Pilzwiderstandsfähige Rebsorten sind wesentlicher Teil der Agrarwende, sagen Martin Schmidt und Philipp Rottmann. Seit November vermarkten sie eine Piwi-Schaumwein-Cuvée.
Martin Schmidt (links) und Philipp Rottmann haben ihre Idee für einen Crémant aus Trauben von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten in die Tat umgesetzt. Sie unterstützen auch interessierte Winzer bei der Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung.
Ob Klimawandel oder Artenschutz – zunehmend stehen bislang gebräuchliche Mittel und Anwendungen, die das Gedeihen von Nutzpflanzen fördern, in der Kritik. Auch im Weinbau, der aufgrund steigender Temperaturen und invasiver Schädlinge stetig wachsenden Herausforderungen ausgesetzt ist. Begleitend dazu mehren sich die Stimmen, die den biologischen An- und Ausbau der Weine fordern. Politisch vorgegeben ist gar ein Anteil von 40 Prozent Bioweinbau bis zum Jahr 2030.
Weniger anfällige Pflanzen können die Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung wesentlich befördern. Weine, die aus pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, den Piwis, gekeltert werden, tun sich jedoch bislang in der Gunst der Verbraucher eher schwer. Da Piwi-Sorten während der Vegetationsphase bis zu 80 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel benötigen, sind sie ein wesentlicher Teil der Agrarwende, sagen Martin Schmidt und Philipp Rottmann. Sie haben das Piwi-Kollektiv gegründet, mit dem sie die Entwicklung vorantreiben und Traubenerzeuger bei der Umstellung unterstützen wollen.
Genossenschaftliches Vorbild
Martin Schmidt, Bio-Winzer aus Eichstetten im Kaiserstuhl, Vorstand von
Ecovin Baden und Vizepräsident des Badischen Weinbauverbands, hat erst
vor rund eineinhalb Jahren den Nebenerwerbswinzer Philipp Rottmann,
Leiter eines nachhaltigen Start-up-Förderprogramms vom Grünhof Freiburg,
kennengelernt. Schnell habe man die gemeinsamen Ideen in eine Form
gegossen und umgehend in die Tat umgesetzt: Erzeuger von Piwi-Trauben
werden nach dem Vorbild einer Genossenschaft unter Vertrag genommen und
deren Lesegut in der Kellerei in Eichstetten verarbeitet.
Die durch
Komposition der Piwisorten Souvignier Gris, Cabernet Blanc, Johanniter
und Helios entstehende Cuvée reift in klassischer Flaschengärung zu
einem Crémant.
10 000 Flaschen beträgt die erste Charge, die neun
Monate auf dem Hefelager reifte und ab Mitte November in den Verkauf
kommt. Vier Kaiserstühler Winzer hatten dafür im Herbst 2021 ihre
Trauben angeliefert. Für die zweite Auflage kamen bereits drei weitere
Winzer dazu und auch aus dem Markgräflerland hätten sich inzwischen
Interessenten gemeldet, erklärt Rottmann.
Kleinstrukturen erhalten
Die Bereitschaft, auf ökologischen Weinbau umzustellen, sei
durchaus vorhanden, für Mitglieder einer Winzergenossenschaft allerdings
nicht so einfach und bislang nicht rentabel. Ein wichtiges Ziel des
Piwi-Kollektivs sei jedoch auch, bei der Umstellung auf nachhaltigen
Weinbau die regionaltypischen Kleinstrukturen zu erhalten. Diese werden
in Baden zu gut 70 Prozent von Nebenerwerbswinzern bewirtschaftet, die
einer Genossenschaft angeschlossen sind.
„Wir wollen keine Mauer
aufbauen, sondern Traubenerzeuger, die auf Bio umstellen möchten, an die
Hand nehmen”, betont Philipp Rottmann. Das Angebot versteht er als
Ergänzung und man sei offen für Kooperationen mit
Erzeugergemeinschaften. „Winzer sollen auch weiterhin bei ihren
Genossenschaften bleiben, das Kollektiv kann jedoch Sammelstelle und
Traubenabnehmer sein.”
Vom Weinbauinstitut wissenschaftlich begleitet
Das vom Badischen Weinbauverband und vom Badischen
Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV) unterstützte Projekt wird vom
Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg wissenschaftlich begleitet. Der
Fokus liegt dabei auf der sogenannten Grünveredelung. Unter der Leitung
von Ernst Weinmann wird erforscht, wie ein bestehender klassischer
Rebstock ohne Ertragsverlust veredelt werden kann.
Dieter Rösch aus Weil
am Rhein hat dazu an seinen eigenen Reben Pfropfreis von einer
Piwi-Sorte auf einen Stock aufgepfropft, an dem schon im nächsten Jahr
Trauben geerntet werden konnten. Der große Vorteil der sogenannten
„Rösch-Methode” liegt auf der Hand: Reben müssen nicht gerodet werden
und der Übergang erfolgt quasi nahtlos. Die Anlage sollte allerdings
noch nicht zu alt sein.
Testflächen gesucht
Der Piwi-Crémant NOU ist demnächst verfügbar.
Die von Dieter Rösch im
Privaten entwickelte Methode soll nun auf zwei bis drei weiteren
Testflächen erprobt werden. Winzer, die dazu bereit sind, können sich
bei Martin Schmidt und Philipp Rottmann unter Tel. 0176/24688686 oder
per E-Mail melden. Anerkennung für die
Initiative zeigt derweil auch das Land Baden-Württemberg und hat im
Rahmen des EiP-Projekts Fördermittel bewilligt, mit denen zwei Stellen
zur Erforschung und Standardisierung der Rösch-Methode auf den neuen
Testflächen geschaffen werden können. Als Starthilfe für die gesamte
Entwicklung war das Piwi-Kollektiv auf finanzielle Unterstützung
angewiesen. Dazu hat die Initiative ein erfolgreiches
Crowdfunding-Projekt gestartet und unter
www.piwi-kollektiv.de im
Voraus den neuen „NOU Piwi-Crémant” verkauft. Das eingenommene Geld
fließt direkt in den Kauf von Pflanz- und Rebmaterial, Veredelung und
Umstrukturierung.