Wein und mehr
| 07. April 2016
Georgien: Lokales für die Welt
Von Marine Dumeurger, freie Journalistin aus Paris
In Georgien, dem Land am Kaukasus in der Geburtsregion des Weinbaus auf der Welt, setzen große Betriebe auf lokale Rebsorten. Sie erzeugen damit Weine, die den Ansprüchen der internationalen Märkte genügen sollen. Der Markt im Inland gibt für Expansionspläne zu wenig her.
Georgien ist wie geschaffen für den Weinbau. Eingebettet zwischen dem Kaukasus und dem Schwarzen Meer, breitet das Land seinen Weinbau aus. Seit Jahrtausenden erzeugt man hier Wein. Erst jüngst haben archäologische Forschungen ergeben, dass der Weinbau hier bis 7000 vor Christus zurückreicht, lange bevor man in Süd- und Mitteleuropa darauf kam.
Es gibt keinen echten Heimatmarkt
Aber die Kultur der Rebe durchlebte in
der jüngsten Vergangenheit sehr unruhige Phasen: Erst schlecht geführt
während der Sowjet-Ära, dann Opfer eines Embargos durch Russland,
seinen größten Kunden, zwischen 2006 und 2013. Heute befindet sich der
Weinbau dieses kleinen Landes voll im Umbruch. Es gibt hier nur noch
48000 Hektar Reben, das ist ein Drittel der Fläche von vor 30 Jahren. Die Weinwirtschaft musste sich an eine schwierige Aufgabe machen:
Auslandsmärkte finden außerhalb Russlands, um nicht wieder dem „dunklen”
Nachbarn ausgeliefert zu sein.
Die georgischen Weinerzeuger konnten
für ihre Entwicklung nicht auf den Heimatmarkt setzen. Ihre Mitbürger
kaufen nur sehr wenig Wein, weil viele selbst im Kleinen Wein erzeugen.
So sind rund zwei Drittel der 150000 Tonnen Trauben, die jährlich im
Land gelesen werden, für den Eigenverbrauch bestimmt. Konsequenterweise
gehört Khareba zur Garde der innovativen und ambitionierten Erzeuger,
die auf die Herausforderung Export setzen. 1995 von den drei Brüdern
Kharebava gegründet, werden unter der Marke 800 Hektar Reben
bewirtschaftet und jährlich rund 500 Tonnen Trauben von Winzern
zugekauft. Khareba baut an zwei Standorten Wein aus. Der eine befindet
sich in Kachetien, im Osten des Landes, der andere in der westlichen
Region Imeretien. Das Unternehmen produziert zwei Millionen Flaschen im
Jahr. Es gibt 30 unterschiedliche Weine. Bald soll ein dritter Keller
für den Weinausbau errichtet werden.
Noch verkauft Khareba 80 Prozent
seiner Produktion in den traditionellen Märkten – Russland und
Osteuropa. Neue Ziele werden jedoch bereits angesteuert: China,
Deutschland, England... Seit fünf Jahren setzt das Unternehmen auf
die Dienste des französischen Önologen Hervé Romat. Er erklärt: „Wir
wollen das Potenzial der lokalen Rebsorten zum Ausdruck bringen. Für die
Weißen suchen wir nach den besten Wegen für den Weinausbau. Wir haben
noch keine Markierungspunkte wie für die französischen Sorten. Dazu muss
man wissen, dass wir 15 verschiedene Sorten im Anbau haben. Auf der
anderen Seite wissen wir bei Rotwein, dass die Mazeration nicht sehr
lange dauern darf, weil die Hauptrebsorte, der Saperavi, sehr
gerbstoffhaltig ist”. In seinem modernen Labor ergänzt der junge
Manager und Kellerfachmann Vladimer Kublashvili: „Um den internationalen
Markt in Angriff nehmen zu können, haben wir in Ausrüstung investiert
und die Ertragskraft der Reben gezügelt.” Etwa 90 Prozent seiner Ernte
werden in Edelstahlbehältern aus Italien ausgebaut, sieben Prozent in
Tonamphoren nach der überlieferten Qvevri-Methode und drei Prozent in
Holzfässern. Im Gelände werden die Reben noch immer von Wachtürmen aus
in Augenschein genommen, in Erinnerung an die Anarchie in den
Neunzigerjahren.
