Fachliches | 12. Oktober 2017

Drei Mittel gegen Böckser im Vergleich

Von Dr. Rainer Amann, Staatliches Weinbauinstitut Freiburg
Der Böckser ist ein Weinfehler, der bei geringer Intensität die Wahrnehmung der positiven Aromen etwas mindert, aber bei starker Ausprägung das Bouquet komplett überdeckt. Das WBI hat die drei zugelassenen Behandlungsmittel getestet.
Böckser treten bei der Weinbereitung sehr häufig auf, Ursachen und Vermeidungsstrategien sind nicht Thema dieses Artikels. Oft verschwinden sie von alleine wieder oder sind durch Belüftung leicht zu beseitigen.
Das gilt besonders, wenn ein Böckser nur vom nach faulen Eiern riechenden Schwefelwasserstoff (H2S) verursacht wird. Es können aber viele andere negative schwefelhaltige Aromastoffe beteiligt sein. Entsprechend vielfältig sind auch die Gerüche böcksernder Weine, zum Beispiel käsig, nach gekochtem Kohl, fäkalisch oder nach verschmortem Gummi.
Mittel sparsam dosieren
Die Böckser-Behandlungsmittel Silberchlorid (weiß), Kupfercitrat (grünlich) und Kupfersulfat (blau).
Gegen Böckser gibt es inzwischen drei zugelassene Behandlungsmittel: Kupfersulfat, Kupfercitrat und Silberchlorid. Die Mittel dürfen nicht vorbeugend eingesetzt werden. Die Behandlung soll immer dem Motto „So viel wie nötig, so wenig wie möglich” folgen. Deshalb ermittelt man in Vorversuchen die Menge, die gerade ausreicht, um den Böckser zu beseitigen.
Eine Überdosierung führt oft zu Weinen mit weniger Bouquet, besonders wenn – wie bei Sauvignon blanc oder Scheurebe – positive schwefelhaltige Aromastoffe wichtig für die Sortentypizität sind. Außerdem erhöht sich ab einem Gehalt von rund 0,6 mg/l Kupfer im Wein die Gefahr von Kupfertrübungen. Bei hoher Dosierung besteht auch die Gefahr, dass die zulässigen Höchstwerte von Kupfer (1 mg/l) oder Silber (0,1 mg/l) im Wein überschritten werden.
 
Fehler durch Fäulnis
Bei den Weinen, die in der Qualitätsweinprüfung in Baden „durchfallen”, war der Böckser in den letzten zehn Jahren immer der häufigste Ablehnungsgrund. Zu beachten ist dabei, dass die meisten Weine im Jahr nach der Lese geprüft werden. Die insgesamt hohe Anzahl an Ablehnungen im Jahr 2007 ist also durch den von starker Fäulnis geprägten Jahrgang 2006 zu erklären.
Die ganz heftigen Böckser begegnen den Prüfern eher selten, weil stark fehlerhafte Weine normalerweise schon vor der Anstellung behandelt werden. Ablehnungen wegen der Kombination Böckser plus UTA (untypische Alterungsnote) sind in der Abbildung separat aufgeführt. Die Zahl ist hier (wie auch bei UTA als alleinigem Ablehnungsgrund) stark rückläufig.
Ein Grund dafür ist der verbreitete Einsatz von Ascorbinsäure (Vitamin C) bei der Weißweinbereitung. Allerdings erhöht die reduzierend wirkende Ascorbinsäure die Gefahr von Kupfertrübungen in mit Kupferpräparaten geschönten Weinen.

Man darf nicht tricksen
Zwar kann man einen wegen Böckser abgelehnten Wein nach der Behandlung neu anstellen. Legt man aber Widerspruch gegen eine Ablehnung ein, dann heißt das, man hält sie für ungerechtfertigt. In diesem Fall muss exakt der gleiche Wein von einer zweiten Prüfkommission beurteilt werden.
Den Böckser zu behandeln und dann im Rahmen des Widerspruchsverfahrens den geschönten Wein an der Prüfstelle abzugeben, wäre Betrug, der sich durch Analyse des Kupfer- oder Silbergehaltes auch aufdecken lässt.
 
