Fachliches | 03. August 2023

Stöcke entlasten

Von Johannes Werner, Weinbauberater, LRA Ortenaukreis
Arbeitshinweise für den August: In weiten Teilen Badens entwickeln sich die Erträge gut bis sehr gut. Teilweise muss der Traubenbehang sogar korrigiert werden. Im Bereich Pflanzenschutz haben Infektionsbonituren aktuell höchste Priorität, um noch eingreifen zu können.
Weil der Erfolg einer Stopp-Behandlung bei beginnendem Oidiumbefall höher ist, sollte man die Anlagen regelmäßig bonitieren.
Die heißen Monate Juni und Juli haben das Rebwachstum weiter angekurbelt und zu einem Vorsprung in der Entwicklung von etwa zehn bis 14 Tagen gegenüber dem langjährigen Durchschnitt geführt. Unterschiede in dieser Entwicklung innerhalb Badens können meist mit der Niederschlagssituation in Verbindung gebracht werden. Diese ist in den nördlichen Gebieten wesentlich angespannter.
Neben der vegetativen Entwicklung zeigt sich auch die Ertragssituation in weiten Teilen Badens als sehr gut, vielleicht teilweise sogar zu gut. Kompakte Trauben mit bereits Ende Juli abdrückenden Beeren sind keine Seltenheit. Dies kann je nach Witterung im August und September durch vermehrte Niederschläge zu Problemen mit Fäulnis und ihren bekannten Folgen führen. Die Betriebe müssten dann flexibel auf einen schnellen Herbst reagieren.
Blattinfektionen mit Oidium ähneln mitunter einem Befall mit Peronospora: gelbliche Verfärbung auf der Blattoberseite (links) und Pilzrasen auf der Unterseite (rechts).
Mehltau in allen Stadien Im Bereich Pflanzenschutz zeichnen sich in diesem Jahr enorme Unterschiede ab. Während die südlichen Bereiche stärker mit Peronospora und deren extrem starken Frühjahrsinfektionen zu kämpfen hatten, ist in den nördlichen Bereichen abermals Oidium die Leitkrankheit. Ende Juni konnte der erste Einzelbeerenbefall gefunden werden. Wie bei Peronospora waren fast ausschließliche die Trauben befallen. Das Bild oben rechts zeigt den seltenen Blattbefall der frühen Infektionen – oft mit Ähnlichkeiten zu Peronospora: eine gelbliche Verfärbung auf der Blattoberseite und Pilzrasen auf der Unterseite.
Ende Juli, zum Redaktionsschluss von Der Badische Winzer, kann Mehltau in allen Stadien gefunden werden: vom ersten Einzelbeerenbefall bis hin zum Samenbruch. Ursachen für einen derart starken Befall und die Befallshäufigkeit müssen noch evaluiert werden. Ansatzpunkte gibt es viele: zum Beispiel die lange Vegetationsdauer dieser frühen Jahre mit starken Spätinfektionen, aufgegebene Rebanlagen, schlechte Applikationsqualität beim Pflanzenschutz, Abstand zwischen den Behandlungen, starker und schneller Wuchs der Pflanzen innerhalb des Oidium-Fensters, erschwerte Einhaltung der Antiresistenzstrategie vor allem für Kleinwinzer. Besonders aber natürlich die Witterung mit langanhaltend hoher Luftfeuchtigkeit, die schon in den letzten Jahren zu einem gewissen Grundrauschen insbesondere in den nördlichen Bereichen führte.
Aktuell hat deshalb die Bonitur der Anlagen auf Infektionen Priorität. Es gilt, einen Befall schnellstmöglich zu finden, da eine frühe Bekämpfung mit einer Stopp-Behandlung am besten wirkt. Starten Sie mit der Suche bei den empfindlichen Sorten wie Müller-Thurgau, Chardonnay oder Cabernet Dorsa. Besonders im Spritzschatten, wie hinter Pfählen oder in Traubenwülsten und Verdichtungen, findet man oft den ersten Befall.
 Diese Suche funktioniert nicht vom Traktor aus. Hier und da muss eine Traube auch umgedreht werden und man sollte ins Traubeninnere blicken. Lassen Sie sich nicht vom Entwicklungsstand täuschen. Denn anders als bei Peronospora kann sich Echter Mehltau auch in der Reifephase der Trauben munter weiterentwickeln. Wenn dieser Artikel erscheint, ist die reguläre Pflanzenschutzsaison 2023 höchstwahrscheinlich schon abgeschlossen. Eine Stopp-Behandlung mit Bicarbonaten ist noch möglich, sollte aber nicht zu weit in der Reifephase geschehen, da es dort zu lummeligen Trauben kommen kann, ähnlich einer Traubenwelke.
Ertragsregulierung
Der Oidiumbefall auf dieser Traube wurde durch Behandlung mit Bicarbonaten gestoppt.
Wie erwähnt liegt in weiten Teilen Badens, mit Ausnahme der sehr trockenen Gebiete, eine gute, oft aber auch eine zu gute Ertragssituation vor. Um die Stöcke zu entlasten, Botrytis und Essig vorzubeugen, Verdichtungen zu lockern, eine durchgängige Färbung der roten Sorten zu unterstützen, aber auch die Vorgaben der Vermarktungsbetriebe zu erfüllen, muss der Behang korrigiert werden. Das gesamte Jahr über stehen hierfür viele Möglichkeiten zur Verfügung, wobei die einzelnen Varianten zur Lese hin meist immer teurer werden. Dieses Thema hat Tim Ochßner, Weinbauberater am Landratsamt Karlsruhe, in der Juli 2023-Ausgabe von Der Badische Winzer aufgegriffen.
Im August lassen sich über das Traubenteilen sowohl der Ertrag als auch die kompakten Strukturen auflockern. Hierzu sollte grundsätzlich mehr als die Hälfte der Traube abgeschnitten werden. Das Entfernen ganzer Trauben, besonders an Kümmertrieben, sollte 2023 fast obligatorisch sein – immer mit Blick auf die wirtschaftliche Situation. Dasselbe gilt für das Entfernen von Schultern, welche in diesem Jahr die Größe ganzer Trauben in anderen Jahren haben.