Wein und mehr | 03. August 2017

Insel des Wohlstands

Von Mathilde Hulot
Carnuntum, dieses kleine, perfekt gepflegte Weinanbaugebiet in Österreich, setzt auf Zweigelt, die als international wenig bekannte Rebsorte würzige Rotweine hervorbringt. Die Winzer profitieren zudem von der Nähe der Hauptstadt Wien.
Die kleine Weinregion Carnuntum in der Nähe von Wien an der Grenze zu Ungarn ist gesäumt von Windrädern.
Man nimmt von Wien aus die Autobahn ostwärts, Richtung Ungarn. Nach 20 Minuten Fahrzeit stößt man auf einen ganzen Wald von Windkraftanlagen, der das kleine Anbaugebiet Carnuntum dominiert. Der Ort verdankt seinen Namen den Römern. Zu ihrer Zeit errichteten sie hier ein Militärlager für bis zu 70000 Legionäre.
Heute gibt es hier einen archäologischen Park und das Dorf Petronell-Carnuntum, das 300 Einwohner zählt. Das Weinbaugebiet erstreckt sich über kleine Inseln rund um die Gemeinden Höflein, Göttlesbrunn-Arbesthal und Prellenkirchen. Insgesamt sind es 910 Hektar.
Alles ist perfekt gepflegt. Kein Rebstück ist verwahrlost, keine der Rebzeilen erscheint schwächlich. Die Eigentümer hängen an ihren Reben.
„Man muss warten, bis ein Alter aufhört”
In vielen Betrieben kommen Schubkarren zum Einsatz.
Es ist schwierig geworden für die Winzer, sich zu vergrößern. „Man muss warten, bis ein Alter aufhört”, erklären sie. Um die Weinproduktion zu steigern, kaufen sie Trauben zu.
Wie andernorts in Österreich auch, besaßen die Großeltern der derzeitigen Erzeuger bereits einige Reben. Aber sie bauten seinerzeit auch Getreide an und hielten Vieh. Ihre Kinder haben sich im Verlauf der Achtzigerjahre auf Weinbau spezialisiert.
Über lange Zeit brachte Carnuntum Weißweine für Heurigen-Lokale und Restaurants der Hauptstadt hervor. Mittlerweile weht ein anderer Wind. Man hat stark auf Rot gewechselt, in erster Linie auf die Rebsorte Zweigelt, weil sie hier gut gedeiht und Rotweine hervorbringt, die würzig sind, mit Noten von Himbeeren und Kirschen.
Blaufränkisch (Lemberger) ist ebenfalls präsent. Es ist die Sorte des südlichen Nachbarn  Burgenland. Seltener im Anbau und schwieriger zu kultivieren ist Saint-Laurent, der allerdings vorzügliche Rotweine hervorbringt. Weiße Sorten im Anbau sind das österreichische Aushängeschild Grüner Veltliner, Chardonnay, Sauvignon blanc und Riesling.
Marketing funktioniert hervorragend
Mit der Zeit nahm das Interesse an den Weinen zu, die Preise für Rebflächen stiegen mit. Im Jahr 2000 kostete ein Quadratmeter bepflanzte Fläche 1,50 Euro, heute sind zwischen sechs und acht Euro fällig.
Diese Wertsteigerung verdankt die Region mehreren Faktoren: einem guten Verständnis unter den Winzern, starken Familienbetrieben, in denen die Generationen Hand in Hand arbeiten, und einem prosperierenden Markt in der Nähe: Die Einwohner der Hauptstadt Wien kommen ins Weinbaugebiet, um Kraft zu tanken und gut zu essen und zu trinken. 
Marketing und Kommunikation für die Region funktionieren hervorragend. Dank dieser Verhältnisse sind die Erzeuger in der Lage, sich zu erweitern und sich gut auszurüsten. Es gibt keinen, der nicht neue französische Barriques, Fässer und Behälter auf dem neuesten Stand besitzt. Und nicht weniger als fünf haben sich das optische Sortiergerät für das Lesegut Delta Vistalys angeschafft. Sie vergöttern es regelrecht.
 
