Nachrichten | 02. Oktober 2020

Durchstarten mit dem Gesellenbrief

Von Petra Littner
In diesem Jahr findet keine persönliche Urkundenübergabe statt, sondern der Winzernachwuchs erhielt die Zeugnisse per Post. Mit der Qualifikation schlagen die Absolventen nun unterschiedliche berufliche Wege ein.
Bei der Ausbildung zum Winzer werden Kenntnisse und Fähigkeiten für die Arbeit in den Reben und im Weinkeller sowie sensorische Grundlagen vermittelt.
Für die diesjährigen Absolventen im Beruf „Winzer” war es in jeder Hinsicht ein außergewöhnliches Jahr. Zum einen, weil der Abschluss ihrer Ausbildung bevorstand, zum anderen vor allem, weil die Prüfungsvorbereitungen Corona-bedingt erschwert waren. Während normalerweise die praxisorientierte dreijährige Berufsausbildung verschiedene Projekte, Betriebsbesuche, Lehrgänge und Azubi-Treffen beinhaltet, mussten sich die 27 angehenden Winzer zum Schluss online weiterbilden und miteinander kommunizieren. Dies verlangte von jedem eine gehörige Portion Disziplin, die von den Anwärtern jedoch auch gewissenhaft erbracht wurde.
Jan Clausen, Ausbildungsberater beim Landwirtschaftsamt Emmendingen, der die Azubis beim  Landwirtschaftlichen Bildungszentrum Hochburg Emmendingen betreut, lobte die Lernbereitschaft der drei Schülerinnen und 24 Schüler, die aus ganz Baden sowie aus Württemberg und Hessen  die Weinbaufachschule Emmendingen-Hochburg besuchten. „Interessant ist nun, welchen weiteren beruflichen Weg die Gesellen einschlagen”, erklärt Clausen. So setzen vier Winzergesellen ihre Ausbildung in Emmendingen  mit dem Meisterkurs fort, zwei wollen im Weinhandel arbeiten, zehn werden in Geisenheim oder in Neustadt an der Weinstraße studieren und weitere zehn gehen zu Weingütern, um im Keller oder in der Traubenproduktion mitzuarbeiten. Bemerkenswert findet Jan Clausen den Mut einer jungen Frau, die sich nach dem Abschluss auf Wanderschaft – nach dem Vorbild der Zimmermannszunft – begibt. „Es ist für Winzer eher ungewöhnlich, auf die Walz zu gehen.”
Sehr gute Spitzengruppe
Joachim Bumen lernte im dritten Jahr viel über die Kellereitechnik.
Traditionell werden die Absolventen im Rahmen der Landesweinprämierung des Badischen Weinbauverbands in Offenburg im November feierlich in den Gesellenstand erhoben. Diesmal musste die Übergabe der Zeugnisse und Urkunden per Post erfolgen. Helmut Lehmann vom Regierungspräsidium Freiburg bedauerte dies sehr: „Der feierliche Rahmen fehlt.” Schließlich sei es eine große Leistung, die von den Azubis – gerade während der letzten Monate – erbracht wurde, betont Lehmann und berichtet von einer sehr guten Spitzengruppe, in der die jeweils besten Absolventen besonders geehrt werden. Mit der Durchschnittsnote 1,3 legten Joachim Bumen aus Endingen und Johannes Dreher aus March die Prüfung ab, Verena Herbster aus Ehrenkirchen und Thomas Schätzle aus Freiburg erreichten die Note 1,4.
Während der Ausbildung ist es üblich, dass die Klasse gemeinsam verschiedene Winzerbetriebe besucht und sich die Teilnehmenden vor Ort über individuelle Arbeitstechniken und Betriebsphilosophien informieren. Dies liefert den Azubis interessante Einblicke in die Praxis und wertvolle Impulse für die eigenen beruflichen Ziele. Auch die jetzigen Absolventen hatten zu beginn der Ausbildung noch Exkursionen unternommen, allerdings mussten einige Unternehmungen sowie der Höhepunkt der gemeinsamen Ausbildungszeit – die Abschlussfahrt in das Weinbaugebiet Saale-Unstrut – aufgrund von Corona ausfallen.
