Wein und mehr | 02. November 2018

Neuer Aufbruch

Von Mathilde Hulot
Die Weinbauregion Qinhuangdao, etwa 300 Kilometer östlich von Peking, hat nach einem großen Fälschungsskandal schwer gelitten. Unternehmer setzen jetzt darauf, dass der Glanz zurückkehrt und die vermögenden Bewohner der Hauptstadt anzieht.
Das Château Renxuan hat, wie die anderen großen Weingüter der Region, einen Freizeitkomplex angegliedert, um Publikum anzulocken.
Sie hieß Changli. Aber sie musste den Namen ändern. Es ist die erste Region Chinas, die Wein in großem Stil erzeugt hat. Hier, 300 Kilometer östlich von Peking, wurde die allererste Flasche trockenen chinesischen Rotweins erzeugt − ein Cabernet-Sauvignon.
Sehr schnell haben sich hier große Macher niedergelassen. 2002 wurde Changli zur ersten chinesischen Ursprungsregion. 2010 jedoch haben ein paar Dutzend Unternehmen, vom Erfolg berauscht, irreparablen Schaden angerichtet. Sie haben angefangen, Weine für umgerechnet 1,30 Euro/Flasche zu verkaufen, obwohl die Rentabilitätsschwelle bei 4,55 Euro/Flasche lag.
Der chinesische Fernsehsender CCTV hat die Täuschung aufgedeckt: Es handelte sich um Getränke, die nur 20 Prozent Wein enthielten; der Rest entfiel auf Wasser, Zucker, Farbstoffe und Aromen. Manchmal enthielten sie überhaupt keinen Wein.
Das war eine der größten Affären von Produktfälschung in diesem aufstrebenden Markt. Seither muss alles wieder aufgebaut werden. 48 Kellereibetriebe teilen sich von nun an einen neuen Namen: Qinhuangdao (wörtlich: „Die Insel des Kaisers Qin”), benannt nach der am nächsten gelegenen Stadt mit drei Millionen Einwohnern, die auch der Garten Pekings genannt wird, ein Seebad, geschätzt von reichen Einwohnern Pekings. Qinhuangdao lässt die Einheimischen träumen, weil Unternehmer hier grandiose Anwesen bauen für Besucher auf der Suche nach feiner Lebensart.
 
 
Reiche Unternehmer investieren
Der große Eingangsbereich des Château Kings (hier noch im Bau) zeigt das größte Weinbau-Fresko der Welt.
Eine halbe Stunde von der Küstenstadt entfernt, wendet das Weingut Kings seinen ganzen Charme auf, um Publikum anzuziehen. Der Ort ähnelt eher einem Erholungszentrum als einem Weingut europäischer Prägung. Zudem bezeichnet es sich als „Great Health Ecosphere”.
Sein Eigentümer ist ein Magnat aus der Pharmaindustrie. Das Unternehmen vertreibt seit 1994 Herzmedikamente und beschäftigt 50.000 Mitarbeiter (Tasly Pharmaceutical Group). Im Château Kings erlebt der Kunde schöne Augenblicke, kann hier seinen Ruhestand verbringen oder sich erholen mit Spezialpflege und täglich einem Glas Rotwein.
Der Eingangsbereich des Weinguts zeigt die Übermäßigkeit des Anwesens. Gewaltige Pfeiler sind mit Fresken bemalt, auf denen sich Gott, Adam und Eva, Dionysos, Montesquieu, Napoleon, Louis Pasteuer und die Kaiser der chinesischen Dynastien begegnen. „Es sind die größten Fresken der Welt, die Wein zum Thema haben”, heißt es rühmend im Präsentationsvideo.
Der Park ist noch längst nicht fertiggestellt: Um den Keller herum, so neu, als ob das Material noch nicht benutzt worden wäre, entstehen Wohnungen, Villen, ein Wellness-Zentrum und ein Restaurant. Im Empfangssaal, der schon existiert, kann man die Weine des ersten Jahrgangs 2015 probieren.
Weinverkostung und Reitstunden
Das Gut Renxuan setzt auf Freizeitbeschäftigung. Gegründet wurde es 2010 von einem Unternehmer, der mit Immobilien reich geworden ist. Hoch auf einem Hügel gelegen, überragt das Gebäude ein Weinbauareal von 45 Hektar, mit sehr jungen Reben und Ställen für rund 40 Pferde. Landhäuser mit unverbaubarer Aussicht werden für 65 bis 104 Euro pro Nacht vermietet, und eine Reitstunde kostet 52 Euro.
Die Weinverkostungen sind für die Kunden gratis. Das Weingut bietet einen halbtrockenen gefälligen Rosé, einen Cabernet-Sauvignon-Rotwein, von dem der allererste Jahrgang, der 2013er, verheißungsvoll und in überraschender Balance ist, und einen „Porto”, auf dem Rückenetikett als Port Wine bezeichnet.
Jung und entschlossen
Flaschen der Marke Great Wall. Sie ist auf Cabernet-Sauvignon ausgerichtet,die dominierende Sorte in China.
In Liuhe Valley wächst ein Komplex für Weinbau und biologischen Obstbau aus dem Boden. Die Eröffnung ist in zwei Jahren vorgesehen. „Bio” gewinnt bei den Konsumenten an Bedeutung, ebenso ist es mit „Naturweinen”. Diese Begriffe werden mit Qualität verbunden, auch wenn das Publikum die ganze Bedeutung noch nicht erfasst.
Hier herrscht auch Cofco, der chinesische Lebensmittelgigant. Diese staatliche Gesellschaft besitzt zwölf Standorte für Weinausbau, die über das Land verteilt sind. Ihr gehören zudem ein Château in Bordeaux und 350 Hektar im Colchagua-Tal in Chile.
Unter der Marke GreatWall, der bekanntesten in China, verkauft sie einen Cabernet-Sauvignon ab 5,20 Euro in den Regalen. Hier in Qinhuangdao besitzt GreatWall einen gewaltigen unterirdischen Keller, in dem das Unternehmen 15 Millionen Flaschen erzeugt, hauptsächlich aus Trauben, die von Vertragswinzern zugekauft werden.
Neben diesem historischen Ort des Weinausbaus errichtet die Gruppe einen neuen Keller, um dort sehr hochwertige Weine zu produzieren. „Wir sind eine junge Weinregion, wir müssen noch viel lernen, aber wir sind entschlossen, große Weine zu erzeugen”, erklärt Chen Xiaobo, Generaldirektor des Standorts von GreatWall.