Fachliches | 04. Februar 2019

Die Möglichkeiten ausschöpfen

Von Arno Becker, Weinbauberater am DLR in Oppenheim
Effektiv, vorausschauend und gewinnbringend, so soll die betriebliche Dokumentation gestaltet sein. Hierbei helfen professionelle EDV-Programme. Vor der Anschaffung eines solchen Programmes gibt es aber einiges zu berücksichtigen, damit es wirklich den erhofften Nutzen bringt.
Immer mehr Betriebe, besonders die mit jungen Nachfolgern, entscheiden sich für ein EDV-gestütztes Betriebsmanagementsystem.
In vielen Betrieben steht die Anschaffung eines EDV-gestützten Schlagkarteiprogrammes an und stellt dort eine wichtige Entscheidung dar. Anschaffungs- und Folgekosten wollen abgewogen sein, denn die Software soll bestmöglich auf die Einsatzbereiche im Betrieb abgestimmt sein, damit der Nutzen die Kosten nicht überschreitet.
Als aktueller Punkt für Aufzeichnungspflichten im Weinbaubetrieb ist zum Beispiel die Dokumentationspflicht für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu nennen. Seit dem Jahr 2008 muss jeder Winzer über die Rebschutzmaßnahmen schriftliche oder elektronische Aufzeichnungen führen. Weiterhin nehmen gesetzliche Vorgaben im Bereich der Nahrungsmittelerzeugung zu und machen eine Dokumentation der Produktionsschritte erforderlich. Nur so wird eine Rückverfolgbarkeit gewährleistet, die im Weinbau immer wichtiger und mehr und mehr zur Voraussetzung für den internationalen Handel wird.
Viele Aufzeichnungen bilden zudem die Grundlage bei Betriebskontrollen oder für die Einhaltung rechtlicher Bestimmungen. Auch bei Zertifizierungen sind sie fester Bestandteil. Dokumentationen dienen schließlich auch als Nachweis für Regeln wie zum Beispiel die einer ökologischen Bewirtschaftung.
Pflicht und Kür bei Aufzeichnungen
Datenabgleich mit Fremdsystemen wie Vollernter sowie Traubenwaage oder die Autodokumentation haben das Leistungsspektrum der Programme erweitert.
Gewisse Aufzeichnungen sollten jedoch allgemein im Interesse einer geordneten Betriebsführung stehen. Als Grundlage für verschiedenste Auswertungen dienen sie schließlich der Kostenkontrolle der wachsenden und immer mehr spezialisierten Betriebe, zum Beispiel durch optimierte Lager- und Betriebsmittelverwaltung. Sie ermöglichen eine transparente Betriebsführung sowie einen optimierten Stoffeinsatz, wie etwa für den Bereich Düngung – hier  basierend auf Bodenproben und Labor-empfehlungen. Davon kann die Qualitätsproduktion nur profitieren.
Möglichst bequem soll dabei der bürokratische Teil dieser einerseits angeordneten, andererseits freiwilligen Eingaben ablaufen. Diese Angaben beanspruchen täglich etwa fünf bis zehn Minuten, bieten dem Anwender aber Vorteile bei den Auswertungen.
In der Landwirtschaft werden bereits häufig EDV-gestützte Schlagkarteiprogramme eingesetzt. Auch im Weinbau nimmt diese Form der Aufzeichnung zu. Die Gründe dafür sind vielfältig: Sie erleichtern die Arbeiten nicht nur wesentlich, sondern alle Informationen befinden sich greifbar und übersichtlich an einem Ort. Über regelmäßig stattfindende Updates ist der Betriebsleiter stets auf dem neuesten Stand, denn diese betreffen beispielsweise Zulassungen oder Genehmigungen von Pflanzenschutzmitteln und vieles mehr. 
Wo EDV-Programme entlasten können
In vielen weiteren Bereichen kann die Betriebsführung entlastet werden. Die folgende Aufzählung soll die maximalen Möglichkeiten von Schlagkarteiprogrammen verdeutlichen:
  • Sehr übersichtlich sind Adressdatenbanken zu pflegen. Über sie können detailliert Personendaten verwaltet und über viele Jahre Informationen gesammelt werden, beispielsweise für eine Kundenhistorie. In Verbindung damit generieren die Anwendungen Serienbriefe oder -mails. Die aktuellen  Datenschutzbestimmungen sind unbedingt zu beachten.
  • Ebenso ist die Personalverwaltung möglich. Diese schließt bei einer dafür geeigneten Programmversion die Dokumentation des Personaleinsatzes ein, in der Regel verknüpft mit der automatisierten Lohnermittlung über Flächen- und/oder Stundenleistung. Die aktuellen Datenschutzbestimmungen sind unbedingt zu beachten.
