Fachliches
| 11. Januar 2018
Wie die frostgeschädigten Reben schneiden?
Von Hansjörg Stücklin, Weinbauberater, Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald
Der Rebschnitt ist allseits bereits angelaufen. Bei den stark spätfrostgeschädigten Anlagen tun sich viele Winzer aber noch schwer. Im Folgenden sollen Empfehlungen für den Schnitt dieser Anlagen gegeben werden.
Der Spätfrost vom 20. April 2017 brachte europaweit beträchtliche Schäden mit sich. In den stärker betroffenen Gebieten waren nicht nur deutliche Ertragsausfälle – im Markgräflerland gibt es etliche Betriebe mit 60 bis 70 Prozent Ertragsausfall – zu verzeichnen, sondern auch ein beträchtlicher Mehraufwand bei der Laubarbeit. Der Frost hat nicht nur die ausgetriebenen Hauptaugen, sondern – insbesondere in den frühen Lagen und bei frühen Sorten – auch die ausgetriebenen Nebenaugen zerstört.
Darüber hinaus sind in vielen Lagen auch sämtliche Beiaugen noch in der Wolle erfroren. Erfreulicherweise sind Komplettausfälle in den Ertragsanlagen eher selten, aber viele Bogreben sind komplett kahl und auch im Kopfbereich ist nicht immer günstiges Zielholz herangewachsen. Ähnlich wie beim Schnitt von stark hagelgeschädigten Reben gilt auch hier, dass in vielen Fällen beim Rebschnitt in diesem Winter kein „Schönheitspreis” zu gewinnen ist. Man muss anschneiden, was man am Stock vorfindet.
Holzausreife und Fruchtansatz zumeist gut
Reben zeigen, im Unterschied zu vielen Obstarten, kaum bzw.
wenig Alternanz. Bedingt durch den zumeist geringen Ertrag, die frühe
Lese und die günstigen Assimilationsbedingungen bis zum Laubfall
beobachtet man insgesamt eine recht gute Holzausreife. Wir können 2018
grundsätzlich von einem guten Fruchtansatz ausgehen.
Dies gilt auch für
die nach dem Frost ausgetriebenen Triebe im Kopfbereich und auch
weitestgehend für Triebe, welche aus dem Stammbereich hochgezogen
wurden. Lediglich beim Gutedel gibt es bei Stammaustrieben gewisse
Einschränkungen.
Achten Sie aber beim Rebschnitt auf die
Internodienlänge. Diese ist bei den wenigen nicht erfrorenen, mastigen
Haupttriebruten und den nach dem Frost ausgetriebenen Ruten größer. Das
bedeutet, dass die Augenzahl pro Meter etwas geringer ist als bei
Normaltrieben. Zählen Sie einfach nach.
Auch bei den zurückgeschnittenen
zweijährigen Anlagen finden sich oft mastige Ruten. Diese weisen in der
Regel ein ungünstigeres Holz- Mark-Verhältnis und damit eine geringere
Frostfestigkeit auf und sind natürlich schwieriger zu biegen.
Ertragsanlagen
In Ertragsanlagen gab es nach dem Frost im Kopfbereich oft
ausreichend Neuaustriebe, welche als Fruchtruten angeschnitten werden
können. Nicht selten sind die Triebe sehr ungünstig, oft schräg nach
unten gewachsen. Gerade diese sind meist auch nicht richtig am Kopf
angewachsen. Im Einzelfall braucht man etwas
Kreativität. Schwieriger wird es, wenn im Kopfbereich nur wenige, sehr
schwache oder gar keine Triebe nachgewachsen sind.
Viele Winzer
haben nach dem Frost in den stark geschädigten Anlagen Stammaustriebe
belassen und hochgebunden. Wenn im Kopfbereich keine Triebe
nachgewachsen sind, egal welches Alter, wird natürlich der Rebstock mit
einem der Stammaustriebe von unten neu aufgebaut. Dies ist auch dann
sinnvoll, wenn an älteren Rebstöcken im Kopfbereich nur ein oder zwei
Triebe seitlich ausgetrieben sind, der größte Teil des Kopfes aber kahl
ist. In solchen Fällen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass in diesem
kahlen Bereich des Kopfes im Frühjahr kein Neuaustrieb erfolgt und
dieser verkahlte Bereich bereits abgestorben ist.
