Fachliches
| 31. August 2017
Flexibles Vorgehen ist gefragt
Von Wolfgang Egerer, WBI Freiburg
2017 war nach 2003 die zweitwärmste Vegetationsperiode seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen. Das wirkt sich auch auf den Erntezeitpunkt, die Traubenverarbeitung und die kellerwirtschaftlichen Maßnahmen aus.
Nach einem sehr pflanzenschutzintensiven Weinbaujahr 2016, in dem die Winzer für jedes Kilogramm Lesegut hart arbeiten mussten, wurde sie zur Weinlese für ihre Anstrengungen größtenteils mit Menge und guten Qualitäten belohnt.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass nun der Wunsch nach einem „herausforderungsärmeren” Folgejahr laut wurde. Doch galt und gilt es erneut, Herausforderungen, die die Branche mit ihren Auswirkungen bis zur Weinlese und kellerwirtschaftlich betrachtet darüber hinaus beschäftigen, zu meistern:
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass nun der Wunsch nach einem „herausforderungsärmeren” Folgejahr laut wurde. Doch galt und gilt es erneut, Herausforderungen, die die Branche mit ihren Auswirkungen bis zur Weinlese und kellerwirtschaftlich betrachtet darüber hinaus beschäftigen, zu meistern:
- Start in die Vegetationsphase mit bereits deutlichem Wasserdefizit;
- europaweites Frostereignis in den Nächten 19. bis 21. April;
- aufgrund warmer Temperaturen rasche Entwicklung der Reben;
- allgemein sehr trockene Witterung und unerwartet hohe Temperaturen in Kombination mit zeitweise trockenen Winden, deshalb deutliches Wasserdefizit und Trockenstress in den Rebanlagen bis Mitte Juli;
- ab Mitte Juli Niederschläge und somit ausgeglichener Wasserhaushalt;
- lokal begrenzt Gewitter, immer wieder auch mit Hagelschlag.
Es kann festgehalten werden, dass die Vegetationsperiode 2017 bislang die zweitwärmste nach dem Jahr 2003 seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen ist.
Lesezeitpunkt
Durch die oben genannten witterungsbedingten Einflussfaktoren sind mehrere Szenarien in Erwägung
zu ziehen. Mit Sicherheit spielen die Frostereignisse eine grundlegende
Rolle bei der Terminierung des Lesezeitpunktes. Aufgrund der warmen
Witterung und infolgedessen zu erwartenden hohen potenziellen
Alkoholausbeuten in Zusammenhang mit niedrigen pH-Werten ist der
voraussichtliche Beginn der Lese bei frühen Sorten bzw. in frühen Lagen
für nicht frostgeschädigte Anlagen auf Anfang September zu terminieren.
Außerdem waren in nicht frostgeschädigten Anlagen Anfang August
bereits erste Fäulnisnester in Trauben insbesondere bei kompakten Klonen
festzustellen, bedingt durch eine gute Blüte und große Beeren. Nicht
zuletzt wurde frostbedingt auf Maßnahmen zur Ertragsregulierung
größtenteils verzichtet.
Grundsätzlich sollte nach Möglichkeit ein
optimaler Reifegrad der Trauben abgewartet werden. Für den Fall von
ungünstiger Witterung sollten das Lesegeschirr und die Pressen
vorbereitet sein, um termingerecht und schlagkräftig an
den Herbst herangehen zu können.
Frost schlug ungleichmäßig zu
Die frostgeschädigten Anlagen hinken
teilweise lagebedingt bis zu 14 Tage hinterher. Unter anderem besteht
die Herausforderung darin, dass der Frost ungleichmäßig in den
Rebbergen zuschlug, so dass geschädigte neben ungeschädigten Stöcken
stehen. Mitunter kann in Handarbeitslagen eine selektive Lese der
reifen, unreifen bzw. durch Botrytis belasteten Trauben notwendig
werden.
Auch bei maschinell zu lesenden Flächen sollte eine Abwägung je
nach Betriebsstrategie zwischen den qualitätsbeeinflussenden Faktoren
(Reifegrad, Traubengesundheit, Schlagfähigkeit) erfolgen. Zu bedenken
ist auch, dass es bei einer nicht selektiven Lese von frost- und nicht
frostgeschädigten Rebstöcken durch den Einfluss der später reifenden
Trauben zu einer Erhöhung der Säure und somit zu einer Stabilisierung
des pH-Werts kommen kann.
Geringe Alkoholausbeuten sind in diesem Jahr
in nicht frostgeschädigten Flächen nicht zu befürchten. Im Jahr 2017
sind aufgrund der hohen Temperaturen sowohl Säure als auch pH-Wert für
die mikrobielle Stabilität wiederum ein wichtiges Kriterium.
