind es 2,7 ha Rebflächen, aufgeteilt in größere und kleinere Schläge in Lagen mit so wohlklingenden Namen wie Haltinger Stiege, Weiler Schlipf oder  Ötlinger Sonnhole. Die Idee für den Rebensonntag stand recht schnell, das Konzept wurde im Rahmen einer Weiterbildungsmaßnahme über die  IMF beim Regierungspräsidium Freiburg (Innovative Maßnahmen für Frauen im ländlichen Raum) umgesetzt. Wichtig war dabei immer auch die flexible Handhabung des Konzepts, da alles draußen stattfindet. So muss alles ins Auto und in einen Anhänger passen, ein schneller Auf- und Abbau muss möglich sein. Überhaupt ist der vorab auf der Homepage angekündigte Termin ein recht kurzfristiger, denn die Wetterlage bestimmt das Geschehen. Erst am Freitag vor dem jeweiligen Sonntag peilen die Englers die Wetterlage und holen kurz vor 12 Uhr die Gestattung für die Veranstaltung beim Ordnungsamt ein – ohne die amtliche Genehmigung geht  nichts. Das ist die kürzestmögliche Planungsspanne, weil für die Organisation und Durchführung rund 40 Stunden zu veranschlagen sind. Die Örtlichkeit des Rebensonntags selbst liegt auf halber Strecke des Weiler Weinweges, dort, wo sich Weinweg und Tüllinger Weg kreuzen. An dieser Stelle laden die beiden nun an verschiedenen Sonntagen im Jahr zur Wein-Verkostung ein. Dabei wird auch an  Kinder und Teilnehmer, die keinen Alkohol trinken, gedacht. Im Gepäck ist frisches Haltinger Bauernbrot, es wird mit Butter und Schmalz zum Wein gereicht. Zudem liegen Spezialitäten wie Dörrfrüchte und Senf am Stand aus. Und je nach Jahreszeit gibt es saisonales Obst und frisch gebackene Kuchen und „Waie” nach Haltinger Art. Um dem ganzen einen Touch von Gemütlichkeit zu geben, laden fassförmige, eher ungewöhnliche Hockgarnituren zum Verweilen ein. Wer steht sich schon gern die Beine in den Bauch, wenn Aussicht und Wein zum  Bleiben einladen. Zusätzlich stellen Susi und Jürgen Engler noch einen Stehtisch auf, den sie gekonnt aus einem Anhänger zaubern. Die Aussicht am Treffpunkt, die sich weit über  Weil und Basel, bis hin zum Jura, bis in die Vogesen und auf die Burgundische Pforte erstreckt, ist vor allem bei klaren Wetterverhältnissen wahrhaft grandios. Die Rebensonntage finden vorwiegend im Frühling, Spätsommer und im Herbst statt. Momentan pausiert die Veranstaltung bis zum Juli wegen der Brutzeit, denn das Grundstück befindet sich in einen Landschafts- und Vogelschutzgebiet. Das bedingt in Absprache mit der unteren Naturschutzbehörde eine besondere Rücksichtnahme, die Englers freiwillig und gerne üben. Jürgen Engler  ist selbst von Kindesbeinen an ein begeisterter Vogelkundler und nimmt den Vogelschutz sehr ernst. Auch seine Frau steht hinter ihm, gemeinsam freuen sie sich, dass sie bei der Arbeit im Weinberg selten gewordene Vogelarten wie den Wendehals beobachten können. „An welchem Arbeitsplatz kann man das schon noch”, strahlt sie übers ganze Gesicht.
Geheimtipp für Feiern
Ausblick aus den Haltinger Weinbergen
Weil die Rebensonntage nur bei gutem Wetter stattfinden, heißt es für Interessenten, sich regelmäßig auf der  Internetseite der Winzerfamilie über den Stand der Veranstaltung zu informieren. Dort wird angekündigt, ob der Rebensonntag tatsächlich stattfindet oder nicht. „Im Sommer müssen wir berücksichtigen, dass es sehr heiß werden kann. Viel Schatten gibt es in einem Rebberg natürlich nicht und bei Hitze sind erfahrungsgemäß auch nicht viele Leute unterwegs”, sagt die Haltingerin. Im Winter dagegen nutzt so mancher Wanderfreund die Möglichkeit, bei gutem Wetter „auf den Berg zu steigen”. „Dann entscheiden wir uns gelegentlich, einen Winter-Rebensonntag zu veranstalten.  Wein gibt es dann als Glühwein, dazu noch Apfelpunsch.”  Insgesamt 13 Rebensonntage waren es im letzten Jahr. Wie viele es in 2016 werden, steht in noch den Sternen beziehungsweise unterliegt der Gunst des Wettergottes. „Unsere Stammgäste wissen Bescheid”, weiß  Jürgen Engler zu erzählen. Auch, dass der Rebensonntag mittlerweile als Geheimtipp für Feierlichkeiten wie zum Beispiel Hochzeiten gehandelt wird. Die Begegnung mit den vielen Menschen, die ihnen sonst so nicht über den Weg laufen würden, freut  die Englers ungemein, denn so kommen Gespräche zustande mit Weinfreunden, Wanderern, Radfahrern, Haltinger Bürgern, Schweizern oder  Spontantouristen. „Wir nutzen dies, um den Beruf des Winzers als Lebensphilosophie zu vermitteln”, so Jürgen Engler. „Die Informationstafeln am Weinweg sind zwar gut, doch das  persönliche Gespräch mit den Menschen, die im Weinberg unterwegs sind, ist für uns eine schöne Ergänzung.”
 
Haltinger Weinlagen und Weine
Die Reben der Haltinger Winzer e.G., zu deren Mitgliedern auch Susi und Jürgen Engler zählen,wachsen in vier Lagen rund um die Ortschaft Haltingen im Markgräflerland. Zu den Toplagen gehören auf Schluff- und Kalkböden die Lagen Haltinger Stiege,  Weiler Schlipf und Ötlinger Sonnhole, teilweise in Steillagen. Die Hauptsorten sind zu 45 Prozent Gutedel und zu 30 Prozent Pinot Noir, die restlichen Flächen sind mit Riesling, Pinot Blanc, Pinot Gris, Chardonnay, Sauvingnon Blanc und Gewürztraminer bestückt. Der Weinbau rund um Haltingen ist  so alt wie der Ort, also über 1200 Jahre. Im Jahr 767 wird Haltingen erstmals urkundlich erwähnt. In dieser Zeit besaß ein Graf Güter in Haltingen und verkaufte bereits Reben. Im Jahr 1065 besaß das Kloster St. Blasien in Haltingen einen Meierhof mit Trotte und Reben. 1139 bestätigte Papst Innozenz II dem Bischof zu Basel Rebbesitz in Haltingen. Von 1925 bis 1936 wurde die Situation für die Haltinger Winzer zusehends schlechter, weil  das Hauptabsatzgebiet Basel wegfiel. Grund genug, 1936 die Winzergenossenschaft Haltingen zu gründen. Seither stiegen nicht nur Fläche und Ertrag stetig an, auch die Qualität der Haltinger Weine wird ständig verbessert. Die Winzergenossenschaft zählt heute 60 Mitglieder.