Joachim Bumen aus Endingen, der das zweite Ausbildungsjahr beim Staatsweingut Blankenhornsberg in Ihringen und das dritte beim Weingut Bercher in Vogtsburg-Burkheim am Kaiserstuhl absolvierte, war der Spaß an der Arbeit mit und in der Natur quasi in die Wiege gelegt. Zuhause half er stets auf dem landwirtschaftlichen Mischbetrieb mit und interessierte sich zunehmend für die Herstellung von Wein. So startete er nach dem Agrar-Abitur die Lehre bei den zwei Weinbaubetrieben, die er persönlich kannte.
Begeisterung für den Beruf
Für Johannes Dreher ist „Winzer” der schönste Beruf.
Die Aufgaben im Rebberg und im Weinkeller ergänzten sich perfekt und Joachim Bumen begleitete den kompletten Prozess bis zum fertigen Produkt. Aufgrund von Corona seien leider einige Blöcke in der Schule und überbetriebliche Ausbildungen ausgefallen. „Wir wurden trotzdem gut vorbereitet und ich konnte die Prüfungen relativ gelassen antreten.” Das Ergebnis gibt ihm recht: Mit der Abschlussnote 1,3 wurde Joachim Bumen einer der beiden Jahrgangsbesten. Und mit dem Zeugnis in der Tasche geht es nun für ihn mit einem Weinbau- und Önologie-Studium in Geisenheim weiter.
Auch Johannes Dreher aus March, der ebenfalls einen Notendurchschnitt von 1,3 erreichte, will in Geisenheim Weinbau und Önologie studieren. Fachpraktische Grundlagen dafür hat er sich im Weingut Kiefer in Eichstetten und im Weingut Schloss Ortenberg angeeignet. Da sein Vater ein eigenes Weingut in Emmendingen/Breisgau betreibt, ist er mit dem Beruf des Winzers schon von Kindheit an vertraut. Die Lehrbetriebe waren schnell gefunden und so startete Johannes Dreher nach dem Abitur in die – wie er es nennt – „überaus vielseitige und naturnahe” Ausbildung. Von Pflegearbeiten im Weinberg bis zum Filtrieren der Weine war während der Lehrzeit alles dabei, die Weinlese sei jedoch der schönste Moment: „Das ist die Belohnung für alle Mühe des Jahres”, schwärmt der Jungwinzer.
Ziel: Meisterprüfung
Verena Herbster war während der Lehre im Weinberg und Keller sowie im Verkauf im Einsatz.
Lediglich eine Zehntelnote verwies Verena Herbster aus Ehrenkirchen-Kirchhofen auf den zweiten Platz. Mit dem Notendurchschnitt von 1,4 schloss sie die Prüfungen zur Winzerin ab, auf die sie sich beim Weingut Behringer in Britzingen im Markgräflerland vorbereitet hatte. Nach dem Abitur und der Ausbildung zur Weintechnologin hatte sie ihr Wissen über den Weinbau weiter vertiefen wollen, um die Aufgaben im Keller mit der Arbeit in den Reben kombinieren zu können. „Die Begeisterung für den Beruf war schon von Kindheit an da”, schwärmt die junge Frau. Ihr Vater ist Weinküfer und die Winzerei habe in der Familie lange Tradition. „Das muss an unserem Nachnamen liegen”, lacht sie.
Die Philosophie und das Engagement der jungen Weinmacher Bernd und Thomas Behringer hat ihr imponiert und dass es ein guter Ausbildungsbetrieb ist, sei bekannt, begründet sie ihre damalige Bewerbung. Die Entscheidung habe sich schließlich in ihrer vielfältigen Tätigkeit während der Ausbildung bestätigt: „Um möglichst viel zu lernen, wurde ich flexibel in allen Bereichen eingesetzt. Sowohl draußen in den Reben, als auch im Keller, aber auch im Verkauf wurde mir viel beigebracht.” Momentan ist Verena Herbster weiter beim Weingut Behringer beschäftigt. Ihr Ziel in naher Zukunft ist die Meisterprüfung.