  • Weiterhin hat die Pflege der Sachkundenachweise zum Pflanzenschutz, die inzwischen von jedem Anwender gefordert werden, in der Personalverwaltung einen hohen Stellenwert eingenommen.
  • Der Maschinenpark lässt sich außerdem über eine Schlagkartei verwalten, auch Wartung und Instandhaltung können mit diesem Programm organisiert werden. Maschinenkosten über Einsatzzeiten, Wartungskosten und Abschreibung zu erfassen, ist ebenso möglich und kann schlussendlich als Grundlage für die betriebliche Vollkostenrechnung dienen.
  • Derlei Programme erlauben fernerhin die Lagerverwaltung. So besteht die Möglichkeit, den Einkauf von Pflanzenschutz- und Düngemitteln etc. in das Lager einzubuchen. Beim Verbrauch der Mittel erfolgt die Ausbuchung automatisch. Eventuelle Fehlmengen werden berechnet und Einkaufslisten erstellt.
  • Kernstück aller Programme sind die Parzellendaten, die bei manchen Produkten in Form der EU-Weinbaukartei vom zuständigen Weinbauamt importiert werden können. Über sie kann oft auch die Pacht abgerechnet werden. Zusatzmodule bieten eine grafische Flächenverwaltung per Luftbild oder Geodaten an. Die Vermessung von Flächen über GPS  kann beim Zukauf eines entsprechenden Moduls ebenfalls in Verbindung mit Schlagkarteiprogrammen geschehen. Das Gleiche gilt für die Erfassung von Bodenprobenentnahmestellen.
  • Viele dieser Programme erlauben es, die Nährstoff-Hoftorbilanz zu erstellen. Auch ein Herbstbuch ist in einigen Produkten enthalten, das nach Ausdruck rechtsverbindlich wird. In manchen Anwendungen sind zudem weitere Formulare generierbar, wie sie von den entsprechenden Behörden abgefragt werden.
  • Die Traubenerntemeldung (TEM) oder die gesonderte Berechnung der Gesamthektarerträge (GHE) gehören dazu, Rodungs-, Pflanz- und Änderungsmeldungen zur EU-Weinbaukartei und die Meldung der Weinmostbestände gleichermaßen.
  • Die Traubengeldabrechnung ist ebenfalls Teil einiger Programme. Alle Hersteller bieten jedoch vielfältigste Rechenmöglichkeiten an. Rechenhelfer für die Pacht, Pflanzenschutz-, Düngemittelrechner und vieles mehr gehören mittlerweile fast zum Standardrepertoire. Darüber hinaus sind in zweiter Linie vollständige Arbeitsaufträge für Mitarbeiter erstellbar.
  • Elektronische Schlagkarteien bieten ferner die Möglichkeit, Daten in unterschiedlichen Formaten zu speichern und diese zwischen dem Weingut und externen Empfängern auszutauschen. Banken gehören über Datenaustausch-Tabellen (DTA) für den Lastschrifteinzug dazu, ebenso Programmen zur Finanzbuchhaltung. Wenn Systemdaten im csv- oder Excel-Format vorhanden sind, können diese meist eingelesen und jährlich aktualisiert werden.
  • Wichtigster und inzwischen am häufigsten nachgefragter Punkt ist die mobile Datenerfassung mittels einer App, also über mobile Endgeräte. Dabei geht es um die zielgerichtete Datenerfassung. Damit kann eine Arbeitsanweisung mit automatischer Angabe der GPS-Daten erfasst werden, so dass ein Mitarbeiter später direkt anhand der GPS-Koordinaten an den Ort der durchzuführenden Maßnahme geleitet werden kann, beispielsweise für die Reparatur eines Ankers.
  • Smartphones ermöglichen mittlerweile eine ortsungebundene Datenerfassung. Jene Angaben können dann zu einem späteren Zeitpunkt mit einer Schlagkartei ausgetauscht werden. Bei Betrieben mit mehreren Mitarbeitern ist diese Möglichkeit sinnvoll. Auch Bonitursysteme können über eine mobile Datenerfassung gehandhabt werden.
  • Über Zusatzmodule, zum Beispiel für Lohnbetriebe, können mithilfe einiger Programme Aufträge erfasst und Rechnungen gestellt werden. Betriebswirtschaftliche Auswertungen sind ebenfalls machbar sowie der Datenabgleich mit Fremdsystemen, beispielsweise von Vollernter sowie Traubenwaage oder die Autodokumentation von Fahrtrouten mithilfe des GPS-Trackings etc. Die Schlagkartei zeigt beim Auto-Tracking an, wann welche Arbeiten auf welchen Schlägen ausgeführt wurden. Die Schlagkartei schaut dem Anwender und seinen Mitarbeitern also bei täglichen Arbeiten auf Wunsch gewissermaßen  über die Schulter.
