Fachliches | 02. September 2022

Früh dran sein lohnt sich

Von Johannes Werner, Weinbauberater LRA Ortenaukreis
Trotz des extremen Sommers stehen viele Anlagen gut da. Jetzt gilt es, die Ernte sicher in den Keller zu bekommen. Vogelschutz sowie eine gut organisierte Lese sind wichtige Stichworte. Wer mit der Ernte in den frühen Morgenstunden startet, kann bei den hohen Energiepreisen zudem Geld für die Kühlung sparen.
Ein langer, heißer und extrem trockener Sommer hält an. Zumindest war bis Anfang September keine nennenswerte Besserung in Sicht. Ein Sommer, der der Rebenvegetation rund 14 Tage Vorsprung gegenüber dem langjährigen Schnitt beschert hat. Ein weiteres Jahr, das viele Rekorde bricht und sich in die immer länger werdende Liste der frühen Ernten einreiht. Bereits Ende August startete die Lese des Federweißen, der frühen Sorten und des Sektgrundweines oder war in Baden teilweise sogar schon abgeschlossen.
Rechtzeitig wurde die Lese geplant, Maschinen kontrolliert und instand gesetzt, die Lesemannschaften organisiert, das Lohnunternehmen kontaktiert sowie die Lesegerätschaften gereinigt und gewartet. Auch die Herbstversammlungen der Vermarktungsbetriebe waren überwiegend frühzeitig abgeschlossen.
In vielen Anlagen wurden durch die anhaltend sommerliche Witterung bereits Mitte August die Mindestmostgewichte erreicht. Die Trockenheit führte aber besonders in Neu- und Junganlagen zu verstärkten Stresssymptomen bis hin zu Blattfall, Notreife, welken Trauben und absterbenden Stöcken. Aber auch ältere Anlagen auf skelettreichen Böden oder in Bereichen mit geringer Bodenauflage zeigen Stresssymptome. Beginnend mit vergilbten Blättern bis zur Triebspitze, weichen Trauben und bereits Mitte August vollständig verholzten Trieben.
Falls diese Stöcke im Vorfeld nicht entlastet wurden, sollten die Lesemannschaften dahingehend gebrieft werden, diese Trauben genauso wie EscaTrauben nicht zu ernten, da sie sich nur bedingt zur Weinerzeugung eignen. Junganlagen, die beginnende Welkeerscheinungen zeigen, sollte man im Leseplan bevorzugt beachten. Die Lese gleicht in diesem Fall einer Stockentlastung und kann den Anlagen helfen, sich vor der Vegetationsruhe etwas zu erholen.
Das Gros der Weinberge in Baden steht zur Lese gesund und vital mit schönem Behang, was abermals zeigt, dass alte Rebanlagen auch mit längeren Trockenphasen zurechtkommen. Nur wenige zeigen verstärkten Oidiumbefall. In diesen Fällen sollte Kontakt zum Vermarktungsbetrieb aufgenommen werden.
Altanlagen haben die Trockenheit meist gut weggesteckt.

Sonnenbrand
Die Sonnenbrandschäden sind fast überschaubar, bedenkt man die vielen Sonnenstunden, Hitzeperioden und die hohe Strahlungsintensität. Eher glänzen die Beeren mit dicken, festen Beerenhäuten. Wo es doch zu Schäden kam, stellt sich die Frage, wie bei der Lese mit diesen Trauben oder zum Teil geschädigten Trauben umzugehen ist. Sind größere Traubenteile verbrannt, lösen sich diese nach dem Eintrocknen oft mitsamt Stiel ab. Bei teilgeschädigten Trauben hängen aber die einzelnen Beeren sehr fest am Stielgerüst. Bei zügiger Verarbeitung verbleiben diese oft an den Rappen.
Da es sehr zeitaufwendig ist, die geschädigten Beeren zu entfernen, kommt es im Einzelfall auf den geplanten Weintyp an. Qualitätseinbußen aufgrund von geschädigten oder unreifen Beeren sind durch die Entstehung von Bitternoten möglich, durch eine schnelle Verarbeitung aber überwiegend auszuschließen. Somit kann ein geringer Anteil dieses Materials sicherlich toleriert werden. 
Junganlagen ohne Bewässerung leideten sehr.
Derartige Trauben taugen nicht zur Weinbereitung.