          
 
Keller neben Keller
Philipp Grassel ist einer der bekanntesten Winzer in Carnuntum.
In den Straßen von Göttlesbrunn reihen sich die Keller aneinander. Man tritt hier durch ein großes Portal in einen Innenhof, der früher in Ställe und Schuppen führte. Ab dem Jahr 2000 wurde alles in moderne Keller umgewandelt.
Heute sind diejenigen, die an den Hebeln sitzen, zwischen 30 und 50 Jahre alt. Franz Netzl und seine Söhne, Philipp Grassl und die Artners gehören zu den bekanntesten Namen. Gerhard Markowitsch, 47, ist ihre Galionsfigur. Eine respektierte und konstruktive Persönlichkeit.
Seine Familie hat die Weinproduktion innerhalb von 20 Jahren von 8000 auf 800.000 Flaschen gesteigert. Mit einem Lächeln auf den Lippen führt er 90 Hektar, davon die Hälfte unter Vertrag. Das macht ihn zum „Riesen” des Anbaugebiets.
Strukturierte Eleganz gefragt
Gerhard Markowitsch gilt als Galionsfigur im Carnuntum. Er kultiviert einige Rebsorten, doch der Spätburgunder steht für ihn ganz obenan.
Gerhard Markowitsch verkauft zwei Drittel seines Weines innerhalb Österreichs, der Rest wird in insgesamt 22 Länder exportiert, darunter Deutschland, die Schweiz und Dänemark. Er hat 18 Angestellte in Vollzeit.
Markowitsch hat seine Ausbildung in Klosterneuburg absolviert. Er ist umhergereist, aber hat im Ausland nie Trauben gelesen oder Wein ausgebaut. „In den Neunzigerjahren waren Bordeaux und Kalifornien unsere Vorbilder. Heute bevorzugt man strukturierte, elegante Rotweine aus Zweigelt, Blaufränkisch und Merlot”, erklärt er.
Sein Stolz heißt „Rosenberg”, ein Verschnitt aus Zweigelt, Merlot, Blaufränkisch und Spätburgunder. Von der letztgenannten Rebsorte schwärmt er geradezu. Er hat davon acht Hektar. Sein erster Jahrgang war der 1993er.
Zu starkes Wachstum
Johannes Trapl bewirtschaftet einige Hektar in Spitzerberg an der ungarischen Grenze, wo sich die Sorte Blaufränkisch sehr wohl fühlt.
Zwei Cuvées hat er im Angebot: eine klassische und eine „Single Vineyard Reserve”,  also eine parzellenbezogene Cuvée. Jeder Erzeuger hat im Einstiegsbereich Weine zwischen sechs und sieben Euro, dann den Rubin Carnuntum, die Speerspitze des Weinanbaugebietes, im Verkauf zwischen zehn und zwölf Euro, und schließlich besondere Gewächse, die für das Image sorgen sollen.
Die Trauben dieser Weine, die zwischen 20 und bis zu 40 Euro kosten, stammen aus exponierten Lagen wie Steinacker, Hagelsberg, Altenberg und Rosenberg. Dazu kommt der Spitzerberg. Etwas abgelegen, an der Grenze zu Ungarn, bringt der mehrere Kilometer lange Hügel dichte, voluminöse Weine hervor. Blaufränkisch gedeiht hier besonders gut.
Johannes Trapl wohnt mit seiner Familie in Stixneusiedl. Er hat ein altes Haus gekauft und hergerichtet. Seine Weine kommen dem Burgunder-Stil nahe und sind in Burgunder-Flaschen abgefüllt.
Der junge Mann sieht Grenzen des Wohlstands in der Region: „Die Kellerbetriebe wachsen zu stark. Vor 20 Jahren bewirtschafteten sie nur zehn Hektar. Wein machen ist wie kochen – es macht sehr viel Spaß, das schwierige ist, ihn zu verkaufen.”