  • Vieles mehr, wie etwa die Einhaltung von EurepGap-QS-Richtlinien, Kellerbuchführung oder „abgespeckte” Weinwirtschaftsprogramme können bei einigen Herstellern als Zusatz erworben werden.
 
Worauf bei der Anschaffung zu achten ist
Die mobile Datenerfassung wird immer wichtiger.
„Datenbank oder jährlich neu anzulegende Datei?”, das ist eine entscheidende Frage bei der Anschaffung eines Programms. Die Datenbank bietet eine „Gesamtschau” über die eingegebenen Buchungen – in ihr sind alle Jahre vereint. Damit sind aussagefähige Statistiken und Auswertungen über die Betriebsentwicklung möglich.
Hingegen werden in der einfacher konzipierten, jährlich anzulegenden Datei die Buchungen von Jahr zu Jahr, beispielsweise in einem neuen (Excel-) Dokument, eingegeben. Will man also Informationen über vorangegangene Jahre erhalten, ist die entsprechende Datei zu öffnen.
Das ist leicht gesagt, in der Praxis jedoch oft zeitraubend und weniger übersichtlich. Und gerade im Hinblick auf das Thema Düngung ist die Gesamtschau ein wichtiges Thema, besonders wenn es um langfristig angelegte Strategien wie die Schaukel- oder Vorratsdüngung geht. Für mindestens sechs Jahre soll schließlich auch im Rahmen der Düngeverordnung nachvollziehbar sein, welche relevanten Nährstoffgaben die Böden erhalten haben, und das möglichst auf einen Blick.
Ein großes Plus der datenbankbasierten Lösungen ist außerdem die globale Stammdatenverwaltung. Dies bedeutet, dass zum Beispiel Lagenbezeichnungen, Rebsorten, Maschinen oder Personal nur einmal eingetragen werden müssen. Vorgänge können parzellenübergreifend, mit auto-matischer Berechnung von anteiligen Stoffmengen und Kosten, erfasst werden. Großer Vorteil einer jährlich anzulegenden Datei ist zudem der günstigere Anschaffungspreis.
Das sollte außerdem geklärt werden
Das leisten EDV-gestützte Datenbanksysteme für Weingüter
Ferner stellt sich die Frage, wie detailliert die Aufzeichnungen jetzt und auch in Zukunft verarbeitet werden sollen. Soll es sich bei der Neuanschaffung um eine einfache Version mit dem gesetzlich notwendigen Umfang oder um eine detaillierte Fassung handeln, die eine breite Palette an Auswertungsmöglichkeiten bietet?Einige Datenbanken sind ganz oder teilweise auf Zielgruppen hin ausgerichtet. Gleichermaßen sollten so zum Beispiel Ökobetriebe oder Lohnunternehmen auf den Einsatz des passenden Programms achten. Ob die Schlagkartei für mehrere Betriebe oder Betriebszweige nutzbar, also multibetriebsfähig sein soll, sollte ebenfalls berücksichtigt werden.
Netzwerkfähigkeit ist ein weiteres Thema. Betriebsleiter, die Aufzeichnungen über EurepGap QS wünschen, sollten entsprechende Angebote nutzen.
Je nachdem, in welchem Land sich der Betrieb befindet, sollte natürlich darauf geachtet werden, ob die Erfassung der Ertragsparameter in internationalen Einheiten (KMW, Brix, Bé) möglich ist.
In vielen Betrieben werden mittlerweile Formulare über das Schlagkarteiprogramm ausgefüllt. Welche Formblätter im Format der entsprechenden Behörde enthalten sind, ist ein wichtiges Kriterium für die Anschaffung – genauso, ob das Formular für das jeweilige Bundesland oder Anbaugebiet integriert ist.
Benutzerfreundlichkeit und Service berücksichtigen
EDV-Schlagkarteiprogramme bieten umfangreiche Hilfen an.
Die Bereiche Service und Benutzerfreundlichkeit stellen ein wichtiges Thema dar. Ob und wie also eine Probeversion im Betrieb testbar ist, ist eine wichtige Voraussetzung. Die entscheidenden Kriterien für die Anschaffung eines Programms sind für viele Anwender zu Recht die Übersichtlichkeit und die Bedienung. Beides soll einfach und flexibel gestaltet sein.
