Fachliches | 30. Oktober 2024

In Vorbereitung für das nächste Jahr

Von Tim Ochßner, Weinbauberater
Nach der Ernte lohnt es sich, einen genauen Blick in den Weinberg zu werfen. Wann fällt das Laub ab? Wie ist die Beschaffenheit des Bodens? Ist der Stock von Krankheiten befallen? Wer sich damit auseinandersetzt, erkennt wichtige Hinweise für die Bewirtschaft im folgenden Jahr.
Um die Ursache einer Wuchsdepression herauszufinden, kann eine Profilgrabung gemacht werden.
Nachdem der Jahrgang 2023 durch Trockenheit gekennzeichnet gewesen war, präsentierte der Jahrgang 2024 genau das Gegenteil. Niederschläge über das ganze Jahr verteilt, teilweise Starkregenereignisse bis über 100 mm/m² bis in der Herbst hinein machten das Arbeiten in den Weinbergen und vor allem den Pflanzenschutz nicht einfach. Erschwerend kamen in einzelnen Gebieten noch Frostschäden und Hagelereignisse hinzu. Auch die Feuchtigkeit im Herbst war nicht immer  förderlich für die Qualität. Die niedrigen Temperaturen zu Beginn des Jahres und ein Temperaturschock während der Blüte könnten die Ursache für die in vielen Gebieten geringer als geschätzt ausfallende Erntemenge sein. 
Bei der Manöverkritik des Jahrganges nach der Ernte sollten die Aufzeichnungen des Pflanzenschutzes und die dahinterstehende Strategie unbedingt kritisch durchleuchtet werden. Um Anpassungen an die derzeit schwierige Marktlage und die damit verbundenen Erlösproblematik vornehmen zu können, sollten die Produktionsschritte im Hinblick auf Kosten und Nutzen überprüft werden. Bei geringer Auszahlungsleistung geraten die herkömmlichen Spaliererziehungen an die Grenze der Machbarkeit. Notwendige Systemwechsel auf zum Beispiel kostensparende Bewirtschaftungssysteme wie den Minimalschnitt im Spalier müssen allerdings auch gut vorbereitet werden.
Probleme nicht in die nächste Saison mitnehmen
Wuchsdepression innerhalb eines Rebstückes
Nach der Ernte geben die Weinberge noch viele Informationen für die nächste Saison. Diese gilt es zu genau beobachten, denn schon jetzt werden die Weichen für das neue Weinjahr gestellt. Eine Dauerkultur hat ein gewisses „Vorjahresgedächtnis” und eventuell aufgetretene Probleme können deshalb mit in die nächste Saison genommen werden.  
Häufig zeigen die Weinberge erst kurz vor Vegetationsende mögliche Probleme und eventuelle Fehler in der Bewirtschaftung an. Der wichtigste Parameter bei einer Beurteilung der „Fitness” der Rebstöcke ist der visuelle Eindruck. Das Bild zeigt eine typische Wuchsdepression mit mehreren möglichen Ursachen. Ziehen sich solche Depressionen quer zum Hang, sollte man mit einer Strukturschwäche im Boden – ausgelöst durch eventuelle Planiearbeiten – rechnen etwa, weil der alte Weg zugeschoben wurde. Aber gerade auch in Weinbergs-arealen kommt es vor, dass sich eine Steinplatte im Boden befindet oder eine humusarme Zwischenschicht zutage getreten ist.
 
