Fachliches | 04. August 2016

Ertragsermittlung wichtiger denn je

Von Ernst Weinmann, WBI
Die diesjährige Ertragsschätzung des Staatlichen Weinbauinstituts Freiburg ergibt vor allem eines: Die flächenspezifisch großen Ertragsunterschiede sollten Anlass zur eigenständigen Ertragsermittlung für alle Erzeugerbetriebe sein.
Das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg hat zusammen mit der Weinbauberatung Mitte der letzten Julidekade 2016 eine Ertragsschätzung durchgeführt, die aufgrund der späten Vegetationsentwicklung in der dritten Julidekade nur rund 28 Tage nach Blühende vorgenommen wurde. Aufgrunddessen wurden die Faktoren für die Gewichtszunahme  an die zu diesem Zeitpunkt erwarteten Gewichtszunahmen bis zur Lese angepasst. Da die Schätzung somit rund eine Woche vor dem exakten Schätztermin liegt, ist sie stark vom kommenden Witterungsverlauf abhängig.
Rebentwicklung: späte Blüte
Die Rebentwicklung startete in diesem Jahr mit dem Austrieb im langjährigen Mittel. Jedoch sorgte die kühle und feuchte Witterung im Mai für eine gegenüber dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre um zirka 14 Tage spätere Blüte. Sie setzte in den frühen Lagen um den 16. Juni bei kühlen und feuchten Bedingungen ein. In diesen Lagen waren eine starke Verrieselung und im weiteren Verlauf der Entwicklung eine erhöhte Kleinbeerigkeit festzustellen. Die mittleren und späteren Lagen profitierten dann ab dem 22. Juni von den steigenden Temperaturen, ehe die Blüte um den 30. Juni endete.
Daraus folgt, dass die Ertragsunterschiede zwischen den Flächen witterungsbedingt sehr groß sind. Aufgrund der optimalen Bedingungen im Nachblütebereich ist jedoch zu erwarten, dass die Verrieselungsverluste in den gut verblühten Anlagen wegen der guten Wasserversorgung kompensiert werden können. Vor der Maßnahme „Trauben teilen” in Selektionsanlagen ist es dringend erforderlich, die Notwendigkeit mit dem Vermarktungsunternehmen zu klären. 
Eigene Ertragsermittlungen
Auf Grundlage der ermittelten Traubenzahlen und Traubengewichte kann in gepflegten, gut verblühten Rebanlagen (Doppel- und Kümmertriebe sind entfernt) bei guter Wasserversorgung in den Hauptrebsorten mit der Produktion der Zielmengen gerechnet werden – ohne bereits durchgeführte Ertragsregulierung oder Maßnahmen zur Traubenlockerung. Großen Einfluss auf die Erntemengen werden die zum Teil erheblichen Einbußen aufgrund des Befalls mit Peronospora ausüben. Hier gibt es Flächen mit bis zu hundertprozentigem Ernteverlust.
Die diesjährige Ertragsschätzung liegt eine Woche vor dem exakten Schätztermin und ist dadurch stark vom Witterungsverlauf abhängig.
Für die Standarderzeugung wird allgemein bei Anlagen ab dem sechsten Standjahr kein wirklicher Regulierungsbedarf gesehen. Bei Junganlagen bis zum fünften Standjahr müssen dagegen gegebenenfalls Regulierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Hier gilt es besonders die Anlagen zu entlasten, die aufgrund von Stickstoffmangelsymptomen und hohen Traubenzahlen auffallen. Wo Korrekturmaßnahmen erforderlich sind, sollten diese spätestens bis Ende August abgeschlossen sein. In den kommenden Wochen ist auf konsequent durchgeführte Laubarbeit zu achten, um die Traubenabtrocknung während des Reifeverlaufs zu fördern.Eigenständig von den Winzern durchgeführte Ertragsermittlungen verhelfen zuverlässig zur Bestimmung des aktuell vorhandenen Ertragspotenzials in den verschiedenen Rebflächen. Die in den Tabellen 1 und 2 dargestellten Werte sollen eine zusätzliche Hilfestellung bei der Gestaltung einer Ertragsermittlung geben.
In Tabelle 1 sind für verschiedene Sorten die langjährigen, durchschnittlichen Einzeltraubengewichte und die für das Jahr 2016 bei derzeit normal entwickelten Trauben zu erwartenden Einzeltraubengewichte aufgeführt. Für den Herbst 2016 ist in gut geführten und verblühten Anlagen bei den meisten Sorten mit einem etwas überdurchschnittlichen Traubengewicht zu rechnen.
Zur Unterstützung der eventuell erforderlichen Einstellung der angestrebten Erzeugungsziele für besondere Qualitäten sind in Tabelle 2 die dafür erforderlichen Traubenzahlen pro Rebstock angegeben. Dargestellt sind die Traubenzah-
len für das Produktionsziel 90 hl/ha bzw. 120 kg/Ar, für das Produktionsziel 80 hl/ha bzw. 105 kg/Ar und für das Produktionsziel 60 hl/ha bzw. 75 kg/Ar. Die Traubenzahlen sind bezogen auf die zu erwartenden Einzeltraubengewichte und gehen von bisher normal entwickelten Trauben aus. Weiterhin gehen die in Tabelle 2 angegebenen Traubenzahlen pro Stock von unseren üblichen Anlagen (4300 Stock je Hektar) aus. Dabei sind für ein Produktionsziel von 90 hl/ha (dies entspricht rund 12 000 kg/ha)
Einzelstockerträge von 2,8 kg erforderlich. Für ein Produktionsziel von 80 hl/ha (dies entspricht rund 10 500 kg/ha) sind Einzelstockerträge von 2,4 kg erforderlich. Für die
Erzeugung von Selektionsweinqualität (60 hl/ha bzw. 7500 kg/ha) sind Einzelstockerträge von 1,75 kg vorgeschrieben. In Steillagen ist aufgrund der in der Regel deutlich höheren Stockzahlen pro Flächeneinheit ein um  20 bis 25 Prozent geringerer Stockertrag anzustreben.
In der beim Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg abrufbaren Tabelle zur Ermittlung der Ertragswerte für Rebanlagen sind drei verschiedene Faktoren für die Zunahme des Traubengewichts von der Monatswende Juli/August bis zur Lese angegeben. Da die Schätzung wesentlich näher an der Blüte liegt als in früheren Jahren, mussten die Faktoren für dieses Jahr geändert werden. Der Faktor 2,5 steht für Traubengewichtszunahmen in extrem trockenen Jahren. Der Faktor 3,0 steht für Traubengewichtszunahmen in Jahren mit durchschnittlichem Witterungsverlauf. Der Faktor 3,5 steht für Traubengewichtszunahmen in sehr feuchten Jahren.
Da bis zu den Wiegungen zum Beginn der dritten Julidekade 2016 die Rebbestände wenig Stressbedingungen erfuhren und die Wasserversorgung im Oberboden überwiegend gut ist, wird bis zur Lese in Abhängigkeit von den Augustniederschlägen eine Traubengewichtszunahme mit dem Faktor 2,8 bis 3,2 erwartet.
Übersteigen die in den jeweiligen Einzelflächen geschätzten Erträge das im Produktionsziel festgelegte Niveau, dann sind in den entsprechenden Rebanlangen zur Förderung der Weinqualität, zur Verbesserung der Langlebigkeit der Anlagen und völlig unabhängig vom Ertragsniveau zum Schutz vor Trockenschäden Ertragsregulierungsmaßnahmen durchzuführen.
 
Stand der Berichterstattung: 25. Juli 2016