Nachrichten | 09. Juni 2020

Winzer könnten bald zu Piloten werden

Von Manuel Becker, LVWO Weinsberg
Nach drei Jahren Entwicklung ist es so weit: Die ersten Sprühdrohnen sind im Mai 2020 vom Julius-Kühn-Institut (JKI) geprüft und als Pflanzenschutzgeräte zugelassen worden.
Rund 15 Minuten braucht die Sprühdrohne DJI Agras T16 für einen Hektar Rebfläche. Sie fliegt bis zu 12,8 km/h schnell.
Die Firma Droneparts hat in Kooperation mit der LVWO Weinsberg in Baden-Württemberg die ersten Sprühdrohnen in Deutschland als amtlich geprüfte und vom JKI anerkannte Pflanzenschutzgeräte bestätigt bekommen. Involviert waren auch ein Weinbaubetrieb aus Mundelsheim und die Genossenschaften aus dem württembergischen Lauffen am Neckar sowie dem südbadischen Glottertal.
 
Drohne statt Hubschrauber
Das Pflanzenschutzgesetz sieht in § 18 Absatz 2 vor, dass Pflanzenschutzmittel nur im Steillagenweinbau und im Forst mit Luftfahrzeugen ausgebracht werden dürfen – und das auch nur über ein Genehmigungsverfahren. Bisher gab es, außer Hubschraubern mit spezieller Sprühanlage, keine zugelassenen Geräte für diesen Zweck. Mit der Anerkennung der Sprühdrohnen-Modelle Agras MG-1P mit der Prüfungsnummer G 2080 und Agras T16 mit der Prüfungsnummer G 2199 des Herstellers DJI gibt es nun unbemannte Luftfahrzeuge für den Einsatz im Steillagenweinbau. Die Sprühdrohne Agras T16 ist mit einem 16-Liter-Wechseltank ausgestattet. Sie hat acht Düsen und ein maximales Aufstiegsgewicht von 40,5 kg. Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens wurde die Injektordüse IDK 90-025 C der Firma Lechler als Standard-Düse definiert. Mit einer Fluggeschwindigkeit von bis zu 12,8 km/h im automatischen Betrieb beträgt die reine Flugzeit bei der DJI Agras T16 rund 15 Minuten für die Behandlung von einem Hektar Rebfläche. Hinzu kommen noch Anfahrt und Rüstzeiten. Dazu gehören der Aufbau, der Hin- und Rückflug zur Rebfläche und zum Landeplatz, der Akku-Wechsel und das Nachfüllen des Tanks. Die Sprühdrohne hat eine Spannbreite von etwa 2,5 m und eine Arbeitsbreite von 3 m. Sie erfasst über Radarsensoren das Terrain und reguliert die Flughöhe in Echtzeit.
Bis zur Anerkennung als Pflanzenschutzgerät hat es drei Jahre gedauert. In dieser Zeit wurden Versuche durchgeführt, um die Applikationstechnik und Flugparameter zu optimieren. Dabei wurden die Querverteilung und die Düsen geprüft. Außerdem gab es  Blattbelagsuntersuchungen, Versuche zur biologischen Wirksamkeit, Abdriftmessungen sowie Tests der automatischen Flugsteuerung bei verschiedenen Geländemodellen.
Derzeit sind noch keine Pflanzenschutzmittel für die Anwendung von unbemannten Luftfahrzeugen im Weinbau erlaubt. Zulassungen sind beantragt, stehen jedoch voraussichtlich erst gegen Ende der Saison 2020, also für 2021, zur Verfügung.
Sie waren an der Entwicklung der Sprühdrohne DJI Agras T16 beteiligt (von links): Martin Joos und Dr. Manuel Becker (LVWO Weinsberg), Mischa Kohnen (Droneparts) und Johannes Bertsch (Dronexperts).
 
Arbeitserleichterung in Steillagen
Sprühdrohnen sollen die hohe körperliche Belastung und den intensiven Arbeitseinsatz bei der Bewirtschaftung von Steillagen reduzieren. Dadurch könnten sie die Wettbewerbsfähigkeit verbessern und dazu beitragen, dass Weinbausteillagen in Deutschland erhalten bleiben. Sie sollen alternativ zu händisch durchgeführten Pflanzenschutzmaßnahmen wie Rücken- oder Schlauchspritzungen eingesetzt werden. Sprühdrohnen können zwischen 80 und 90 % der Handspritzungen ersetzen. Was bleibt, sind Behandlungen der Traubenzone nach der Blüte bei entsprechendem Krankheitsdruck.
Mit Sprühdrohnen gelangen zudem weniger Pflanzenschutzmittel auf Nicht-Zielflächen. Die Abdrift konnte mit der DJI Agras MG-1P um 95 % und mit der T16 um 90 % gegenüber dem Basiswert gesenkt werden. Die Versuche wurden im Rahmen des EIP-Projekts „Einführung von Spritzdrohnen in den Steillagenweinbau” durchgeführt. Ziel sind die technische Optimierung der Sprühdrohnen und die Ausbildung von Winzern zu Piloten. Unterstützt und gefördert wurde das Projekt vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) und der Europäischen Kommission. Die Vermarktung inklusive Training und Ausbildung übernimmt die Firma Dronexperts (www.dronexperts.de).
Im EIP-Projekt konnten die Kooperationspartner Erfahrungen mit Sprühdrohnen im Weinbau sammeln. Bis jetzt fanden alle Versuche an der LVWO im Rahmen des integrierten Pflanzenschutzes statt. Nun wird auch die biologische Bewirtschaftung von Weinbausteillagen mit Sprühdrohnen untersucht.