Hier gibt es wenige internationale Rebsorten, mit
Ausnahme von Cabernet oder Merlot auf rund 15 Hektar. Die lokalen
Rebsorten, die der Stolz der Georgier sind, regieren hier: der rote
Saperavi und die Weißen Katsi, Mtsvane, Krakhuna oder Tsitska. „Wir sind
ein Weinland. Wir haben eine weltweit einzigartige Geschichte und
einzigartige Sorten. Wir müssen auf diese Trümpfe und auf Qualität
setzen, viel mehr als auf Menge”, fährt Vladimer Kublashvili fort.
Unterschiedliche Klimazonen
Im Osten des Landes, in Kachetien, wo die meisten Reben von
Khareba wachen, ist das Klima kontinental, trocken. Oft bläst der Wind.
„Es kommen hier wenig Krankheiten vor, daher kommen wir mit wenig
Pflanzenschutzmitteln aus”, erklärt Hervé Romat. „Im Westen, wo sich
unsere Rebflächen in Imeretien befinden, herrscht aufgrund der Nähe des
Schwarzen Meeres mehr ozeanisches Klima. Hier müssen wir mehr gegen
echten und falschen Mehltau behandeln.” Nirgends ist es nötig zu
bewässern, sei es, weil die Böden eine gute Wasserhaltefähigkeit haben,
sei es, weil gleichmäßig und ausreichend Regen fällt.
Ein Trumpf: Tourismus
Um sein Angebot zu vervollkommnen, setzt Khareba auf Tourismus.
2014 sind sechs Millionen Touristen nach Georgien gekommen, fünfmal
mehr als fünf Jahre zuvor. In Kachetien, wo 70 Prozent des georgischen
Weines erzeugt werden, empfängt sie Khareba zur Weinverkostung in seinem
Tunnel, einem immens großen Keller von sieben Kilometer Länge.
Nicht
weit davon begrüßt das Weingut Schuchmann pro Jahr fast 15000 Besucher
in seinem Boutique-Hotel-Restaurant. Von dem Deutschen Burkhard
Schuchmann 2008 zusammen mit einer georgischen Belegschaft gegründet,
produziert es 500000 Flaschen pro Jahr und will in den kommenden Jahren
auf zwei Millionen Flaschen anwachsen. Hier kommen die Barriques aus
Frankreich, die Tanks aus Bulgarien und die Flaschen aus Italien. Aber
auf den 120 Hektar Rebflächen wachsen nur lokale Sorten. Bei Weiß
hauptsächlich Rkatsiteli, die trockene, säurebetonte Weine hervorbringt,
und bei Rot Saperavi, deren Weine farbintensiv, alkoholreich und
gerbstoffbetont sind.Schuchmann peilt neue Märkte an. Das
Unternehmen erzeugt 15 verschiedene Weine, davon 30 Prozent in Qvevris,
diesen Tonamphoren in altüberlieferter Tradition. „Wir wollen uns
europäischen Ländern zuwenden sowie China, der Mongolei und den alten
Märkten aus Sowjetzeiten, die des Wodkas überdrüssig sind, wie
Usbekistan und Kasachstan”, erklärt Ilia Datunashvili, einer aus der
Führungsmannschaft, um dann zurückhaltender fortzufahren: „Wir werden in
Georgien immer weniger erzeugen als in Frankreich oder in Chile, aber
wir haben ein echtes Entwicklungspotenzial.”
Im Weingut Schuchmann in Kachetien werden die Trauben
der 120 Hektar Reben lokaler Sorten von Hand geerntet.