Fachliches | 01. April 2022

Auf die Kabine kommt es an

Von Sebastian Dittmar, SVLFG
Pflanzenschutzmittel sind Gefahrstoffe, vor denen sich die Winzer beim Ausbringen bestmöglich schützen sollten. Die Fahrerkabine des Schleppers hat dabei eine wichtige Bedeutung.
Erfüllt die Fahrerkabine die höchste Sicherheitsnorm, kann auf Schutzkleidung verzichtet werden.
Pflanzenschutzmittel (PSM) sind mit besonderer Sorgfalt zu handhaben. Sebastian Dittmar von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) erläutert, worauf bei einer Fahrerkabine zu achten ist.
Im Vergleich zu einem Traktor ohne Fahrerkabine bieten geschlossene Kabinen grundsätzlich Schutz beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln. Allein die geschlossene Kabinenstruktur verringert den Kontakt signifikant. Wichtig ist dabei, dass im Betrieb alle Öffnungen geschlossen sind und der Traktor über einen Zuluft-Filter verfügt. Eine Klimaanlage stellt sicher, dass es im Sommer nicht zu übermäßiger Hitzebelastung kommt. Wenn man einen neuen Traktor oder Selbstfahrer kauft, kann eine sogenannte Schutzkabine nach EN 15695 für zusätzliche Sicherheit und Gesundheitsschutz sorgen. Nicht zu unterschätzen ist der Komfortgewinn für den Winzer während der gesamten Pflanzenschutzsaison.
Welche Kabinen gibt es?
Seit dem Jahr 2009 gilt die Sicherheitsnorm EN 15695. Sie bezieht sich auf Traktoren sowie Selbstfahrer und beschreibt vier Kategorien von Kabinen:
  • Kat. 1: Kabine bietet keinen Schutz vor Staub und Pflanzenschutzmitteln
  • Kat. 2: Kabine schützt nur vor Staub
  • Kat. 3: Kabine schützt vor Staub und flüssigen PSM (inkl. Spritznebel)
  • Kat. 4: Kabine schützt vor Staub, flüssigen PSM und deren Dämpfen.
Kabinen nach EN 15695 der Kategorien 3 und 4 sind speziell für das Ausbringen von PSM konstruiert. Sie beinhalten einen definierten Überdruck in der Kabine mit entsprechender Anzeige sowie geeignete Filter.
Welcher Kategorie ein Fahrzeug entspricht, lässt sich einem Hinweis in der Kabine sowie der Betriebsanleitung entnehmen. Traktoren, die vor 2009 gebaut worden sind, wurden hinsichtlich des Schutzes vor Pflanzenschutzmitteln noch nicht kategorisiert.
Um auch ältere Fahrzeuge und deren Schutzwirkung beurteilen zu können, hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Anforderungen an Kabinen der Kategorie 2 folgendermaßen definiert: Dicht schließende Fahrerkabinen mit Zuluft-Filter und Klimaanlage schützen vor Spritznebel. Auf vorgeschriebene Schutzanzüge, Schutzhandschuhe sowie Augen- oder Gesichtsschutz kann in geschlossenem Betrieb verzichtet werden.
Ein großer Vorteil besteht demnach darin, dass man in geeigneten Fahrerkabinen ab Kategorie 2  beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln  auf zusätzliche Schutzkleidung verzichten kann. Einige Landtechnikhersteller bieten an, per Knopfduck zwischen der Luftfiltrierung bei Transportfahrten und beim Ausbringen von PSM zu wählen. Auf dem Transport wird der Luftstrom über den Staubfilter geleitet.
Beginnt das Ausbringen von PSM, wird auf einen speziellen Filter umgeschaltet. In dieser Einstellung läuft ein Betriebsstundenzähler. Ist die festgelegte Standzeit des Filters abgelaufen, erfolgt eine Anzeige, die zum Filterwechsel auffordert. Dies ist ein echter Gewinn an Komfort und Sicherheit.
Auf welche Schutzausrüstung in welchem Kabinentyp verzichtet werden kann, zeigt die Abbildung.
Pflege und Wartung
Hinsichtlich Arbeitssicherheit sind bei Traktoren mit Fahrerkabine die Filter mindestens entsprechend der Herstellerangaben auszutauschen. Grundsätzlich wird empfohlen, vor den Frühjahrsarbeiten einen neuen Innenraumfilter einzusetzen. Bei Traktoren ohne Kabine ist das Risiko, mit PSM in Kontakt zu kommen, unverhältnismäßig hoch, deshalb sollten diese nicht  zum Ausbringen von PSM eingesetzt werden.
Nicht zuletzt erschwerten die dann erforderliche Schutzkleidung, Schutzhandschuhe, Kopf- und Augenschutz  das Fahren mit dem Traktor erheblich. Überdies werden alle Oberflächen bei Traktoren ohne Kabine stark kontaminiert. Dies ist bei folgenden Arbeiten oder in Bezug auf Beifahrer zwingend zu bedenken.
Auch wenn man eine Kabine der Kategorie 3 oder 4 verwendet, sind die Vorgaben des
Herstellers zum Filterwechsel und die Anzeige im Fahrzeug zu beachten. In einer Umfra-
ge aus dem Jahr 2020 unter 4000 Praktikern gab jeder Zweite an, die Kabine nach dem Ausbringen von PSM zu reinigen. Präventiv sollten Oberflächen in der Kabine häufig gereinigt werden, um sich selbst und andere Fahrer vor möglichen Rückständen zu schützen. 
Bereitstellung der Schutzausrüstung
Die Grundausstattung an Schutzkleidung muss in jedem Unternehmen vorhanden sein. Sie besteht aus langer Arbeitskleidung, Pflanzenschutzhandschuhen, Ärmelschürze, festem Schuhwerk und einem dicht schließenden Augenschutz oder Gesichtsschild. Dazu kommen Materialien für eine Erste Hilfe, wie zum Beispiel eine Augenspülflasche und Produkte zum Reinigen der Hände.
Dazu ist unter anderem der Frischwasserbehälter am Pflanzenschutzgerät mit neuem Wasser zu befüllen. Eine Liste des BLV zeigt, welche Schutzausrüstung geeignet ist und wo diese bezogen werden kann. Informationen zum sicheren Umgang mit Pflanzenschutzmitteln bietet die SVLFG auch per Video auf ihrem YouTube-Kanal. Aufgegriffen werden folgende Themen:
  • Sicherer Anwenderschutz beim Umgang mit PSM
  • Umgang mit konzentrierten PSM
  • Umgang mit anwendungsfertigen PSM
  • Anwendungssicherheit im Pflanzenschutz
  • Reparatur und Störungsbeseitigung beim Ausbringen von PSM
  • Persönliche Schutzausrüstung für den Umgang mit PSM.
Sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte profitieren von den vorgestellten Maßnahmen. Die Filme rund um den Anwenderschutz im Pflanzenschutz können auch als ergänzendes Element bei Qualifizierungsmaßnahmen wie Unterweisungen unter Angabe der Quelle genutzt werden.
Wissenswertes  für Anwender stellt die SVLFG zudem unter www.svlfg.de/pflanzenschutzarbeiten zur Verfügung.