Fachliches | 06. Februar 2020

Amerikanische Rebzikade gesucht – Bläulingszikade entdeckt

Von Getrud Wegner-Kiß, Dr. Michael Breuer, Staatliches Weinbauinstitut Freiburg u.a.
Die Amerikanische Rebzikade ist Überträger der Vergilbungskrankheit Flavescence dorée. Sowohl die Zikade als auch die Krankheit breiten sich in den Weinbaugebieten Europas aus. Ein engmaschiges Überwachungssystem soll Überraschungen vorbeugen. Dabei gibt es auch interessante Nebenbefunde.
Erwachsene Bläulingszikade und Larvenstadium an Himbeere
Seit 2007 haben das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg und die Lehr- und
Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg ein Überwachungssystem mit Gelbleimtafeln in Baden-Württemberg aufgebaut. Durch die Vernetzung und die Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen wird das Überwachungsnetz engmaschiger und es werden weitere gebietsfremde Insekten wie die invasive Bläulingszikade überwacht und ihr Pflanzenschutzrisiko bewertet. Am Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) hat man in dem Kartierungsprojekt ProgRAMM auch weitere neue Arten im Blick.
Um das Auftreten neuer Schaderreger wie der Amerikanischen Rebzikade möglichst frühzeitig zu erkennen, wird ein aufwendiges Monitoring durchgeführt. Hierzu werden an verschiedenen Standorten zur Flugzeit der erwachsenen Zikaden beleimte Gelbtafeln ausgebracht und diese dann in regelmäßigen Abständen gewechselt und ausgewertet. Zusätzlich werden im Zeitraum Juni bis Juli in den ausgewählten Monitoringflächen Blätter auf das Vorhandensein von Zikaden-Larven untersucht.
Die Ergebnisse der Gelbtafeln können über das VitiMonitoring jährlich eingesehen werden. Unter der Rubrik „Fallenfang/Schädling” kann man das Objekt „Amerik.Rebzikade Fallenfang” wählen. An sich ist die Amerikanische Rebzikade kein direkter Schädling. Sie kann jedoch den Erreger der Flavescence dorée übertragen.
Was finden wir auf Gelbtafeln in Rebflächen?
Ein Gegenspieler der Bläulingszikade ist die Zikadenwespe Neodryinus typhlocybae.
Flavescence dorée (FD) ist eine wirtschaftlich ernstzunehmende Krankheit der Rebe. Sie wird auch „Goldgelbe Vergilbung” genannt und ist in vielen europäischen Weinbauregionen bereits gefunden worden. Erreger dieser Vergilbungskrankheiten sind kleine zellwandlose Bakterien, sogenannte Phytoplasmen.
Befallene Rebstöcke sterben ab. Die Amerikanische Rebzikade kann diesen Krankheitserreger durch Saugen an einem befallenen Stock auf den nächsten gesunden Stock übertragen.
Die Gelbtafeln sind mit einer Leimschicht überzogen. Allgemein werden Insekten von der Farbe Gelb angezogen und bleiben an der beleimten Schicht kleben. Diese Lockwirkung haben die Tafeln vor allem auf Zikaden-Arten, aber auch auf Blattläuse. Der Vorteil dieser Beobachtungstafeln ist, dass das Auftreten von Zikaden in Rebanlagen oder auch die Befallsfreiheit über einen längeren Zeitraum nachgewiesen werden kann.
Ein interessanter Nebenbefund beim Monitoring der Amerikanischen Rebzikade ist das
Auftreten der Bläulingszikade Metcalfa pruinosa. Diese Art stammt ursprünglich ebenfalls aus Amerika und tritt seit etwa 2012 in Deutschland auf. Sie breitet sich seitdem aus und wurde 2019 von Bürgern in Freiburg und auch mit Leimtafeln im Markgräflerland nachgewiesen.
Damit schließt sich das Verbreitungsgebiet dieser Art zwischen Weil am Rhein bis Mainz allmählich. Eine Übersichtskarte mit ihrer Verbreitung ist hier abrufbar.
Auch Strauchbeeren gefährdet
Neben den Reben sind auch Strauchbeeren gefährdet. 2019 wurde der erste Befall in einer Erwerbsanlage mit Stachelbeeren bei Stuttgart berichtet. Die Bläulingszikade kann Kiwikrebs (Pseudomonas syringae pv actinidiae) übertragen, ist aber bislang als Vektor nicht auffällig.
Durch massive Honigtaubildung und Häutungsreste werden die Kulturen verunreinigt und können verpilzen. Der Honigtau wird von Bienen gesammelt, so dass ein chemischer Pflanzenschutz eingeschränkt ist.
In einem Interreg-Projekt des LTZ im Verbund mit dem WBI und weiteren Partnern konnte gezeigt werden, dass die Bläulingszikade Saumhabitate mit Hartriegel und Waldrebe den sonnigen Weinbergen vorzieht. Zudem konnte die Zikadenwespe Neodryinus typhlocybae mehrfach in Deutschland nachgewiesen werden. Dieser natürliche Gegenspieler wurde in den 1960er-Jahren aus Amerika nach Italien nachgeführt und ist Beispiel für eine gelungene Etablierung einer Schlupfwespe zur dauerhaften biologischen Bekämpfung einer invasiven Art. Damit kann man aktuell insgesamt von einer geringen Gefährdung der Reben durch die Bläulingszikade ausgehen.
Verdachtsfotos bitte senden an: pflanzenschutz-insekten@ltz.bwl.de