Nachrichten | 05. April 2018

Was muss ein Aufsichtsrat mitbringen?

Von René Bossert
Aufsichtsrat in einer Genossenschaft: Das ist ein Ehrenamt, für das es ein paar wichtige Eigenschaften braucht. Wie man diese Rolle gut ausfüllt, darüber wurde bei einem gemeinsamen Informationstag des Badischen Weinbauverbandes und des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands informiert.
Referierten über ihre Erfahrungen als Aufsichtsräte (von links): Mathias Friedrich, Hansjörg Lang und Stephan Männle.
Auf Augenhöhe mit dem Geschäftsführer muss er sein, so ein Aufsichtsrat. Und Bindeglied zu den Genossenschaftsmitgliedern. Wachsam und hartnäckig soll er sein. Und gestalten muss er wollen. Aber er darf sich nicht für alles zuständig fühlen. Ach ja, und Rückgrat braucht er natürlich. All die  genannten Eigenschaften  wurden der Rolle zugeschrieben im Verlauf des Tages. Drei Aufsichtsräte und ein Geschäftsführer eines genossenschaftlichen Unternehmens berichteten in Freiburg von ihren Erfahrungen in der Praxis. So entstand für die knapp 20 Zuhörer – seit kurzem im Amt befindliche Aufsichtsräte oder an diesem Amt Interessierte – ein Idealbild aus erster Hand. 
Auf Augenhöhe
Zunächst definierte Andreas Schneider, Geschäftsführer der Schwarzwaldmilch, seine Erwartungen an einen Aufsichtsrat. Dieser solle auf Augenhöhe mit der Geschäftsführung sein, deshalb gebe es komplette Transparenz bei den Zahlen und Weiterbildung. „Sie müssen als Aufsichtsrat in die Zahlen rein und eine Bilanz lesen können”, sagte Schneider. Die Gefahr sei, dass der Aufsichtsrat von der Geschäftsführung mit Pseudothemen beschäftigt werde, Kernthemen aber umgangen würden. Die Molkerei ist eine GmbH, die Genossenschaft „Milcherzeugervereinigung Schwarzwald” (MEV) ihr alleiniger Gesellschafter.  Die MEV hat einen achtköpfigen Vorstand und einen elfköpfigen Aufsichtsrat. Die acht MEV-Vorstände bilden den Aufsichtsrat der GmbH.  Wenn die Geschäftsführung nur über das Tagesgeschäft berichte, sei das zu wenig, betonte Schneider. Sondern es gehe  um Ziele und Strategien, die im Zusammenspiel von Geschäftsführung und Ehrenamt definiert und weiterentwickelt werden.
Gestalten wollen
Gestalten wollen Die Ehrenamtlichen sollen gestalten wollen, sich einbringen und ihre Sorgen und Ideen äußern. Wenn dann aber Entscheidungen getroffen worden seien, müssten diese  draußen den Mitgliedern gegenüber vertreten werden. Die Aufsichtsräte müssten nicht nur im Unternehmen sein, sondern   greifbar für alle  Mitglieder sein und das Unternehmen nach außen repräsentieren.  „Und sich nicht wegducken, wenn dann ein Schneeball geworfen wird”, fügte er hinzu. Auf die Frage aus dem Publikum, wie man reagieren sollte, wenn blockiert werde und der Informationsfluss  im Gremium  nicht so zustande kommt, wie man sich das wünscht, antwortete Schneider glasklar: „Natürlich müssen Sie  Stimmungslage, Befindlichkeiten und  Hackordnung eines Gremiums berücksichtigen. Aber wenn man sich engagiert und offen einbringt und es nicht klappt, muss  man sich aus dem Gremium verabschieden, sonst wird man zermahlen.” „Es ist alles relativ gläsern”, so beschrieb danach Mathias Friedrich seinen Eindruck als Aufsichtsrat der MEV. Er ist seit neun Monaten in dem Gremium dabei und fühlt sich wahrgenommen mit seinen Beiträgen, trotz seiner erst 29 Jahre. „Von Mitgliedern draußen werde ich viel angesprochen”, berichtete er. Aus seiner Sicht ist eine Mischung bei der Alters- und Betriebsstruktur der Gremienmitglieder ganz wichtig. Stephan Männle ist seit drei Jahren Aufsichtsrat bei der Alde Gott Winzer eG in Sasbachwalden. Er betonte seine Rolle als Bindeglied zu den Mitgliedern, auch wenn der Infofluss nicht immer optimal sei. Vor Augen halten müsse man sich, dass der Aufsichtsrat nicht für alles zuständig sei. „Es lähmt auch, wenn man in Details hineinwirken will”, so seine Erfahrung. Dagegen gehöre eine gewisse Hartnäckigkeit dazu: „Wenn Ideen nicht gleich im Gremium ankommen, muss man sie manchmal immer mal wieder vortragen.” Beim Thema Marketing hätten viele Winzer in den Gremien Wissensdefizite, Männle schlug hierzu Schulungen des Genossenschaftsverbandes vor. 
Distanziertes Vertrauensverhältnis
Hansjörg Lang ist langjähriger Aufsichtsrat und Vorsitzender des Aufsichtsrates bei der Bezirkskellerei Markgräflerland in Efringen-Kirchen. Er strebe ein distanziertes Vertrauensverhältnis zum Geschäftsführer an, erklärte Lang. Vertrauen bekomme man durch Ehrlichkeit und Geradlinigkeit. Man müsse wachsam sein, aber immer im Auge behalten, was Sache des Aufsichtsrates sei und was Sache des Vorstands. Aufsichtsrats-Entscheidungen müssten im eigenen Betrieb auch einmal wehtun können.  Einen Gebietsproporz zu wahren, sei eher hinderlich. Ein  Aufsichtsrat dürfe  nicht zu groß sein und  kein Kopfnicker-Gremium. Für nicht mehr zeitgemäß hält Lang das Eine-Stimme-Prinzip in den Genossenschaften.
„Keine Zeit” ist eine Ausrede
„Keine Zeit für das Amt” ist eine Ausrede, die Hansjörg Lang nicht gelten lässt. Es müsse sich jeder ernsthaft fragen, ob er wirklich keine Zeit für ein solches Amt habe, mahnte der Bezirkskellerei-Aufsichtsratsvorsitzende. Ins gleiche Horn hatte schon Weinbauverbands-Vizepräsident Franz Benz bei der Begrüßung gestoßen: „Genossenschaften sind keine sozialen Einrichtungen, sondern Wirtschaftsunternehmen. Es ist unser Betrieb und unser Kapital, wenn wir es nicht machen, wer soll es sonst machen?”  Werner Räpple, Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV), hatte in seiner Begrüßung auf die Notwendigkeit von Betriebsvergleichen zwischen Winzergenossenschaften hingewiesen. Es sei wichtig, anhand von Vergleichszahlen zu wissen, wo man stehe.