Frühe Lese
Durch den frühen Lesebeginn 2022 ist eine warme Lese wieder mehr als wahrscheinlich. Auch kann das Lesezeitfenster sehr eng sein, je nach Witterung bis zum Herbst. Warmes Lesegut bringt nicht nur mikrobiologische Probleme in den Keller. Gerade bei den steigenden Energiekosten ist das energieaufwendige Herunterkühlen des Lesegutes ein kostspieliges Unterfangen. Ein Start der Maschinenlese in den kühlen Morgenstunden wird notwendig sein, um die Trauben auch kühl in den Keller zu bringen. Diese frühe Lese kann aber zu Unstimmigkeiten mit der Bevölkerung führen. Deshalb sollten die Vermarktungsbetriebe über ein Infoschreiben in den örtlichen Mitteilungsblättern über die Situation informieren und um Verständnis bitten. Auch bei der Handlese wird es notwendig sein, die Sammelstationen oder Kellereien häufiger anzufahren, um das Aufheizen des Lesegutes beziehungsweise dessen Belastung so gering wie möglich zu halten.
Reblaus
Das durchgehend warme Jahr 2022 spielte der Reblaus in die Karten – hier zu sehen an einer Muscaris-Anlage.
2022 zeigt sich aufgrund der durchgehend warmen Witterung als starkes Reblausjahr. Viele pilzwiderstandsfähige Neuzüchtungen – aber vereinzelt auch Europäerreben – zeigen einen nicht zu übersehenden Blattgallenbefall. Diese Blätter müssen vernichtet werden. Zum Beispiel lassen sich die befallenen Stellen in einen Plastiksack eintüten und einige Tage in der Sonne dörren. Zudem sollten die Anlagen auf Edelreiswurzeln, Absenker und durchwachsende Unterlagen kontrolliert werden. Behalten Sie auch die Böschungen und Drieschen in unmittelbarer Nähe im Auge. Denn gerade die genannten Ursachen können den Befallsdruck erhöhen. Bei starkem Befall sollte die Weinbauberatung kontaktiert werden. 
Bodenpflege und Vogelabwehr
Viele Weinberge wurden verstärkt gemulcht oder die Gassen aufgebrochen, um dem Trockenstress entgegenzuwirken. Hier gilt es nun, Erosionen durch Starkniederschläge vorzubeugen. Die einfachste Variante besteht im Abdecken der Gassen. Eine Ansaat macht nur bei ausreichender Bodenfeuchte Sinn. Soll die Anlage mit dem Vollernter befahren werden, muss auf einen tragfähigen Boden geachtet werden.
 
Maßnahmen zur Vogelabwehr, wie zum Beispiel Netze oder akustische Geräte, können insbesondere bei Anlagen mit Saumstruktur oder Waldrandnähe ergriffen werden. Wichtig bei akustischen Geräten: Auf den Mindestabstand zu Siedlungen achten, das Gerät bei Dämmerung und in der Nacht abschalten sowie auf die Ausrichtung achten.
  • Wer Netze einsetzt, sollte unbedingt an folgende tierschutzrechtliche Belange denken: Maschenweite höchstens 30 mm
  • Fadenstärke mindestens 1 mm
  • Netze straff spannen
  • keine losen Netzteile am Boden
  • keine grünen und schwarzen Netze
  • nach der Traubenlese unverzüglich wieder entfernen
  • keine Netzüberbleibsel liegen lassen.
Die genauen Hinweise, Abstandsauflagen und Einstellungsempfehlungen sowie Infos zur Rebhut hat die Weinbauberatung bereits verschickt.
Start mit Solaris und Findling
Kellermeister Siegfried Kiefer, Severin Hurst und WG-Vorstand Meinrad Hurst (von links) bei der Lese der ersten Solaris-Trauben in diesem Jahr in Rammersweier.
Die ersten beiden Berichte vom Beginn der Weinlese in Baden haben die Redaktion des Badischen Winzers Ende August erreicht. Sie stehen stellvertretend für alle Betriebe, die dieses Jahr besonders früh mit der Ernte begonnen haben. In Rammersweier wurden  am 16. August rund 10 000 Kilogramm Solaris-Trauben in den Reben des WG-Vorstands Meinrad Hurst sowie bei den WG-Winzern Johann und Andreas Falk, Markus Kiefer und Jürgen Walter geerntet. Die Trauben lieferten bereits zu diesem frühen Erntezeitpunkt ein Mostgewicht von rund 105 Grad Oechsle. Wie jedes Jahr wird der Solaris zum Wein ausgebaut und bereits im Laufe des Jahres auf den Markt gebracht.
Auch die Weinmanufaktur Gengenbach-Offenburg verzeichnet einen frühen Start: Am 22.8. wurde in der Lage Zeller Abtsberg in Offenburg-Zell-Weierbach der erste Findling gelesen. Die Menge wurde mit 2000 Litern klein gehalten, da ob der sommerlichen Temperaturen die Nachfrage nach Neuem Wein als verhalten eingeschätzt wurde. Die Winzerinnen und Winzer hoffen auf eine ertragreiche Haupternte, denn die Keller sind leer.