Fachliches | 30. April 2024

Der April hat Baden zweigeteilt

Von Egon Zuberer, Weinbauberater, LRA Breisgau-Hochschwarzwald
Gab es Frostschäden oder nicht? Diese Frage bestimmt das weitere Vorgehen in den Reben. Im Mai kann es in zwei Richtungen gehen: Setzt der Monat sich mit Phasen der Wärme der ersten Aprilhälfte fort, verfestigt sich ein sehr früher Trend. Bleibt er kühl, liegen viele Arbeiten in einem normalen Zeitfenster.
Im Anbaubereich Tauberfranken hat die Frostberegnung am 22. und 23. April etliche Reben gerettet. Ab dem nördlichen Breisgau traten Frostschäden auf, im Kraichgau und in Tauberfranken sehr stark.
Der bisherige Jahresverlauf ist geprägt von einer in fast allen Bereichen guten bis sehr guten Wasserversorgung. Im Bodenseeraum und in Tauberfranken liegen die Niederschläge aus dem Winter über dem Schnitt und damit mit am höchsten in ganz Baden. Unter oder im Schnitt liegen die ganzen Bereiche rund um Freiburg. Auffallend war das lange Defizit im Kaiserstuhlraum, ein Bereich Badens, in dem die Trockenheit stark zunimmt und in dem sich der Gesamtboden nach wie vor im Defizit befindet (vgl. Karte).
Das Jahr ist mit über 3 °C für die Wintermonate und den März bisher überdurchschnittlich warm, was zu keinen kalten Böden führte. Die Vegetation startete durch eine erste sommerliche Aprilhälfte mit Temperaturen bis zu 30 °C ungewöhnlich früh. Mitte April lag der Vorsprung bei rund drei Wochen im Vergleich zum langjährigen Mittel und war damit so groß wie noch nie in den neueren Aufzeichnungen. Die damit einhergehende Gefahr von Spätfrösten machte viele Winzerinnen und Winzer nervös.
Im Vergleich zu 2023 (linke Karte) ist die Wasserversorgung zum Vegetationsbeginn für Baden in den Böden dieses Jahr (rechte Karte) viel besser. Nur der Bereich des Kaiserstuhles zeigt noch Defizite. Die Daten beziehen sich auf den Gesamtboden bis zu einer Tiefe von ca. 1,8 m über die letzten 30 Tage.


Sogar Frostruten erfroren
Die Nächte vom 22. und 23. April bestätigten die Befürchtungen auf schlimme Weise. Ab dem nördlichen Breisgau kam es zu starken Schäden – am ausgeprägtesten im Kraichgau und in Tauberfranken. In vielen Lagen gingen die Schäden bis zum Totalausfall; oft sind auch Frostruten erfroren. In Tauberfranken rettete die Frostberegnung wieder viele Weinberge. Die Temperaturen lagen in den Stationen bei bis zu –3 °C, Winzerinnen und Winzer berichten von bis zu –5 °C. Die über 60 % der Weinbaufläche Badens rund um Freiburg hatten Glück. Leichte Bedeckung und teilweise Nebel verhinderten, dass die Temperaturen endgültig in gefährliche Bereiche absanken.
Einiges, was nachfolgend beschrieben ist, gilt nur noch für unbeschädigte Gebiete oder Lagen – denn Baden ist zweigeteilt. Durch die frühe Entwicklung kam es, dass Arbeiten, die sonst überwiegend im Mai anfallen, regional schon im April völlig abgeschlossen wurden. Dazu gehören die Düngung, das erste Mulchen und die gesamten frühen Behandlungen im Pflanzenschutz. Dieser muss nun gezielt und konsequent weitergeführt werden.
Im Mai wächst die Hauptlaubwand – ein Schwerpunkt im Pflanzenschutz, da sich hier aufbauender Krankheitsdruck später nur schwer korrigieren lässt. Aus den vorausgegangenen trockenen Jahren hat sich in vielen Anbaubereichen Badens Oidium als auffallendes bis starkes Krankheitsbild etabliert. In Befallslagen und generell bei für Oidium günstiger Witterung sollten die Abstände zwischen den Behandlungen zehn Tage nicht überschreiten. Schwierig sind die Phasen extrem schnellen Wachstums, die immer häufiger auftreten. Hier müssen die Abstände am Zuwachs orientiert gekürzt werden. Als kritische Grenze wird inzwischen ein Zuwachs von drei Blättern angegeben, was etwa 600 cm2 entspricht. Die Abstände müssen auch im Zusammenhang mit Peronospora gesehen werden, da die Bekämpfung immer in Kombination erfolgt.
