Fachliches | 08. August 2018

Mehr Trauben pro Trieb

Von Ernst Weinmann, WBI Freiburg
Die Ertragsschätzung des Staatlichen Weinbauinstituts Freiburg und der Weinbauberatung wurde diesmal bereits in der ersten Hälfte des Monats Juli durchgeführt. Der Grund war der Entwicklungsvorsprung von rund zwei bis drei Wochen gegenüber dem langjährigen Mittel.
Das Jahr 2018 begann im Januar mit milden Temperaturen. Die unterdurchschnittlichen Temperaturen im Februar und vor allem im März haben dann aber dazu geführt, dass die Rebenentwicklung Mitte April im langjährigen Mittel lag. Die beiden Warmphasen mit zum Teil sommerlichen Temperaturen vom 16. bis 25. April und 4. bis 11. Mai haben zu einer explosionsartigen Rebenentwicklung geführt, die sich auch im Juni aufgrund von leicht überdurchschnittlichen Temperaturen fortsetzte.
Trotz der guten Wasserversorgung im Winter hat die erste Trockenphase von Mitte April bis Mitte Mai dazu geführt, dass auf den bekannten Trockenstandorten und in Junganlagen im ersten und zweiten Standjahr bereits auf eine wassersparende Bestandsführung umgestellt und die Begrünungen gemulcht oder gewalzt werden mussten. Die Niederschläge Mitte Mai waren in Baden regional sehr unterschiedlich und lagen zwischen 10 mm im Kaiserstuhl und 130 mm im südlichen Markgräflerland. Von Juni an war es dann bis Mitte Juli sehr trocken.
Hohe Traubengewichte
Aufgrund dieser Entwicklung zeigen sich die Rebbestände im Juli in hervorragendem Zustand bei einem Entwicklungsvorsprung von rund zwei bis drei Wochen gegenüber dem langjährigen Mittel. Die frühere Vegetationsentwicklung führte dazu, dass die Ernteschätzungen bereits Mitte Juli durchgeführt werden mussten. Dabei fiel auf, dass das sich im Jahr 2018 eine deutlich höhere Traubenzahl pro Trieb und deutlich höhere Beerenzahlen pro Traube entwickelt hat, die zum Teil zu sehr hohen Traubengewichten führen.
Auch dieses Jahr wird aufgrund des Entwicklungsvorsprungs der Trauben ein früher Lesebeginn erwartet.
So lagen Mitte Juli bei Spätburgunder FR 52-86 Traubengewichte bis zu 195 g vor. Vergleicht man die Werte mit dem durchschnittlichen Traubengewicht von 165 g, lässt sich erahnen, welche Ertragsmengen sich derzeit in den Anlagen befinden.
Bei der Sorte Weißburgunder liegen die ermittelten Werte bei Trauben ohne Schulter bei 125 g und mit Schulter bei bis zu 185 g. Diese dichtbeerigen Klone, die nicht mit Bioregulatoren behandelt worden sind, sind schon zum Zeitpunkt Mitte Juli sehr dicht gepackt. Traubenzahlen von drei bis vier Trauben pro Trieb bei Müller-Thurgau und Gutedel oder drei Trauben pro Trieb bei den Burgundersorten sind keine Seltenheit.
Daraus folgt, dass in Anlagen, in denen bisher keine Ertragsregulierung durchgeführt wurde, Handlungsbedarf besteht. Kümmertriebe müssen entfernt und die Erntemenge eingestellt werden.  
Insbesondere jüngere Anlagen zeigen ein hohes Ertragsniveau. Diese bedürfen sowohl hinsichtlich des Qualitätskorridors als auch einer möglichen Trockenstressperiode dringend der Ertragsprüfung und -regulierung.
Hilfen für die Ertragsschätzung
Eigenständig von den Winzern durchgeführte Ertragsermittlungen verhelfen zuverlässig zur Bestimmung des aktuell vorhandenen Ertragspotenzials in den verschiedenen Rebflächen. Die in den Tabellen 1 und 2 dargestellten Werte sollen eine zusätzliche Hilfestellung bei der Gestaltung einer Ertragsermittlung geben. In Tabelle 1 sind für verschiedene Sorten die langjährigen, durchschnittlichen Einzeltraubengewichte und die für das Jahr 2018 bei derzeit normal entwickelten Trauben zu erwartenden Einzeltraubengewichte aufgeführt. Für den Herbst 2018 wird bei Trauben, die zum Zeitpunkt der Schätzung normal entwickelt waren, im Durchschnitt über alle Standorte und Sorten ein über dem langjährigen Durchschnitt liegendes Einzeltraubengewicht erwartet.
Zur Unterstützung der eventuell erforderlichen Einstellung der angestrebten Erzeugungsziele für besondere Qualitäten sind in Tabelle 2 die dafür erforderlichen Traubenzahlen pro Rebstock angegeben. Dargestellt sind die Traubenzahlen für das Produktionsziel 90 hl/ha bzw. 120 kg/Ar, für das Produktionsziel 80 hl/ha bzw. 105 kg/Ar und für das Produktionsziel 60 hl/ha bzw. 75 kg/Ar.
Die Traubenzahlen sind bezogen auf die zu erwartenden Einzeltraubengewichte und gehen von bisher normal entwickelten Trauben aus. Weiterhin gehen die in Tabelle 2 angegebenen Traubenzahlen pro Stock von einer Anlage mit 5000 Stock pro Hektar aus.
In Steillagen ist aufgrund der in der Regel deutlich höheren Stockzahlen pro Flächeneinheit ein um etwa 20 bis 25 Prozent geringerer Stockertrag anzustreben.   Erforderlich sind  für  Produktionsziele von 90 hl/ha rund 12000 kg/ha oder Einzelstockerträge von 2,4 kg, 80 hl/ha rund 10500 kg/ha oder Einzelstockerträge von 2,1 kg, 60 hl/ha rund 7500 kg/ha oder Einzelstockerträge von 1,5 kg.
Tabelle für die eigene Schätzung im Internet
Die für die Ertragsschätzung notwendige Tabelle ist hier bereitgestellt. Diese Tabelle gibt den Nutzern ein Schema zur Ermittlung der Ertragswerte für Rebanlagen bei jedem beliebigen Pflanzsystem an die Hand. In der Tabelle sind drei verschiedene Faktoren für die Zunahme des Traubengewichts von der Monatsmitte Juli bis zur Lese angegeben.
Der Faktor 1,5 steht für Traubengewichtszunahmen in extrem trockenen Jahren. Der Faktor 2,0 steht für Traubengewichtszunahmen in Jahren mit durchschnittlichem Witterungsverlauf. Der Faktor 2,4 steht für Traubengewichtszunahmen in sehr feuchten Jahren.
Im vergleichbaren Jahr 2011 war der Faktor für die Gewichtszunahme von Mitte August bis zur Traubenlese 1,1 bis 1,2. Diese Werte können als Anhaltswerte für eine Mitte August stattfindende Ernteschätzung genommen werden. Übersteigen die in den jeweiligen Einzelflächen geschätzten Erträge das im Produktionsziel festgelegte Niveau, sind in den entsprechenden Rebanlangen zur Förderung der Weinqualität, zur Verbesserung der Langlebigkeit der Anlagen und gegebenenfalls völlig unabhängig vom Ertragsniveau zum Schutz vor Trockenschäden Ertragsregulierungsmaßnahmen durchzuführen.