Fachliches | 04. September 2024

Ungleiche Erträge zu erwarten

Von Tobias Burtsche
Zwischen dem 9. und 16. September wird in Baden die Hauptlese des Weinjahrgangs 2024 beginnen. Mit der richtigen Planung lässt sich der Ablauf besser koordinieren.
In 2024 bedingten die anhaltenden Niederschläge das Infektionsrisiko für Peronospora.
Die Rebenvegetation 2024 verläuft nach einem sehr frühen Austrieb Anfang April mittlerweile rund zehn Tage vor dem langjährigen Mittel. Ungleiche Entwicklungen  aufgrund von Frostschäden und Blüte-Verrieselungen werden voraussichtlich teilweise große Unterschiede in der Leseterminierung erfordern. Anlagen mit geringerer Ertragserwartung  werden zum Beispiel schneller reifen.
Der Spätfrost vom 21. bis 23. April war ein Windfrostereignis, welches insbesondere die Reben in höheren Lagen und Sorten mit frühem Austrieb schädigte. Vor allem der sehr warme Februar, mit 6 °C über dem langjährigen Mittel, begünstigte die früh startende Vegetation Anfang April. Bedingt durch das Spätfrostereignis und einen sehr nassen Mai verzögerte sich sodann die Rebenentwicklung. Einerseits waren die hohen Niederschlagsmengen sehr förderlich für das Rebenwachstum. Andererseits erhöhte sich jedoch das Peronosporainfektionsrisiko. Kurze Spritzintervalle (wöchentlich) und der Einsatz potenter Fungizide waren notwendig, um den Ertrag zu sichern. Bis zur Abschlussspritzung blieb das hohe Infektionsrisiko für Peronospora und Oidium witterungsbedingt erhalten. Das Jahr 2024 war bisher von reichlichen Niederschlägen gesegnet. Vorhandener Traubenbefall (Lederbeeren) ist überwiegend eingetrocknet und wird keine negativen Folgen hinsichtlich des Weinausbaus mit sich bringen. Möglicher ungünstiger Sekundärbefall durch Botrytis sollte durch eine Vorlese vor dem  Maschineneinsatz beziehungsweise bei der Handlese direkt aussortiert werden.
Gegenüber den Jahren 2021 bis 2023 ist bis dato deutlich weniger Oidiumbefall zu beobachten. Dies ist sicherlich auf den frühen Start des Pflanzenschutzes und die notwendigen kurzen Spritzintervalle bei gleichzeitigem Einsatz wirksamer Oidiumfungizide zurückzuführen. Mittlerweile ist auch eine erhöhte Aufmerksamkeit der Winzerinnen und Winzer hinsichtlich Oidiumbefall vorhanden. Oidium wird voraussichtlich in Zukunft öfter die „Leitkrankheit” im Weinbau in Baden sein.
Gesunderhaltung
Später Sonnenbrand
Für den weiteren Reifeverlauf stehen Feinarbeiten zur Gesunderhaltung der Beeren und zur Förderung der Qualität an:
  • Termingerecht gipfeln
  • Beschattungen vermeiden 
  • Angepasste, moderate Teilentblätterung der Traubenzone
  • Vermeiden von Traubenverletzungen
  • Kurzhalten der Begrünung während der Reifezeit
  • Kein Ausbringen von Trester in oder in die Nähe von noch nicht geernteten Parzellen
  • Intensive Beobachtung der Kirschessigfliege (KEF)
Bis Mitte August wurden von Rheinland-Pfalz erste Eifunde der Kirschessigfliege bei der Rebsorte Acolon gemeldet. Stärkere Eiablagen können insbesondere in offenen Beeren durch die beiden Fruchtfliegenarten (Drosophila melanogaster, heimische Fruchtfliege, und Drosophila suzukii, Kirschessigfliege) an gefährdeten, überwiegend rotfärbenden Rebsorten vorkommen. Hier sind vorgeschädigte Rebanlagen mit z.B. Oidiumbefall infolge von Rissen in der Beerenhaut oder durch Hagel, aber auch durch Fraßschäden an geöffneten Beeren durch Wespen, Schnecken oder Mäuse besonders gefährdet. Eine Sekundärbesiedelung durch die Fruchtfliegen (Mischpopulation aus KEF und heimischer Fruchtfliege) mit der negativen Begleiterscheinung der Essigfäulnis ist witterungsabhängig möglich. Frühmorgendliche Beobachtung, mit geringen Schüttelbewegungen des Biegedrahtes, gibt schnell Aufschluss, ob Kirschessigfliegen im Bestand sind. Siehe hierzu www.monitoring.vitimeteo.de.