Ein weiterer im Bunde der Jahrgangsbesten ist Thomas Schätzle aus Freiburg, der seine Ausbildung beim Weingut Franz Keller in Vogtsburg-Oberbergen mit der Abschlussnote 1,4 erfolgreich krönte. Sein weiterer Weg führt ihn nun, ebenso wie Joachim Bumen und Johannes Dreher, zum weinbaulichen Studium an die Uni Geisenheim.
Kombination von Theorie und Praxis
Felix Ziser entschied sich für ein duales Studium, das Weinbaupraxis im Winzerbetrieb mit der Theorie am Weincampus Neustadt verbindet.
Mit einem Dualen Studium hat Felix Ziser aus Sasbach am Kaiserstuhl einen Weg eingeschlagen, mit dem er die Theorie am Weincampus in Neustadt an der Weinstraße mit der Praxis in den Ausbildungsbetrieben kombinieren konnte. „Meine Eltern haben einen Mischbetrieb mit Schwerpunkt Weinbau”, erklärt er den Grund für seinen Berufswunsch. Die fachlichen Kenntnisse erlangte Ziser beim Weingut Freiherr
von Gleichenstein (Vogtsburg-Oberrotweil/Kaiserstuhl), Weingut Stefan Meyer (Pfalz) und Weingut Herbert Zillinger (Weinviertel/Österreich) sowie bei mehreren Lehrgängen, Exkursionen und Projektarbeiten.
Seinen eigenen Wein zu kreieren, sei letztlich das Schönste, betont der junge Weinmacher.  Und genau das tut er bereits: Gemeinsam mit einem Studienkollegen gründete er ein eigenes Weingut und produzierte den ersten eigenen Wein. Auf diese Weise kann er seine persönliche Philosophie zum Ausdruck bringen, während er hauptberuflich bei einem Weingut mitarbeiten möchte.
Jan Clausen gratulierte zusammen mit Ausbildungsbetreuerin Lisa-Karen Lange vom Regierungspräsidium Freiburg den erfolgreichen Azubis, die die Herausforderungen der vergangenen Monate mit Bravour gemeistert hätten. Clausen zeigte sich zudem beeindruckt von einigen Kandidaten, die bemerkenswerte Laufbahnen eingeschlagen hatten. Darunter Koenraad Hazelhoff, der aus privaten Gründen in Süddeutschland gelandet war und hier im Weinverkauf eine erfüllende Tätigkeit fand, oder beispielsweise Constantin Ries, den es auf ein Demeter-Weingut in Österreich verschlug.  
Winzer-Gesellen, Abschluss-Jahrgang 2020
Philipp Bartsch, Immenstaad; Stephen Baumann, Freiburg; Joachim Bumen, Endingen-Kiechlinsbergen; Laura Clarke, Wurmlingen; Daniel Clemens, Alsfeld; Baris Demirel, Freiburg; Johannes Dreher, March; Koenraad Hazelhoff, Freiburg; Verena Herbster, Ehrenkirchen; Simon David Herrmann, Müllheim; Patrick Hunn, Gottenheim; David Moosmann, Waldkirch; Aaron Öhler, Weil am Rhein; Constantin Ries, Baden-Baden; Sascha Rinker, Vogtsburg-Bischoffingen; Thomas Schätzle, Freiburg; Simon Schindler, Schliengen-Mauchen; Julian Schill, Bötzingen; Jonas Schill, Bötzingen; Franziska Schilling, Radolfzell; Philipp Schlegel, Heitersheim; Wiktor Speck, Ettenheim; Sebastian Steinle, Ehrenkirchen; Keno Wagner, Merzhausen; Felix Walter, Bürgstadt; Simon Wochner, Merdingen; Felix Ziser, Sasbach.