Die Behandlungsstoffe
  • Kupfersulfat: Lange Zeit war Kupfersulfat das einzige zur Verfügung stehende Behandlungsmittel. Das hellblaue Salz – chemisch exakt bezeichnet handelt es sich um Kupfersulfat-Hydrat – wird ohne Trägermaterial eingesetzt. Es ist gut wasserlöslich und verursacht bei der Zugabe zu filtrierten Weinen keine Trübung. Man darf bis zu einem Gramm pro Hektoliter, also 10 mg/l zusetzen. Dies entspricht einer Menge von 2,55 mg/l reinem Kupfer.
    Im ökologischen Weinbau gibt es seit August 2012 zusätzlich zu den Bestimmungen für die Traubenerzeugung auch umfassende Regelungen zur Weinbereitung. Seitdem ist Kupfersulfat für die Ökoweinbereitung nicht mehr zugelassen.
  • Kupfercitrat – ebenfalls als Hydrat vorliegend – ist das einzige auch für Bioweine zugelassene Behandlungsmittel. Die Höchstmenge von 1 g/hl, also 10 mg/l, entspricht bei Kupfercitrat 3,11 mg/l reinem Kupfer, rund 22 % mehr als bei Kupfersulfat. Kupfercitrat darf zwar als Reinsubstanz eingesetzt werden, ist aber im Kellereihandel nur mit Trägermaterial verfügbar, beispielsweise Kupzit, das entspricht 2 % Kupfercitrat auf Bentonit. Die Höchstmenge beträgt hier 50 g/hl.
    Die auf Trägermaterial aufgebrachten Substanzen haben den Nachteil, dass man im Gegensatz zu Kupfersulfat keine Lösungen für die Vorversuche ansetzen kann, sondern mit einer Suspension arbeiten muss. Das ist umständlicher und erschwert auch eine genaue Dosierung. Außerdem muss auch ein schon filtrierter Wein nach dem Einsatz von Kupfercitrat nochmals filtriert werden.
  • Silberchlorid: „Kupferresistente” Böckser sollen sich nach Literaturangaben teilweise mit Silberchlorid beseitigen lassen. In der EU war dieses Mittel jahrzehntelang verboten. 2009 empfahl die Internationale Weinorganisation OIV die Zulassung, die in der EU dann im Juli 2015 erfolgte. Hier ist vorgeschrieben, dass die Substanz auf einem Trägermaterial gebunden sein muss.
    Es gibt zum Beispiel zweiprozentiges Silberchlorid auf Cellulose (Ercofid) oder auf Silikat-Trägermaterial (Sili Brillant Ag). Auch hier ist die zulässige Höchstmenge 1 g/hl Reinsubstanz, also 50 g/hl der Handelsprodukte. Dies entspricht 7,53 mg/l reinem Silber.
    Der Grenzwert ist mit 0,1 mg/l nur ein Zehntel des Kupfer-Grenzwertes. Dabei ist es nützlich, dass Silberchlorid sehr schwer löslich ist. Trotzdem kann die zulässige Höchstmenge überschritten werden. Eine schnelle Filtration zwei Tage nach dem Zusatz wird empfohlen.
Versuchsaufbau
Für den Vergleich der drei Behandlungsmittel Kupfersulfat, Kupfercitrat (Präparat Kupzit) und Silberchlorid (Präparat Ercofid) wurde beim Weinbauinstitut Freiburg ein 2016er Sauvignon blanc mit einem ekelerregenden Geruch in Richtung verfaulte Zwiebeln ausgewählt. Ein Vorversuch mit Kupfersulfat zeigte einen Tag nach dem Ansetzen auch bei der Höchstmenge von 10 mg/l keine deutliche Reduzierung.
Deshalb wurden die Behandlungsmittel Kupfersulfat, Kupfercitrat und Silberchlorid jeweils mit der zulässigen Höchstmenge eingesetzt. Den Tag Wartezeit zwischen Zugabe der Behandlungsmittel und Verkostung sollte man einhalten, auch wenn manche Böckser sofort verschwinden. Wenn sich nach einem Tag nichts getan hat, stehen die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung im Allgemeinen schlecht.

