Fachliches
| 16. November 2017
Hightech in der Traubenproduktion
Von Professor Alois Geyrhofer, HBLA und BA Klosterneuburg, Österreich
Der Umgang mit Boden, Reben und Maschinen prägt die Arbeit des Winzers in Rebanlagen. Trotz guter Mechanisierung ist ein großer Arbeitsaufwand üblich. Dieser wirft Fragen nach leistungsfähigerer Technik, nach Hightech auf.
Hightech in Rebanlagen muss im Betrieb richtig eingebunden und sinnvoll organisiert sein. Da sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren für die weinproduzierenden Unternehmen ständig verschärft haben, benötigt die Führung vermehrt Informationen über Arbeitszeit, Arbeitsplanung und Arbeitsorganisation, Maschinen- und Betriebsmitteleinsatz sowie Kosten der Arbeitserledigung (Arbeits-, Maschinen- und Gebäudekosten).
In Anbetracht dessen stellt sich die Technikentwicklung mit einer breit gefächerten und stärker die Automatisierung betonenden Technik auf die veränderten Bewirtschaftungsbedingungen ein. Nicht nur Lösungen für leistungsfähigere Maschinen und Geräte sind verfügbar. Darüber hinaus bewirkt deren Feinsteuerung und -regelung über rechnergestützte Systeme eine verbesserte Arbeitsqualität, einen energiesparenderen und umweltverträglicheren Einsatz sowie eine Senkung der Produktionskosten.
Mithilfe von Hightech werden die Tätigkeiten des Winzers teilweise oder ganz auf die Technik übertragen. Es sind heute vielfältige Anwendungsmöglichkeiten – von Fahrerinformationssystemen bis hin zu modularen Datenerfassungssystemen – vorhanden, die das Zusammenspiel Mensch–Technik fortschreitend optimieren.
Hightech im Weinberg
Antriebstechnik, Düngung, Rebenschutz, Bewässerung
und Ernte sind in Rebanlagen zu einem Gesamtsystem „Traubenproduktion”
zu verknüpfen. Dabei stellt die Ortung als Basis der räumlichen
Zuordnung die Schlüsseltechnologie dar; sie erlaubt den Aufbau von in
sich geschlossenen Produktionssystemen.
Antriebstechnik: In Traktoren
werden zunehmend komplexe Steuerungs- und Regelungssysteme eingesetzt,
bei denen mechanische, hydraulische, pneumatische und elektronische
Komponenten zusammenwirken. Ein elektronisches Steuergerät (Electronic
Control Unit, ECU) übernimmt dabei die Funktionssteuerung oder
-regelung. Die wichtigsten Anwendungsbereiche sind
- das Allrad- und Differentialsperrmanagement, mit dem sich durch elektronische Zu- und Abschaltung der Baugruppen höchste Zugleistung erreichen, Schlupf minimieren, Sicherheit garantieren, Arbeit erleichtern sowie Arbeitszeit- und Treibstoffbedarf verringern lassen;
- die elektronische Hubwerksregelung (EHR), die in digitaler Form neben dem Überwachen von vorgegebenen Arbeitsgrößen in der Kraftheberanlage auch Antischlupfregelung, Lastmanagement, Einstellhinweise und Bodenwiderstandsinventur ermöglicht;
- das Antriebsstrangmanagement, bei dem die Elektronik Motor-, Getriebe- und Zapfwellensteuerung verbindet und ein kraftstoff- und zeitsparendes Arbeiten zum Ziel hat;
- das Common-Rail-System, das sich durch Hochdruckspeicherung des Kraftstoffs im Verteilerrohr (englisch rail) und kennfeldgesteuerte Einspritzung in die Brennräume auszeichnet und eine Senkung des Kraftstoffverbrauchs und der Abgasemissionen bewirkt;
- das leistungsverzweigte Getriebe, dessen Steuerung und Regelung über die Getriebeelektronik erfolgt, wodurch ein stufenlosen Anfahren und Rückwärtsfahren (hydraulische Getriebeteile) oder abgestuftes Vorwärtsfahren (mechanische Getriebeteile) realisierbar ist;
- die Datenübertragungssysteme, wo
fahrzeugintern in der Regel ein oder mehrere CAN-BUS (Controller Area
Network, Netzwerkkontrollsystem) und zwischen Traktor und Arbeitsgeräten
der ISO-BUS (Binary Unit System, binäre Systembaugruppe) immer mehr an
Bedeutung gewinnen.