Enge Zeitschiene wichtig
Zur Behandlung stehen im Vorblütebereich als Basis Netzschwefel sowie organische Fungizide wie zum Beispiel Belanty, Prosper Tec oder Dynali zur Verfügung. Inwiefern die ersten wichtigen Behandlungen zur „abgehenden Blüte” schon im Mai erfolgen, bleibt abzuwarten – die Wahrscheinlichkeit jedoch ist hoch. Eine exakte Terminierung und enge Behandlungsfolgen im Bereich von acht Tagen bis zum Abschluss der Blüte haben sich in der Praxis bewährt. Der Einsatz sehr wirksamer Mittel wie Luna Max, Sercadis und Talendo in Verbindung mit einem konsequenten Wirkstoffwechsel bieten den besten Behandlungserfolg.
Man muss sich bei Oidium immer wieder vergewissern: Es gibt keine Mittel, die den Befall bekämpfen können – außer Hydrogenkarbonate und Wasserglas. Die Bestände müssen also vorbeugend befallsfrei gehalten werden. Die Bekämpfung von Peronospora erfolgt wie gewohnt nach Prognose. Eine kostengünstige und gezielte Strategie mit Kontaktmitteln bildet die Grundlage.
Für schwierige Situationen, stehen nach wie vor bewährte, tiefenwirksame Produkte zur Verfügung.  Um die Blüte und für den Bereich danach ist mittlerweile Zorvec Zelavin Bria in der Praxis verbreitet, zukünftig mit dem Nachfolgeprodukt Zelavin Vinabel. Wichtig ist: Es dürfen keinesfalls Blockbehandlungen umgesetzt werden, um das Mittel vor Resistenz zu schützen. Sollten die Reben schon gegen Ende Mai blühen, ist der Einsatz von Bioregulatoren wie Gibberelline-Produkten oder Regalis einzuplanen – Gibberellin in der Burgundergruppe, Regalis in Sorten wie Gewürztraminer, Riesling, Sauvignon blanc, Müller-Thurgau oder Muskateller. Die Auflockerung von kompakten Sorten und Klonen wurde zu einer grundlegenden Absicherung gegen spätere Essigfäule und steht noch vor dem „Moderaten Ausblasen”. Aus Sicht der Beratung ist sie unverzichtbar, wie die Bilder unten zeigen (Abb. 1: unberhandelt / Abb. 2: behandelt) – außer der Blüteverlauf unter schlechten Wetterbedingungen führt zu Verrieselungen.
Wie wichtig diese Maßnahme ist, zeigte das stärker von Essigfäule betroffene Jahr 2023, in dem durch die extrem schnelle Blüte viele Anlagen nicht mehr behandelt werden konnten. Bei sehr schneller Blüte gibt es dann auch keinen heiligen Sonntag: Ist das Einsatzstadium Vollblüte – das heißt, 50 % der Blütenkäppchen sind abgeworfen – verpasst, fehlt dieser Baustein. Sollte die Blüte langsamer verlaufen, ist ein Schnitt zu bilden. Grundsätzlich gilt: Eine Auflockerung ist immer besser als keine, auch wenn nur 50 bis 60 % der Gescheine zum optimalen Termin behandelt werden. Für diese Sondermaßnahme veröffentlicht die Beratung einen gesonderten Rebschutzhinweis.
Junganlagen pflegen
Eine schön gewachsene Jungrebe im zweiten Jahr – auf Stamm geschnitten und korrekt ausgebrochen. Vier Triebe wurden für den Kopfaufbau belassen. Der unterste steht etwa eine Handscherenlänge unter dem Biegedraht.
Die Ausbrecharbeiten haben durch die frühe Vegetation schon im April begonnen. Der Ansatz von Doppeltrieben ist dieses Jahr auffallend gut, qualitätssichernde Maßnahmen sind also erforderlich. Eine luftige Laubwand und ein geordneter Kopfbereich unterstützen den Pflanzenschutz, indem die Reben besser abtrocknen. Im Kopfbereich bildet sich kräftigeres Zielholz für den Rebschnitt des kommenden Jahres.
Das Ausbrechlaub kann für eine Ansiedlung von Raubmilben in Junganlagen verwendet werden, wenn dort auch wirklich Raubmilben zu finden sind. Dann muss es rasch verteilt werden. Denn werden die Ausbrechtriebe lahm, wandern die Milben zu früh ab. Die Raubmilbenansiedlung ist in Verbindung mit der Begrünung eine der erfolgreichsten natürlichen Pflanzenschutzmaßnahmen im neueren Weinbau.