Unerwarteter Erfolg
Reife Traube von Sauvignon blanc
Der Versuchswein wurde Mitte Februar 2017 behandelt. Zwei Tage später zeigten alle Varianten noch einen extremen Böckser. Einen Tag später wurden alle Weine cross-flow-filtriert. Die nächste Verkostung fand erst Mitte März statt und – überraschend – hatte sich bei allen Behandlungsvarianten eine ganz erhebliche Besserung ergeben. Nach der Füllung waren die Weine noch besser, während die unbehandelte Variante weiter ekelerregend roch. 
Im Rahmen des Kellerwirtschaftsseminars, zwei Monate nach der Behandlung, brachte die parallele Verkostung der vier Varianten ein eindeutiges Ergebnis. Die mit Kupfersulfat und Kupfercitrat behandelten Varianten wurden als böckserfrei beurteilt und von fast allen Verkostern auf die beiden ersten Plätze gesetzt. Es gab keinen signifikanten Unterschied in der Beurteilung dieser beiden Weine. Allerdings war von Sortentypizität wenig bis nichts wahrzunehmen.
In solchen Fällen gibt es bei der Qualitätsweinprüfung die Option, einem Wein die amtliche Prüfnummer zu geben, weil er fehlerfrei ist, aber die Angabe der Sorte nicht zuzulassen. Im Seminar gab es keine klare Mehrheit für oder gegen die Zulassung der Sortenbezeichnung.
Silberchlorid auf Platz drei
Der mit Silberchlorid behandelte Wein wurde von der ganz großen Mehrheit der Prüfer auf Rang drei gesetzt. Er war zwar deutlich besser als die Kontrolle, aber eindeutig durch Böckser beeinträchtigt. Interessant war, dass hier neben dem Böckser auch mehr vom sortentypischen Cassis-Ton wahrnehmbar war als bei den Kupfer-Varianten.
Es gibt öfter Sauvignon-blanc-Weine, bei denen auch geübte Kellermeister uneinig sind, ob die positive Aromatik überwiegt oder daneben doch schon ein nicht akzeptabler Böckser vorliegt. In diesem Fall fand aber die große Mehrheit: zu wenig schwarze Johannisbeere, noch zu viel Gestank, der Wein ist nicht als Qualitätswein akzeptabel.
Die unbehandelte Kontrolle mit Durchschnittsrang 3,95 wurde fast einheitlich als schlechtester Wein eingestuft.
Rückstände gemessen
Die Weine wurden an zwei Labore abgegeben, um sie auf Kupfer und Silber zu analysieren. Besonders die Silberanalytik ist schwierig und die Ergebnisse der beiden Labore waren teilweise sehr unterschiedlich. Hier muss noch geprüft werden, woran das lag.
Bei der Kupfersulfat-Variante wurde der Grenzwert nach den Ergebnissen eines Labors nicht ganz erreicht, beim anderen überschritten. Sowohl die Behandlung mit Kupfercitrat als auch mit Silberchlorid führte nach beiden Laboruntersuchungen zu einer Überschreitung des Grenzwertes.
Das Aufziehen auf Trägermaterial soll nach manchen Aussagen den Vorteil haben, dass nicht mehr Kupfer oder Silber in den Wein abgegeben wird, als zur Bindung der Böckser-Aromastoffe benötigt wird. Die vorliegenden Ergebnisse sprechen aber dagegen.
 
Analyse der Aromastoffe
Arbeit am Gaschromatographen mit Schnüffeldetektor.
Bei der Analyse der Aromastoffe wurden vier schwefelhaltige Substanzen in ungewöhnlich hoher Konzentration gemessen. Die Abbildung zeigt, dass zwei Substanzen durch die Böckserbehandlung nur teilweise reduziert wurden, die beiden anderen gar nicht.
Zusätzlich wurde eine sensorische Analyse des unbehandelten Weines mit einem Schnüffeldetektor durchgeführt. Dabei werden die Aromastoffe in einem Gaschromatographen getrennt und können anschließend nacheinander abgerochen werden.
Dabei zeigte sich, dass der sehr starke Böcksergeruch nicht von diesen vier Aromastoffen kam. Er war schon wahrnehmbar, bevor der physikalische Detektor Aromastoffe anzeigte. Es muss sich um sehr leicht flüchtige Substanzen mit hoher Geruchsintensität wie Methylmercaptan oder Ethylmercaptan handeln – für den physikalischen Detektor zu wenig, um sie zu erfassen, für die Nase aber schon sehr intensiv zu riechen.
Die ersten beiden in der Abbildung dargestellten Substanzen sind Ester, die bei der Lagerung der Weine zu diesen Mercaptanen zerfallen können. Dadurch kann ein nach der Böckserbehandlung fehlerfreier Wein in der Flasche wieder einen Böckser bilden. Aktuell sind die beiden kupferbehandelten Weine aber noch böckserfrei.
Kupfersulfat ist Mittel der Wahl
Bei einem Sauvignon-blanc-Wein mit einem extremen Böckser wurden die drei Behandlungsmittel Kupfersulfat, Kupfercitrat und Silberchlorid jeweils in der zulässigen Höchstmenge eingesetzt. Normalerweise kann man den Behandlungserfolg spätestens am nächsten Tag sensorisch überprüfen. Bei diesem Wein schienen aber wie schon im Labor-Vorversuch alle drei Mittel wirkungslos zu sein.
Überraschenderweise führten nach langer Reaktionszeit beide Kupfervarianten doch noch zu böckserfreien Weinen, die allerdings kaum Sortenbouquet aufwiesen. Die Behandlung mit Silberchlorid konnte den Böckser nur mindern und schnitt eindeutig am schlechtesten ab.Kupfersulfat hat gegenüber den anderen Behandlungsmitteln, die nur auf Trägermaterial erhältlich sind, zwei große Vorteile: Man kann eine stabile Lösung für Vorversuche ansetzen und bei Einsatz in einem filtrierten Wein tritt keine Trübung auf. Vorteile der anderen Behandlungsmittel waren in diesem Versuch nicht zu erkennen. Weiterhin bleibt Kupfersulfat das Standard-Behandlungsmittel gegen Böckser. Für Ökoweine ist allerdings nur Kupfercitrat zugelassen.