Wein und mehr | 12. Dezember 2018

Weinbau mit Risiko

Von Thierry Dumas
Obergaliläa, diese bergige Region im Norden Israels, ist eine der Hochburgen des Weinbaus in Israel. Aber durch die Nachbarschaft des Libanon und Syriens kann alles vom einen auf den anderen Tag kippen.
Lese von Syrah-Klonen in der Tabor Winery am Fuß des gleichnamigen Berges. Die Versuche mit den Klonen werden von der Universität von Ariel durchgeführt.
Das Wiederaufblühen des Weinbaus in Israel hat manchmal etwas von einem Heldenepos. In Obergaliläa, im Norden des Landes an der Grenze zum Libanon und zu Syrien, fällt der Aufbruch ins Jahr 1976, als der Kibbuz Ramot Naftali seine ersten Reben der Sorte Cabernet Sauvignon pflanzte. Die Produktion errang schnell Bedeutung und diente anderen Kibbuzim als Beispiel.
1983 haben sie sich zusammengeschlossen und die Golan Heights Winery gegründet. Sie ist die Lokomotive des Weinbaus in Israel. Dieses Unternehmen mit Sitz in Qatzrin hat sich einen guten Ruf erarbeitet, indem es von Beginn an auf Spitzentechnologie und traditionelle Weinbereitung gleichermaßen setzte.
„Es ist ein Glück, in einem Betrieb zu arbeiten, der Verfahren so rigoros einführt”, erklärt Judah Morisson, der Assistent des Kellermeisters Victor Schoenfeld. Heute produziert Golan Heights sechs Millionen Flaschen pro Jahr unter verschiedenen Marken (Yarden, Gamla, Mount Hermon und Golan).
Den Krieg im Nacken
Das Unternehmen, das nichts dem Zufall überlässt, hat eine eigene Rebschule eingerichtet und schickt seine künftigen Winemaker zur Ausbildung ins Berufsausbildungszentrum von Beaune (CFPPA) in Burgund. Es existiert eine Partnerschaft mit dem Ohalo College in Qatzrin. Gaby Sadan hat sich zwischen 1998 und 2006 bei Golan Heights seine ersten Sporen verdient. Hier sollte er unter anderem Galil Mountain ins Laufen bringen, die erste koschere Marke der Gruppe.
Gaby Sadan hat seine Ausbildung in Frankreich durchlaufen. In Israel hat er die Shvo Winery aufgebaut, die 80.000 Flaschen pro Jahr erzeugt.
2006, getrieben vom Wunsch nach Unabhängigkeit, verkaufte er seine Wohnung in Tel-Aviv, um in den Bergen von Obergaliläa, die das Jordantal überragen, neun Hektar Land zu kaufen. Er gründete im Dorf Jish die Shvo Winery. Gaby erzeugt jährlich 80.000 Flaschen, von denen er drei Viertel an Restaurants des Landes verkauft und ein Viertel in die USA.
Er hat mit Rebsortenweinen begonnen und dann mit Cuvées weitergemacht. Vor allem reklamiert er für sich, Terroir-Weine zu produzieren. Er baut ausschließlich seine eigene Ernte zu Wein aus. Nichts Erstaunliches für einen, der in Bordeaux und Burgund Ausbildungen abschloss und eine Saison lang bei Jacques Seysses arbeitete, dem bekannten Winzer aus Morey-Saint-Denis in Burgund (Côte-d’Or). 
Gaby Sadan hat den Grundsatz seinen Mentors zu seinem gemacht: „Um außergewöhnliche Produkte zu erzeugen, muss man Risiken eingehen.”  Gesagt, getan. „Einige meiner Reben wachsen genau an der Grenze zum Libanon. Während des Krieges 2006 hat die Armee hier Artilleriestellungen eingerichtet. Ich konnte erst etwas später ernten”, sinnt er nach.
„Man gewöhnt sich dran”
Tal Pelter hat seine Winery nur zwei Kilometer von der syrischen Grenze entfernt gebaut. 2014 hat eine Rakete einen Teil seines Kellers zerstört.
Rund 60 Kilometer entfernt, weiter östlich, befindet sich die Pelter Winery, nur zwei Kilometer von der Grenze zu Syrien. Dieses Weingut muss ebenso Unwägbarkeiten geopolitischer Natur hinnehmen. 2014 hat eine aus Syrien abgeschossene Rakete einen Teil seines Kellers zerstört und einen Menschen verwundet.