Profilgrabung
Fahrspuren, die während der Vegetationsphase entsanden sind, sollten bei abgetrocknetem Boden beseitigt werden.
Um gezielte Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, muss in den Boden geschaut werden. Am besten macht man dies mit einer Profilgrabung. Aber auch eine Spatendiagnose oder der Einschlag des Pürkhauer-Bohrstocks liefert Informationen zum Verdichtungshorizont, zum Humusgehalt, zur Wasserhaltefähigkeit und zur Staunässegefahr oder auch zu Steinplatten im Boden. Ist die Ursache bekannt, kann konkret gehandelt werden. Bei Staunässe helfen Tiefenlockerungsmaßnahmen. Einem Trockenstress hingegen kann durch das Einbringen von wasserhaltendem Humus entgegengewirkt werden. Hierbei sollte man möglichst zusätzlich bewässern. Verdichtungen müssen nach der Weinlese in ihrer Tiefe lokalisiert und bei abgetrockneten Böden mit entsprechenden Geräten mindestens fünf Zentimeter tiefer, als der Verdichtungshorizont es vorweist, gelockert werden. Ergibt sich bei dieser Analyse kein eindeutiges Bild, so sollte der Boden auf einen vorhandenen oder latenten Nährstoffmangel untersucht werden. Fahrspuren, die während der Vegetation entstanden sind, gilt es, auf diese Weise bis in die Lockerungszone zu beseitigen.
Was in der Nacherntezeit im Holz passiert
Fehlt es an Magnesium, verfärbt sich das Blattgrün zwischen den Blattadern gelblich, bei Rotweinsorten hellrot.
Rebstöcke, denen Kalium fehlt, zeigen ein vermindertes Triebwachstum, eine gestörte Holzreife und kleine Beeren.
Blattgallmilben sind an blasenförmigen Aufwöl- bungen auf den Weinblättern identifizierbar.
Während der „Nacherntezeit” zieht der Rebstock Nährstoffe aus den Blättern ins Holz zurück. Auch hier können bei unterschiedlicher Ausprägung der Mangelsymptome Rückschlüsse auf den Ernährungszustand des Weinstocks gezogen werden. Häufig zeigt sich vor allem in jüngeren Anlagen Magnesiummangel, während in gut ausgelasteten Anlagen häufig Kalium fehlt. Aber auch Probleme mit Schadmilben werden zu diesem Zeitpunkt nochmals sichtbar. Dazu zählt die Rebenpockenmilbe – auch Blattgallmilbe genannt, die während der Vegetationsphase an den Weinblättern blasen- oder pockenartige Wölbungen verursacht. Die Milbe an sich ist mit nur 0,15 Millimetern Größe recht winzig und mit bloßem Auge eher nicht zu erkennen. Erste Schäden durch die Rebenpockenmilbe zeigen sich schon kurz nach Beginn des Austriebs (Blattpocken). Die Auswirkungen auf das weitere Wachstum und die eigentliche Ertragsbildung sind hingegen eher gering.
Spannend wird die Zeit des Blattfalls in den Rebanlagen. Hier sind viele Rückschlüsse über die Fitness der Anlage möglich. Ist das Rebstück über den Sommer gut gepflegt worden und gibt es Bilder, die den Blattfall dokumentieren, so kann man mit solchen Aufnahmen Bodenstrukturen, die Wasserversorgung und auch die Vitalität  der Rebanlage ableiten. Dies kann für Düngung, eventuell erforderliche Bewässerung aber auch für den individuellen Anschnitt der Reben wichtige Hinweise geben.  
Was der Zeitpunkt des Blattfalls aussagt
Die Schwarzfleckenkrankheit wird verursacht durch einen Pilz, den häufige Niederschläge begünstigen.
Fällt das Laub außergewöhnlich früh, so geht die Rebanlage mit einem geringen Energiestatus in den Winter. Die wahrscheinlichsten Ursachen für einen frühen, nicht witterungsbedingten Laubfall sind Wasserstress, Überlastung der Stöcke oder Probleme mit dem Pflanzenschutz, welche in diesem Jahr öfters zu sehen sind. Im nächsten Jahr sollten geschwächte Stöcke entlastet werden.
Ein weiterer wichtiger Beobachtungspunkt im Spätherbst ist die Absicherung der Diagnose „Schwarzholzkrankheit”. Befallene Stöcke werfen sehr viel später ihr Laub ab als gesunde Stöcke. Und neben der beim Rebschnitt sehr relevanten Schwarzfleckenkrankheit besteht noch einmal die Möglichkeit, Oidium- und Botrytisbefall am Rebholz zu überprüfen. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die Gefährdung der Rebanlage im nächsten Frühjahr  ziehen. Pauschal lässt sich sagen, dass deutliche Oidiumfiguren am Holz zu einer hohen Gefährdungseinstufung im nächsten Frühjahr führen sollten. Botrytisbefall am Holz dürfte hingegen eher für die Winterfrosthärte relevant  sein. Sehr starker Peronosporabefall kann auch in die Triebe eingewachsen sein. Deshalb sollte man hier unbedingt überprüfen, inwieweit Schäden im Holz zu finden sind. Die betroffenen Augen treiben im nächsten Frühjahr mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aus. War nicht nur die Witterung Auslöser des Befalls, so sollten die Laubarbeit und das Düngemanagement überprüft werden.
Unterschiedliche verkürzte Internodien-Abstände in gewissen Wachstumrhythmen deuten auf einen starken Befall durch Kräusel-, Blattgallmilben und/oder die Rote Spinne hin.
Diese Stöcke sollten entfernt werden
In dieser Rebzeile waren die mit Esca befallenen Stöcke im Sommer 2024 sehr auffällig zu erkennen.
Ebenfalls sollten die Anlagen schon zu diesem Zeitpunkt sanitär begutachtet werden. Stark befallene Maukestöcke müssen entfernt werden, ebenso die durch Esca abgestorbenen Stöcke. Die Rebstöcke mit einem Wiederaustrieb sollten mit einer deutlichen Markierung in den Anlagen belassen und im nächsten Jahr beobachtet werden. Auch die Holzreife der Reben lässt sich zu diesem Zeitpunkt sehr gut bestimmen. Grünes Holz bei Frostbeginn verheißt hier nichts Gutes.
Nach den Wetterkapriolen der letzten Jahre empfiehlt es sich, die Rebstöcke in den Junganlagen über den Winter  anzuhäufeln, um möglichen Frostschäden  vorzubeugen. Wo dies noch nicht geschehen ist, sollte es bei entsprechender Witterung baldmöglichst erledigt werden.
Herbstbuch führen
Wer Trauben erntet, hat ein Herbstbuch zu führen. Darin müssen Erntemenge, Mostgewicht, Herkunft – also Gemarkung/Lage – und die Rebsorte festgehalten werden. Die Eintragungen sind täglich vorzunehmen. Werden Menge und Mostgewicht mit automatischen Einrichtungen festgestellt, treten die dabei ausgedruckten oder eingetragenen Daten an die Stelle des Herbstbuches. Voraussetzung ist, dass alle notwendigen Daten aufgeführt sind. Das Herbstbuch ist fünf Jahre lang aufzubewahren. Nähere Auskünfte erteilen die zuständigen Stellen. Die Trauben-Erntemeldung für genossenschaftlich organisierte Betriebe gibt die erfassende Genossenschaft ab.