Meist fliegen die KEF kurz auf, bevor sie sich wieder auf den Beeren absetzen. Beim genauen Beobachten, eventuell mit einer Lupe, erkennt man die männliche KEF an schwarzen Punkten auf den Flügeln. Unter Umständen sind erste schäumende oder safttropfende Beeren oder auch Essigbeeren zu finden, die auf eine beginnende Besiedlung der KEF-Population schließen lassen. In solchen Fällen sollte mit Blick auf den geplanten Lesetermin und der damit verbundenen Einhaltung der Wartezeiten der eingesetzten Insektizide eine Pflanzenschutzmaßnahme durchgeführt werden, um die Fliegenpopulation zu reduzieren. Gegebenenfalls sind Auflagen des Bienenschutzes einzuhalten! Unter https://kurzlinks.de/rebschutz sind Empfehlungen zur KEF 2024 verfügbar.
Der ziellose vorbeugende Einsatz von Insektiziden bringt keinerlei Zugewinn und sollte tunlichst unterlassen werden. Das Vorhandensein der Fliegen im Bestand kann Indikator für möglichen Befall sein. Noch besser ist die Kontrolle der Eiablage mithilfe eines Binokulars oder einer beleuchteten Lupe.
Leseterminierung
Ungleich große Trauben infolge von Verrieselung
Als „qualitatives Maß” der Trauben für die Ermittlung des Lesezeitpunktes hat sich die „physiologische Reife” bewährt. Dabei geht es um die Geschmacksreife der Trauben, die nicht identisch mit der Zuckerreife ist und sich über das Verkosten der Trauben feststellen lässt. Bei den Weißweinsorten kommt es dabei auf das Verhältnis von Zucker und Säure an. Bei den Rotweinsorten sind die Farbausprägung und die Tanninreife wichtige Parameter. Aber auch die Braunfärbung der Traubenkerne und die Leichtigkeit, mit der sie sich vom Fruchtfleisch lösen lassen, sowie das Verholzen der Stielgerüste und der Fruchtruten sind weitere Faktoren. Letztendlich werden aber auch analytische Parameter wie Mostgewicht, Säure, pH- und NOPA-Wert ausgewertet, um den Lesezeitpunkt zu bestimmen. Hierzu ist von den Betriebsleitern/Kellermeistern ausreichend Zeit einzuplanen.
Um ein strukturiertes Arbeiten während der Lese zu gewährleisten, ist die frühzeitige Leseplanung zum Bedarf an Erntehelfern, Lesemaschine, Absprache Lohnunternehmer und Einberufen der Herbstversammlung der Erzeugergemeinschaft/Winzergenossenschaften besonders wichtig. Auch jahrgangsspezifische Probleme wie Gesundheitszustand der Trauben und dadurch notwendige separate Erntetermine sind einzuplanen. 
Für die Sektbereitung sind zu einhundert Porzent gesunde Trauben mit niedrigen Mostgewichten von 80 bis 82° Öchsle zu ernten. Hierzu wird in der Regel in ausgesuchten Rebanlagen frühzeitig und noch  vor der Hauptlese geerntet.
Lesevorbereitung
Alle benötigten Gerätschaften sind vor ihrem Einsatz gründlich zu reinigen. Die Hygiene bei der Lese und der Weiterverarbeitung der Trauben ist die Grundvoraussetzung für reintönige, sortentypische, ansprechende Weine.
Bitte beachten Sie folgende Hinweise bei der Traubenlese:
  • Verwenden Sie zur Lese nur saubere, hygienisch einwandfreie, geschmacksneutrale und für Lebensmittel zugelassene Behältnisse und Geräte
  • Reinigen Sie täglich Ihre Herbstgeräte gründlich
  • Beseitigen Sie Esca-Trauben aus dem Lesegut, schneiden Sie die Stöcke ggf. heraus
  • Sortieren Sie essigfauleBeeren und Trauben aus (auf Boden schneiden)
  • Bereiten Sie Ihre Rebanlagen vor der Lesemaschine sorgfältig vor: Esca-, Fäulnis- oder Oidiumbefall entfernen
  • Melden Sie Rebanlagen, die mit der Lesemaschine geerntet werden, beim Kellermeister an und lassen Sie die zu erwartende Traubenqualität prüfen
  • Vermeiden Sie lange Standzeiten und liefern Sie Ihr Traubengut schnellstmöglich zur Verarbeitung an.