Mit am sensibelsten sind die Ausbrecharbeiten in zwei- bis dreijährigen Junganlagen. Gut entwickelte Junganlagen werden im zweiten Jahr auf Stamm geschnitten. Für die Festlegung des zukünftigen Kopfes dürfen die Triebe am Stamm nicht zu hoch ausgebrochen werden, drei bis vier Triebe müssen stehen bleiben. Das Bild oben zeigt eine korrekt ausgebrochene Jungrebe. Schwach gewachsene Jungreben, bei denen dieser Aufbau nicht möglich ist, müssen auf den Pfropfkopf – ein sichtbares Auge – zurückgeschnitten werden, um später einen wundfreien Stamm zu erhalten.
Bei dreijährigen Junganlagen muss im Kopfbereich sorgfältig ausgebrochen werden, damit für den Stockaufbau wichtige Triebe nicht entfernt werden. Diese Arbeit sollten nur Personen durchführen, die mit dem Stockaufbau vertraut sind. Neu gepflanzte Jungreben sollten etwa ab 5 bis 10 cm Wuchs auf einen möglichst zentral auf dem Pfropfkopf stehenden Trieb vereinzelt werden und dann fortlaufend sauber aufgebunden und ausgegeizt werden. Denn die hohe Mechanisierung erfordert einen geraden Stamm, damit es nicht zu Stammschäden oder Stockausfällen kommt.
Abwarten in den Frostgebieten
Nach dem Frostereignis waar der Schaden noch nicht absehbar. An dieser erfrorenen Jungrebe im zweiten Jahr muss der Stammaufbau völlig neu durchgeführt werden
Völlig anders ist die Lage in den Frostgebieten. Hier kamen alle Arbeiten zum Stillstand. In den schwer geschädigten Anlagen ist der Austrieb von schlafenden Augen abzuwarten. In teilgeschädigten Anlagen muss gewartet werden, bis die welken Triebe oder Teile davon möglichst von alleine abfallen oder vorsichtig entfernt werden können, um noch vorhandene Beiaugen zu schonen. Aufgrund des sehr frühen Austriebs sind diese jedoch oft ebenfalls erfroren. Wo vorhanden und nicht erfroren, konnten Frostruten heruntergebunden werden.
Die Düngung sollte ausgesetzt und die Bodenbearbeitung auf allerhöchstens eine sehr flache Bearbeitung eingeschränkt werden, um zu mastiges Holz zu vermeiden. Durch den sehr frühen Vegetationsstand besteht die berechtigte Hoffnung, dass sich neu bildende Gescheine als Trauben ausreifen. Allerdings sind sehr oft gestaffelte Lesen schon festgeschrieben.
Noch nicht abzusehen ist der Schaden in Junganlagen und wie dort zusätzlich Stammschäden das Bild prägen. Ist um Mitte Mai kein oder nur ein sehr kümmerlicher Austrieb oder Wuchs zu sehen, sollten vom Veredelungskopf wüchsige Neuaustriebe wie im Bild ganz links nachgezogen werden. Wenig Änderung gibt es vorerst im Pflanzenschutz. Teilgeschädigte Bereiche müssen weiter wie Normalanlagen behandelt werden; Bereiche mit Totalausfall starten den Pflanzenschutz ab dem Dreiblattstadium neu.
Jungfelder bestellen Aufgrund der wirtschaftlichen Lage sind Jungfelder stark zurückgegangen. Dies macht den Rebveredlungsbetrieben ebenfalls sehr zu schaffen. Bei der maschinellen Pflanzung ist ein gut abgetrockneter Boden wichtig. Deshalb wurden viele Pflanzungen im April verschoben. Denn in den feuchteren Böden können rasch Probleme mit Verschmieren und schlechtem Wurzelschluss entstehen.
Eine korrekt zugeschnittene Wurzellänge von etwa 5 cm (Bürstenschnitt) verhindert eine Zopfbildung mit nachfolgend schlechtem Wurzelschluss.
In diesem Jungfeld ist die Einsaat zu nahe an die Jungreben durchgeführt worden. Hier tritt die Einsaat bei Trockenheit in Konkurrenz zur Jungrebe. Bei kurzen Reben wäre noch die Gefahr starker Beschattung gegeben.
Neu gepflanzte Jungfelder sollten nach guter fachlicher Praxis mit einer leichten Sommereinsaat aus einer Mischung von Phacelia mit Buchweizen eingesät werden. Diese Mischung hat sich bewährt und bietet Schutz vor Erosion, nimmt überschüssigen Stickstoff auf und ist sehr gut walzfähig, was das Bodenwasser schont. Allerdings darf nicht zu nahe an den Jungreben eingesät werden wie zum Beispiel im Bild unten. Beschattung und Konkurrenzdruck sind zu vermeiden. Diese Mischung bietet sich auch für geöffnete, noch nicht eingesäte Böden in Ertragsanlagen an.