Verjüngungsschnitt vorziehen
Einzelne Winzer
haben in den zurückliegenden Jahren mit dem frühzeitigen
Verjüngungsrückschnitt recht gute Erfolge bei der Escavorbeuge erzielt.
Das heißt, dass bereits in der Anfangsphase, wenn erste Escastöcke in
einer Anlage auftauchen, die Anlage mit dem sogenannten „Resetschnitt”
im Laufe von zwei bis drei Jahren komplett verjüngt wird.
Der Arbeitsaufwand für diese Maßnahme ist zwar recht hoch, für andauerndes Nachpflanzen oder frühzeitiges Roden der Anlage
ist der Arbeitsaufwand aber sicherlich höher. Deshalb ist es bei über
15-jährigen Anlagen durchaus überlegenswert, bei belassenen
Stammaustrieben selbst dann, wenn im Kopfbereich einigermaßen genügend
Zielholz vorhanden ist, mit dem Verjüngungsschnitt Escavorbeuge zu
betreiben. Probieren Sie es gerade bei Esca-anfälligen Sorten aus. Nach
den Winterfrostschäden 1984/85 mussten viele Anlagen neu von unten
hochgezogen werden und haben sehr viele Jahre hervorragendes Wachstum
gezeigt. Frostruten belassen?
Oft sind viele Triebe am Stamm ausgetrieben. Hier sollte
darauf geachtet werden, dass der ausgewählte Trieb möglichst schräg nach
oben gewachsen ist, nicht in die Gasse hineinragt, nicht zu mastig ist
und im unteren Bereich möglichst wenig Geiztriebe aufweist. Der Trieb
kann – von der Länge bzw. von der Augenzahl her – als ganz normale
Fruchtrute ange-schnitten werden und sollte mit einem entsprechenden
Bindematerial am alten Stamm angebunden werden.
Nach dem Austrieb ist
darauf zu achten, dass, analog wie bei zweijährigen Reben, von unten
her bis zum geplanten Kopfende ausgebrochen wird.
Verschiedene Forschungsanstalten im In- und Ausland haben
Versuche zur Frostschadensbekämpfung durchgeführt. Die Erfolge dieser
oft recht teuren Bekämpfungsmaßnahmen waren aufgrund des umfassenden
Frostes oft nicht befriedigend.
Eine recht preiswerte und auch effektive
Methode ist nach wie vor das Belassen der altbekannten Frostrute.
Diese hilft nicht nur gegen Spätfrost, sondern auch gegen einen
eventuellen Winterfrost und darüber hinaus auch gegen Schäden durch die
2017 vermehrt vorgekommenen Knospenschädlinge. Ob es 2018 erneut zu
Frostschäden kommt, wissen wir nicht. Die Winzer vom Hochrhein wissen
aber, dass es zwei Jahre hintereinander passieren kann.
Junganlagen
Bei
jüngeren, das heißt 2016 gepflanzten Anlagen besteht die Gefahr, dass
der Spätfrost Zellschäden am einjährigen Trieb verursacht hat. Die
Leitungsbahnen solcher Stöcke sind mehr oder weniger stark geschädigt.
Bereits im Sommer fielen solche Stöcke durch gelbliche Laubverfärbung
und beginnende Maukewucherungen auf (siehe Bilder oben).
In solchen
Anlagen muss beim Rebschnitt unbedingt auf etwaige Maukebildung oberhalb
der Veredlungsstelle geachtet werden.
Wenn vorhanden, sollte möglichst
ein Trieb direkt an der Veredlungsstelle angeschnitten werden. Bei
Reben, an denen nur oberhalb der Maukestelle ein Trieb ausgetrieben ist,
besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie Schäden an den
Leitungsbahnen davongetragen haben. Diese Reben sollten im kommenden
Frühjahr ersetzt werden.Der Spätfrost im Frühjahr 2017 hat nicht nur
sehr viel zusätzliche Arbeit bei den Laubarbeiten gemacht. Auch der
Rebschnitt ist in den besonders stark geschädigten Gebieten deutlich
aufwendiger.