  • An warmen Lesetagen empfehlen wir die Lieferung halbtageweise – also die erste Charge schon am späten Vormittag, um die schnelle Verarbeitung zu gewährleisten.
  • Achten Sie insbesondere bei Vollernterlese auf die schnelle Weiterverarbeitung, da dies für die Weinqualität entscheidend ist. Es besteht die Gefahr einer Oxidation.
Vogelabwehr
Netze, akustische Geräte und dergleichen unterstützen die Vogelabwehr, insbesondere bei Rebanlagen mit Saumstrukturen wie Böschungen mit Hecken oder Bäumen und in Waldrandnähe. Zu beachten ist, dass akustische Geräte bei Dämmerung und nachts abzuschalten sind, um eine Lärmbelästigung der Anwohner zu verhindern.
Beim Aufhängen von Netzen gelten folgende tierschutzrechtliche Belange:
  • Maschenweite max. 30 mm
  • Fadenstärke min. 1 mm
  • Netze straff spannen
  • Keine losen Netzteile auf dem Boden liegend
  • Keine grünen und schwarzen Netze und keine Kunststoffgespinste verwenden
  • Netze windsicher befestigen
  • Nach der Traubenlese Netze unverzüglich entfernen
  • Reste von Netzen dürfen nicht im Gelände liegen bleiben
Pflege der Junganlagen
Der Pflanzenschutz in Junganlagen sollte zur Verbesserung der Holzausreife mit einer Kupferabschlussspritzung abgeschlossen werden. Bitte beachten Sie, dass Sie in Randbereichen zu angrenzenden Rebflächen den Pflanzenschutz nur mit abgewendeter Teilbreitenschaltung durchführen, um Abdrift auf vorhandene Trauben in der Nachbarparzelle zu verhindern.
Eine Einsaat beispielsweise mit Winterwicke in Kombination mit Roggen/Winterweizen oder Luzerne sollte zur Verhinderung möglicher Erosion und zum Erhalt beziehungsweise zum  Aufbau von Humus in der offenen Gasse durchgeführt werden.
Absterbende Reben durch Esca-Befall sind ein nachhaltiges Problem, das den Arbeitsaufwand und die Kosten in den Weinbaubetrieben steigert. Trotz allem empfiehlt es sich, hier dranzubleiben, da sonst langfristig der Stockausfall den Ertrag minimiert und die Wirtschaftlichkeit der Anlagen in Frage stellt. Mit Esca befallene Stöcke können jetzt zurückgeschnitten, vorhandene Stockausschläge aufgebunden und die Stöcke für eine winterliche Stammamputation gekennzeichnet werden. Befallenes Holzmaterial sollte umgehend aus den Rebanlagen entfernt und verbrannt werden!
Die Schwarzholzkrankheit zählt zu den Vergilbungskrankheiten, die durch Phytoplasmen verursacht wird. Diese zellwandlosen Bakterien werden im Falle der Schwarzholzkrankheit durch die Winden-Glasflügelzikade von z.B. Brennnessel oder Winde auf die Reben übertragen. Erkrankte Reben zeigen deutlich eine Wölbung der Blattränder nach unten. Das Laub verfärbt sich bei weißen Rebsorten „gelb” und bei roten Rebsorten „rot”. Im weiteren Verlauf kommt es zum Absterben von Trauben (Nekrosen). Bei entsprechend erkrankten Reben sollten umgehend die befallenen Pflanzenteile großzügig abgeschnitten werden. So lässt sich verhindern, dass die Phytoplasmen sich  im Saftstrom der Rebe verteilen bzw. sich in den Leitbahnen des Stammes einlagern und in der Folge der Rebstock abstirbt.
Ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit der Schwarzholzkrankheit ist das Beseitigen von Brennnesselhorsten und Winden in den Reben nach der Lese. Auch die angrenzenden Böschungen sollten diesbezüglich überprüft und gepflegt werden.