- die Bodeninventur und -prüfung, indem modernste Analysegeräte die Erfassung von Bodenart, -zustand und Grundversorgung mit Nährstoffen möglich machen;
- die Nährstoffortung, bei der entweder über Satelliten – US-amerikanisches NAVSTAR/GPS (Navigation System with Time and Ranging-Global Positioning System, Genauigkeit ≤ 13 m) und DGPS (Differential-GPS, Genauigkeit ≤ 2,5 cm) oder zukünftig europäisches Galileo – oder über Flugdrohnen (Infrarotspektroskopie) die Bestimmung der Objektpunkte erfolgt und in geografischen Düngemanagement-Programme mündet.
Rebenschutz, Bewässerung und Ernte
Rebenschutz: Maßnahmen des Rebenschutzes zur Ertragssicherung
erfolgen chemisch, physikalisch oder chemisch-physikalisch; die
höchsten Mitteleinsparungen lassen sich erreichen mithilfe von
- computergesteuerter Regelung der Ausbringungsmenge, wobei mit ISO-BUS-fähigen Elektronikausstattungen (ISO 11783) – bestehend aus Bedienterminal, optischen Sensoren, Messwertaufnehmer (Fahrgeschwindigkeit), Controller und je einem Magnetventil pro Düsenstation – der Flüssigkeitsstrom der Düsen beim Ausfahren aus der Rebengasse oder bei Lücken im Rebenbestand unterbrochen wird;
- geographischen Informationssystemen (GIS), die ein Weinbaugebiet mittels digitalisierter Luftbilder und Satellitenkarten bis ins Detail analysieren und somit die Grundlage für digitale Rasterkarten liefern, die wiederum die Basis für die Steuerung der Rebschutzgeräte über Bordcomputer bilden;
- GPS-Empfängern, anhand derer sich die Maschinen und Geräte im Rahmen des Precision Spraying einsetzen lassen.
- Sensoren, mit denen die Feuchtigkeit in der Pedosphäre (Erdboden) und in den Reben (Dendrometer) gemessen wird;
- meteorologische Stationen, um physikalische Größen aus der Atmo- und Biosphäre zu erfassen.
Ernte:
Die Ziele Verringerung der Arbeitskosten durch Steigerung der
Ernteleistung und Senkung der Terminkosten (Rüstzeiten, Wetterrisiko)
führten zur Entwicklung der maschinellen Traubenernte. Als mobile
GPS-gesteuerte Erntemaschinen ermöglichen sie zukünftig eine Automation
des gesamten Ernteverfahrens.
Hightech in der Betriebsführung
Immer öfter sind auf den Dächern von Schleppern Empfangsanlagen für Satelliten-Ortungsdaten
zu sehen.
Für den systemübergreifenden Datenaustausch sind aufeinander abgestimmte Spezialtechniken wie die Elektronikform der Geräte, Universaltechniken („mobile Weinbaucomputer”) und Datenübertragungssysteme (CAN-BUS, ISO-BUS, GSM-Standard, Bluetooth, GPS) erforderlich. Damit ist die Grundlage geschaffen, möglichst genaue Daten des gesamten weinbaulichen Produktionsprozesses aus den einzelnen Weinanlagen zu gewinnen und zu verarbeiten.
Derartige Hightech-Systeme können in einem Weinbaubetrieb in aufeinanderfolgenden Schritten durch modulare Datenerfassungssysteme verwirklicht werden. Sorgfältige Planung, gezielter Einstieg und Kontinuität – auch bei Rückschlägen – sind allerdings Voraussetzungen für den erfolgreichen Hightech-Einsatz im Weinbau.