Nachrichten | 07. April 2017

Erster Schritt zu mehr Selbstverwaltung

Von Walter Eberenz
Der Badische Weinbauverband soll als Schutzgemeinschaft anerkannt werden. Doch was bedeutet das eigentlich? wir haben Christian Schwörer, Referent für Weinrecht im Deutschen Weinbauverband, gefragt.
Christian Schwörer (39) ist seit November 2015 als Referent für Weinrecht im Deutschen Weinbauverband beschäftigt. Der gebürtige Freiburger, der in Baden aufgewachsen ist, hat Rechtswissenschaften und Internationalen Handel studiert.
Beim Badischen Weinbautag am 16. März verkündete Peter Hauk, der Landwirtschaftsminister von Baden-Württemberg, dass der Badische Weinbauverband als Schutzgemeinschaft für Baden anerkannt werden soll. Kilian Schneider, Präsident des Badischen Weinbauverbandes, antwortete: „Wir stehen bereit.” Erklären Sie doch bitte als Fachmann beim Deutschen Weinbauverband einem Winzer, was eine Schutzgemeinschaft ist und wie der Begriff entstand.

Eine Schutzgemeinschaft ist eine aus Erzeugern zusammengesetzte Organisation, die das Lastenheft einer geschützten Herkunftsbezeichnung verwaltet und gestaltet. Warum benötigen wir eine derartige Organisation? Der Schlüssel des Rätsels liegt in der Reform des EU-Weinrechts aus 2009, die auch bei uns ihre Spuren hinterließ: Die Herkunft rückte in den Mittelpunkt. Aus dem Anbaugebiet wurde die geschützte Ursprungsbezeichnung – kurz „g.U.” Baden.
Früher wurden Produktionsbedingungen – wie etwa Mindestmostgewicht, Abgrenzung des Gebietes, zugelassene Rebsorten oder Hektarhöchstertrag – in Verordnungen durch Landesbehörden geregelt. Nunmehr sind diese in einem sogenannten Lastenheft festgelegt, dessen Ausgestaltung jetzt „jeder interessierten Gruppe von Erzeugern” – und damit der Branche – obliegt.
Leider ist mit dieser Reform die Rechtsetzungskompetenz aus der Region (Bundesland) nach Brüssel verlagert und ein kompliziertes zweistufiges (nationales Vorverfahren und Brüsseler) Verfahren für Änderungen der Lastenhefte eingeführt worden. Mit den Schutzgemeinschaften soll das nationale Vorverfahren vereinfacht werden. Sie sollen verhindern, dass zahlreiche, sich widersprechende Anträge verschiedener Erzeugergruppen gestellt werden, und stellvertretend für alle interessierten Erzeugergruppen das Lastenheft gestalten.
Bei unserem Modell haben wir uns bei unseren Nachbarn umgeschaut und teilweise an der „Organisation zum Schutz und zur Verwaltung einer g.U.”, der französischen „Schutzgemeinschaft”, orientiert.
 
Es muss ja Gründe haben, dass der Weinbauverband sich über die Ankündigung des Ministers freut. Was wiegt die Arbeit damit als Vorteile auf, das heißt, welche Aufgaben, Funktionen, Kompetenzen und Freiräume sind für den Weinbauverband mit einer Schutzgemeinschaft verbunden?

Im Weinbauverband sollen Änderungsanträge und Interessen der Erzeuger in Bezug auf das Lastenheft diskutiert, kanalisiert und formuliert werden. Ansprechpartner ist dann für ihn die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Diese Aufgabe ist für den Verband nicht wirklich neu, nur nimmt er sie jetzt als staatlich anerkannte Schutzgemeinschaft wahr.
Entsprechend unserem Streben nach unbürokratischen, einfachen und kostengünstigen Verfahren begrüßen wir es sehr, wenn hier auf bestehende Strukturen zurückgegriffen wird. Aufgaben – zum Beispiel im Bereich der Vermarktung –  sollen nicht von bestehenden Institutionen auf die Schutzgemeinschaft übertragen werden.

Entstehen die Kompetenzen und Freiräume automatisch oder muss die Landesregierung sie erst noch schaffen und vor allem, bereit dazu sein?

Die Verwaltung des Lastenheftes ist als Aufgabe der Schutzgemeinschaft im Gesetz verankert. Eine Schutzgemeinschaft wird vom Land nur anerkannt, wenn sie hinreichend repräsentativ ist. Das ist der Fall, wenn sie zwei Drittel der Weinbergsfläche und der Weinerzeugung einer Herkunftsbezeichnung bündelt – wovon beim Badischen Weinbauverband auszugehen ist.
Die Landesregierung kann darüber hinaus zusätzliche Voraussetzungen vorsehen. Jedoch ist ihr auch nicht daran gelegen, neue komplizierte Strukturen zu schaffen.

Und was bringt das alles oder kann es bringen für Winzer und Weinwirtschaft der Region?

Die Erzeuger können nun innerhalb der gesetzlichen Grenzen selbst festlegen, welche Anforderungen ihre Weine erfüllen müssen. Wichtig ist, dass wir nicht bei unseren bisherigen Regelungen stehen bleiben, sondern uns auf den Weg machen, um die Herkunft als Qualitätskriterium weiterzuentwickeln.
Hier wird insbesondere die Schutzgemeinschaft gefragt sein. Sie ist ein erster Schritt hin zu mehr Selbstverwaltung und Mitbestimmungsrecht der Weinwirtschaft.
 
Am 24. März hat der Bundestag die Novelle des Weingesetzes beschlossen, in der die Einrichtung von Schutzgemeinschaften festgeschrieben ist. Wie sieht der weitere Zeitplan für die Umsetzung aus?

Die Novelle muss noch am 12. Mai vom Bundesrat angenommen werden. Das neue Gesetz könnte damit bereits im Mai oder Juni in Kraft treten. Danach müssen die Länder Verordnungen erlassen, die die Anerkennungsvoraussetzungen ausgestalten. Die Anerkennung des Badischen Weinbauverbandes als Badische Schutzgemeinschaft könnte bereits in der zweiten Jahreshälfte erfolgen.