Für den Anwender ist es je nach EDV- Kenntnissen wichtig zu erfahren, in welchem Umfang und mit welchen Zusatzkosten eine Programmpflege möglich ist. Für viele Nutzer ist hier die Möglichkeit einer Fernwartung von großer Bedeutung. Der Hersteller kann darüber aus der Ferne helfen, als ob er selbst vor dem Rechner sitzen würde.
Technische Standardfragen, ob bei Updates übers Internet eine ausreichend schnelle Verbindung vorhanden ist, sollten schlussendlich geklärt sein und ebenso, ob  Schulungen oder Workshops vom Hersteller angeboten werden, falls erforderlich.
Mittlerweile sind von einigen Anbietern YouTube-Anleitungsvideos vorhanden. Im Gespräch mit den Anbietern der Programme sollten Grundsatzfragen geklärt werden, die die Möglichkeiten zur Auswertung und Berichterstattung betreffen. Inwieweit bereits eingepflegte Daten, beispielsweise zu Pflanzenschutz- und Düngemitteln, vorhanden sind, sollte beim Kauf ebenfalls abgefragt sein.
Zum Bereich Daten gehört es abzuklären, ob ein Austausch zum Beispiel mit der Landwirtschaftskammer bzw. EU-Weinbaukartei oder ggf. dem Wetterdienst möglich sind. Gleiches gilt für den Lastschrifteinzug, unter anderem von Pachtabrechnungen über Datenträgeraustausch-(DTA-)Tabellen oder den Datenexport in Finanzbuchhaltungsprogramme.
Für fachlich sehr versierte Nutzer kann von Bedeutung sein, ob als Zusatzmodul eine mobile Datenerfassung möglich und ob eine Anbindung an Geo-Informations-Systeme (GIS) machbar ist. Weitere Zusatzmodule könnten eine genehmigte Kellerbuchführung oder ein Weinwirtschaftsprogramm sein.
Wichtige Voraussetzungen
In Datenbanken befinden sich alle betrieblichen Informationen greifbar und übersichtlich an einem Ort, dem Rechner.
Die Programme laufen in der Regel eigenständig auf allen Standard-Computern mit Microsoft-Betriebssystemen ab Windows XP mit 32/64 Bit. Sollten im Ausnahmefall Anpassungen an der Bildschirmauflösung notwendig sein, bieten entweder die Programme selbst oder Windows hierfür ausreichend Einstellmöglichkeiten.
Schlagkarteiprogramme werden stets weiterentwickelt und an neue Nutzungsgewohnheiten angepasst. Damit kann dem Anwender eine gute Übersicht über Produktionsabläufe und vor allem Kosten gegeben werden, bis hin zur kompletten Betriebsanalyse. Momentan seien hierbei die intensivsten Nutzer von Schlagkartein die Bio-Winzer, weil im ökologischen gegenüber dem konventionellen Weinbau wesentlich strengere Kontrollen wie beispielsweise die Kupferbilanz durchgeführt werden. Das berichtete ein Hersteller dieser Programme.
Selbst über mehrere Vegetationsperioden bleiben die Aufzeichnungen in der Datenbank übersichtlich dokumentiert und können als Entscheidungshilfen herangezogen werden. Schließlich stellt die Schlagkartei viele Nachweise sozusagen auf Knopfdruck bereit und hilft durch die jederzeit abrufbare Historie auch bei anstehenden Entscheidungen weiter. Große Datenmengen sind problemlos zu verarbeiten.
Natürlich bleibt dies nur ein Entscheidungskriterium, wenn die Anschaffung eines solchen Programmes überlegt wird. Sehr wichtig ist die anwenderorientierte Bedienung.
 
Ein paar Checklisten für Sie
Um die Möglichkeiten von Schlagkarteiprogrammen optimal zu nutzen, bedarf es einer konsequenten Datenpflege. Im Familienbetrieb braucht diese etwa fünf bis zehn Minuten pro Tag. Daraus resultieren vielfältige Auswertungsmöglichkeiten und nützliche Hilfen. Diese können dann vom Anwender gewinnbringend genutzt werden.
Die Möglichkeiten der Programme sind beinahe unerschöpflich. Schlagkarteiprogramme stellen ein wertvolles Instrument zur Betriebsführung für den Winzer dar. Der Überblick über die Kostenstruktur kann zu einer optimierten Erzeugung beitragen.
Eine Marktübersicht für Schlagkarteiprogramme nach Herstellerangaben findet sich hier. Welche Fragen bei der Anschaffung eines Schlagkarteiprogrammes von Bedeutung sind, lesen Sie hier.