Trotz aller Unsicherheiten „lebt man normal. Man gewöhnt sich an das fast permanente Risiko, das uns in Erinnerung gerufen wird, wenn wir Alarmmeldungen per SMS erhalten oder wenn wir Explosionen hören von der anderen Seite der Grenze”, erklärt Asael Wasserman, 31 Jahre. Er ist seit seinem Ausbildungsende in Beaune der Assistent des Winemakers in diesem Betrieb.
Das Ereignis von 2014 hat bei Pelter Winery nicht den Rhythmus geändert. Das Unternehmen liefert jedes Jahr seine 300.000 Flaschen unter zwei Marken aus: Pelter und Matar, der koscher ist. Seine Reben wachsen in Höhenlagen zwischen 100 und 1300 Metern auf hauptsächlich kalkhaltigen Böden, die mit zunehmender Höhenlage basaltig werden.
Lebensentscheidung
Warnhinweise auf Betonpfosten weisen darauf hin, dass die Region ein Ort kriegerischer Auseinandersetzungen war und auch heute noch ist.
In der Höhenlage hat Pelter Winery Gewürztraminer und Petit Verdot gepflanzt, ebenso die Sorte Cabernet Franc, die einen Wein schöner Struktur mit würzigen Noten hervorbringt. Der Betrieb bietet zudem Sémillon, Syrah, Grenache und „einen Pinot noir, der 14 bis 18 Monate in Barriques aus französischer Eiche verbringt und beim Reifen dem Burgund alle Ehre erweist”, versichert Asael Wasserman.
Pelter Winery wurde zu Beginn der 2000er-Jahre von Tal Pelter gegründet, der sich nach seinem Studium in Australien mit seinem Bruder zusammengetan hat, einem ehemaligen Jagdflieger. Beide haben sich auf den Golanhöhen niedergelassen, „weil dies eine der besten Regionen der Welt ist, um Wein zu erzeugen”, unterstreicht Tal Pelter.
Im Unterschied zum Rest des Landes „gibt es hier echte Jahreszeiten, mit einem Temperaturunterschied von 30 Grad zwischen Sommer und Winter. Der Schnee erlaubt eine Vegetationsruhe und die Sonneneinstrahlung ist das restliche Jahr über stark”, ergänzt er.
Tal Pelter lebt mit seiner Familie in einem benachbarten Kibbuz. Der Golan ist für ihn vor allem eine Lebensentscheidung. „Es ist der beste Platz um Kinder aufzuziehen, weit weg von der geschäftigen Gesellschaft; nahe der Natur. Hier nimmt man sich Zeit und verbringt nicht zwei Stunden im Stau wie in Tel-Aviv”, unterstreicht er. 
Weintourismus voranbringen
Oren Kedem, Winemaker in der Assaf Winery, preist das ideale Klima des Golan. Die Reben des Weingutes wachsen in Höhenlagen zwischen 500 und 900 Meter.
Eine Sichtweise, die Oren Kedem teilt. Er überwacht, unter dem wohlwollenden Blick seines Vaters, die Produktion ihres Weinguts Assaf Winery. Dieser 26-jährige Winemaker hat seine ersten Berufsschritte in einem benachbarten Weingut gemacht, bevor es ihn nach Südafrika und Kalifornien zog, um seine Kenntnisse zu erweitern und zu verfeinern.  
Er preist ebenso Terroir und Klima des Golan: „Hier fehlt es nicht an Wasser. Mit 700 Millimeter Regen muss man hier weniger bewässern als im Rest des Landes.”Die Reben der Familie Kedem befinden sich ausschließlich auf den Höhenzügen, zwischen 500 und 900 Metern. Ihr Premium-Wein ist ein Cabernet Sauvignon, der 17 Monate in Fässern aus französischer Eiche verbrachte.
Die Kedems bieten auch Syrah an sowie Pinotage, Sauvignon blanc und Chenin blanc. Sie erzeugen 50.000 Flaschen pro Jahr, von denen sie die Hälfte an Privatkundschaft, 30 Prozent an Restaurantbetreiber und 20 Prozent ins Ausland (USA und Großbritannien) verkaufen. Um das Weingut herum gibt es einen kleinen Freizeit-Komplex, der 20 Personen Arbeit gibt.
„Wir haben ein Restaurant, Gästezimmer, und wir organisieren Veranstaltungen, um den Weintourismus hier weiter voranzubringen. Avishai Cohen (ein bekannter Kontrabassist) ist bei uns schon aufgetreten”, freut sich Oren Kedem enthusiastisch.