Traubenverarbeitung
Flexibles
Vorgehen ist gefragt! Der Kellermeister sollte auf unterschiedliche
Beschaffenheit des Lesegutes vorbereitet sein: Bei durch Botrytis
belastetem Material sind aufgrund des Eintrages einer erhöhten Keimzahl
eine zügige Verarbeitung des Lesegutes mit schwefliger Säure, eine
intensive Vorklärung und die Verwendung von gärkräftigen Reinzuchthefen
anzustreben. Sofern eine Säuerung zugelassen werden sollte, ist sie
eventuell zur Stabilisierung des pH-Wertes von Maische oder Most
sinnvoll.
Heiße und trockene Witterung in Zusammenhang mit teilweise
zu erwartenden hohen Erträgen bergen ein erhöhtes Risiko für die
„Untypische Alterungsnote” (UTA). Bereits bei der Traubenverarbeitung
sollten Maßnahmen zur Minderung bzw. Vermeidung der UTA ergriffen
werden. Im Wein gebildetes 2-Aminoacetophenon (2-AAP), Hauptkomponente
der UTA, kann auch durch den späteren Einsatz von Ascorbinsäure im
Jungwein nicht mehr entfernt werden.
Deshalb ist Folgendes zu beachten:
- Verarbeitung von ausschließlich vollreifem und nährstoffversorgtem Lesegut;
- längere Presszeiten, keine Ganztraubenpressung;
- Verwendung einer nicht zu rasch gärenden Hefe;
- temperaturkontrollierte Gärung, da Gäraromen die UTA vorerst verschleiern;
- keine scharfe Klärung unmittelbar nach der Gärung;
- Vermeidung von Sauerstoffaufnahme beim Ausbau des Weines;
- kühle Lagerung des Weines im Tank und in der Flasche, da bei hohen Temperaturen die Bildung von 2-AAP gefördert wird.
Bei reifem, gesundem und ertragsreduziertem Lesegut bietet sich dem Oenologen in Abhängigkeit von Rebsorte und angestrebtem Weinstil eine breite Spielwiese an oenologischen Möglichkeiten.
Hefeeinsatz
Bei
belastetem Lesegut ist der Einsatz von sicher angärenden Reinzuchthefen
zu empfehlen, da diese eine schnelle und gezielte Gärung ermöglichen und
die Entwicklung von weinfehlerproduzierenden Mikroorganismen hemmen. Im
Falle einer Spontangärung wird geraten, ausschließlich gesundes
Traubenmaterial zu verwenden. Dabei sollte ein besonderes Augenmerk auf
die Hefeernährung gelegt werden, da spontan vergorene Weine oftmals eine
höhere Neigung zur Böckserbildung aufweisen.
Von
zentraler Bedeutung für die Hefeernährung ist das Vorhandensein von
Stickstoff sowie von Thiamin zur Vermeidung von Fehlaromen und
„Schwefelfressern”, der Bildung eines ansprechenden Gärbuketts und für
eine ausreichend starke Gäraktivität, insbesondere bei in diesem Jahr zu
erwartenden hohen Alkoholgehalten. Verfügbare stickstoffhaltige
Gärhilfsstoffe sind:
- Diammoniumhydrogenphosphat (DAHP): Wenn nur geringer Stickstoffmangel besteht, reicht meistens die Zugabe von DAHP zwischen dem ersten Drittel und der Mitte der Gärung. Wenn ein größeres Stickstoffdefizit besteht, sollte ein Kombinationspräparat verwendet werden.
- Thiamin (Vitamin B1): Thiamin fehlt besonders aufgrund von Fäulnis. Es sollten 60 mg/hl zugesetzt werden, am besten in Verbindung mit Gärsalz.
- Hefezellwandpräparate:Sie
adsorbieren gärungshemmende Fettsäuren und sind anzuwenden, wenn eine
schwierige Gärung erwartet wird (sehr hohe Mostgewichte, hoher Ertrag
und Fäulnis). Ihre Anwendung geschieht in Kombination mit anderen
Gärhilfsstoffen und nicht als Einzelpräparat.
Anreicherung und Eiweißstabilisierung
Die
Notwendigkeit einer Anreicherung der Moste von Trauben aus nicht
frostgeschädigten Flächen wird überwiegend nicht gesehen. Bei Lesegut
von frostgeschädigten Rebbeständen kann aufgrund der eventuell
einsetzenden Fäulnis eine frühe Lese von Trauben mit niedrigem
Mostgewicht notwendig werden. Hier ist in Abhängigkeit von der
Vermarktungsstrategie des Betriebs eine Anreicherung überlegenswert.
Gegebenenfalls macht ein Verschnitt von alkoholreichen Grundweinen mit
leichteren Weinen Sinn. Bei einer Anreicherung empfiehlt das WBI die
im pdf enthaltenen Formeln.
Eiweißtrübungen
auf der Flasche gilt es zu vermeiden. Deshalb ist eine Bentonitschönung
bereits im Moststadium sinnvoll. Die bis Mitte Juli sehr trockene
Witterung lässt auf einen hohen Gehalt an Eiweiß im Most schließen. Dem
steht die eventuelle Entwicklung von Botrytis bei entsprechender
Witterung gegenüber. Botrytisbefall reduziert den Eiweißgehalt.