Am Kaiserstuhl als Maikäfergebiet hat sich zur Ablenkungsfütterung von Engerlingen die Einsaat einer Wolfmischung bewährt. Zudem steht für die Pflanzung dieses Jahr die Pralinage von Jungreben zur Verfügung, da eine Genehmigung nach § 22 vorliegt. Bei diesem Verfahren werden die Wurzeln der Jungpflanzen mit einem Insektizid-Tonmineral-Gemisch umhüllt, was die Pflanzen vor Engerlingfraß schützt. Eine Abdeckung des Pflanzstreifens, zum Beispiel mit Kompost, macht einmal früh Arbeit, bietet aber für das ganze restliche Jahr Vorteile. Die notwendige Bodenbearbeitung wird stark verringert und es besteht ein sehr guter Schutz gegen Austrocknung. In stark von Trockenheit betroffenen Lagen hat sich eine ganzflächige Abdeckung mit Stroh oder vergleichbarem Material sehr bewährt. Die Abdeckung mit Kompost ist bei nachgepflanzten Hochstammreben ebenso vorteilhaft, außer der Unterstockbereich wird generell mechanisch bearbeitet.
Fragen zum Pflanzrecht
Der Gemeinsame Antrage muss zum 15. Mai abgeschlossen sein. Die umfangreichste Maßnahme für den Weinbau ist die Beantragung des Pheromonzuschusses. Eine Erleichterung gab es bei der Umstellung und Umstrukturierung, da hier die Sanktionsschwelle von 20 auf 30 % Abweichung hochgesetzt wurde. Hierdurch werden einige Beanstandungen wegfallen. Dennoch sollten besonders bei der Zusammenlegung vieler kleiner Flurstücke und bei großen Vorgewenden auf eigener Fläche die Flächenangaben im Antrag sorgfältig geprüft werden. Eine weitere Maßnahme ist FAKT E 11, Herbizidverzicht auf selbst gewähltem Flächenanteil. Hier besteht der Vorteil, dass Problemgebiete bei der mechanischen Bodenbearbeitung durch Flächenrotation wieder saniert werden können.
Die erschwerte wirtschaftliche Lage führt zu einem kräftigen Grundstücksverkehr und nachfolgend zu vielen Pflanzrechtsfragen. Nach wie vor ist die Rechtslage seit 2016 nicht überall bekannt. Seit 2016 ist das Pflanzrecht ein Betriebsrecht und entsteht durch Rodung in dem Betrieb, auf dem die Fläche in der Weinbaukartei gemeldet ist.
Gültigkeitsdauer des Pflanzrechts
Gültigkeitsdauer des Pflanzrechts
In dieser Abbildung geht es um die Dauer des Pflanzrechtes. Der linke Gültigkeitspfad zeigt die Lage bei Rodung und Pflanzung auf derselben Fläche. Hier besteht nach aktuellem Stand seit dem 23. April 2024 durch die Änderung des Weingesetzes eine Gültigkeit von nun acht Jahren. Auf Antrag im zweiten Wirtschaftsjahr nach Rodung kann die Gültigkeit von sechs auf acht Jahre verlängert werden. Bei Rodung und Pflanzung auf verschiedenen Flächen beträgt die maximale Gültigkeitsdauer fünf Jahre. Der Antrag auf Verlängerung muss ebenfalls im zweiten Weinwirtschaftsjahr nach Rodung gestellt werden.
In der unten stehenden Abbildung wird die Frage nach dem Verbleib des Pflanzrechtes erläutert. In fast allen Fällen zeigt sich ein einfacher Verlauf: Die Fläche verbleibt ohne rechtliche Folgen in dem rodenden Betrieb. Nur im letzten Fall, der Pächter rodet und die Fläche verlässt den Betrieb, hat dies weitreichende Folgen. Hier geht für den Verpächter das Pflanzrecht verloren, zurück bleibt Ackerland. Das Pflanzrecht verbleibt beim ehemaligen Pächter. Das freundschaftliche Angebot „Ich rode dir die Reben noch” kann unliebsame Folgen haben. Alle Fragen zu den Pflanzrechten sollten in Pachtverträgen und Absprachen sorgfältig geregelt werden, um spätere Missverständnisse zu vermeiden. Für Detailfragen sollte man Kontakt mit der Weinbaukartei am Weinbauinstitut (WBI) Freiburg oder den Referaten für Weinbau in den zuständigen Regierungspräsidien aufnehmen.   
Die rodung entscheidet, wo das Pflanzrecht verbleibt.