Wein und mehr | 04. August 2016

Hochprozentig und rar

Von Marie-Line Darcy
Nach Cognac und Armagnac ist Lourinhã in Portugal der dritte Weinbrand in Europa mit dem Status einer kontrollierten Herkunftsbezeichnung. Ein rares Erzeugnis, dem sich nur zwei Unternehmen widmen.
In der Region Lourinhã, rund 80 Kilometer nördlich von Lissabon, steht der gleichnamige Weinbrand für eine lange Tradition der Brennerei.
Man hat in der Gegend von Lourinhã, 80 Kilometer nördlich von Lissabon gelegen, eine Zeitlang daran gedacht, dem lokalen Weinbrand den Namen „Lourinhãc” zu geben, damit er ähnlich ausgesprochen wird wie Cognac und Armagnac. Aber die Region heißt Lourinhã und das Erzeugnis trägt letztlich den gleichen Namen.Lourinhã hat den Status der kontrollierten Herkunftsbezeichnung (DOC in Portugal) 1992 erhalten und wurde damit zum dritten Weinbrand in Europa mit dieser Einstufung, nach den zwei älteren berühmten „Verwandten” aus Frankreich.  Anders als Cognac und Armagnac läuft die Produktion von Lourinhã  fast im Verborgenen ab. Obgleich das Erzeugnis Erbe einer langen Tradition der Destillation ist.
Die Region hat lange Zeit Alkohol für die Portweinbereitung zugeliefert. Dem Lourinhã werden heute jedoch nur rund 50 Hektar gewidmet aus einem Einzugsgebiet, das als Tafelweinregion weit bedeutender ist: 20 Millionen Flaschen pro Jahr kommen von hier. Diese Region, Estremadura, wurde jüngst umbenannt in „Region der Weine von Lissabon”, um vom Bekanntheitsgrad der Hauptstadt zu profitieren.
Nur zwei Unternehmen erzeugen den DOC-Weinbrand. Den Löwenanteil beansprucht Adega, die Genossenschaft von Lourinhã, für sich, mit einem Anteil von 75 Prozent der Produktion. Die Trauben erhält sie von rund 20 Winzern. Die Genossenschaft kümmert sich um Weinausbau, den Brand, die Reifung, die Abfüllung und den Verkauf. „Wir lagern zurzeit 1000 Hektoliter Weinbrand bei uns. Und wir füllen jährlich 10000 Flaschen ab, die wir als DOC verkaufen”, erläutert der Geschäftsführer der Genossenschaft, João Pedro Catela.
15 Rebsorten zugelassen
Für João Catela, der die Genossenschaft von Lourinhã führt, sind schöne Eichenfässer das Geheimnis einer erfolgreichen Reifung.
Wie in Cognac segmentiert sich das Angebot über die Reifedauer des Destillats. „VS” steht für drei Jahre, „VSOP” für vier Jahre und „XO” für fünf Jahre und mehr. „Wir erzeugen nur XO mit sieben Jahren. Uns fehlt es an Lagerraum, um wie in Cognac Weinbrand zu vermarkten, der 40 Jahre alt ist”, erklärt João Catela.   
Adega verkauft 90 Prozent seiner Produktion im Lebensmitteleinzelhandel Portugals. Der Endverbraucherpreis liegt zwischen 36 und 40 Euro für die 0,7-Liter-Flasche. „Wir bekamen schon zu hören, dass das teuer sei. Aber verglichen mit den hochwertigen Gins, die gerade in Mode sind, stimmt das nicht. Und wir wollen schließlich eine Wertschöpfung für unsere Lagen erreichen”, betont der Geschäftsführer. 15 Rebsorten sind zugelassen, darunter drei rote. Die Reben werden als Kordon oder als Lyra erzogen. Sie müssen mindestens vier Jahre alt sein, um zur kontrollierten Ursprungsbezeichnung gehören zu können. Die Nähe zum Atlantik verleiht den Weinen die charakteristischen Eigenschaften, wie sie für den Brand benötigt werden.
In der Genossenschaft von Lourinhã werden die „XO”-Flaschen, das heißt die Erzeugnisse, die mehr als fünf Jahre alt sind, von Hand etikettiert.
„Man erntet bei 73 bis 76 Grad Öchsle. Die Weine haben einen geringen pH-Wert (zwischen 2,8 und 3,0) und eine hohe Säure, mit nahezu 10 Gramm/Liter Weinsäure. Wir wollen diesen Säuregehalt als Schutzwall gegen Oxidation”, erklärt Nuno Silva, der für den Weinausbau in Quinta do Rol zuständig ist – des zweiten Erzeugers von Lourinhã, ansässig im benachbarten Dorf Miragaia. Schwefelung ist beim Weinausbau und für die Konservierung nämlich verboten. Die Weinbaukommission der Weinregion von Lissabon, die den kontrollierten Herkunftsstatus zertifiziert, erteilt in diesem Punkt keinen Spielraum, weil jedwede SO2-Zugabe die „Klarheit” des Produktes beeinträchtigen würde.

 
Alarmanlage für Brennkessel
Das Brenngerät der Quinta do Rol wird über einen Holzofen befeuert. Es wird sehr darauf geachtet, dass dabei die Temperatur konstant bleibt.
In der Quinta do Rol holt man die Destillationsapparate erst hervor, wenn gebrannt wird. Die restliche Zeit über sind sie weggeschlossen und mit einer Alarmanlage gesichert. Das Weingut hatte schon Kupferdiebstahl zu beklagen und man möchte nicht das Schicksal von Nachbarn teilen, denen schon das komplette Brenngerät abmontiert wurde, mit dem sie ihren Hausschnaps brannten. Wenn gebrannt wird, sind zwei Mitarbeiter des Weingutes  – Bruno und André –  morgens um sechs Uhr zur Stelle, um das Feuer unter den Brennkesseln zu entfachen. Als Brennstoff dient ausschließlich Holz. „Wir arbeiten in erster Linie mit dem kontinuierlichen System, wie für Armagnac. Das beherrschen wir am besten. Wir schaffen fünf Durchgänge pro Tag, das heißt, wir verarbeiten täglich 2500 Liter Wein. Während des gesamten Brennvorgangs müssen wir schauen, dass die Temperatur konstant bleibt, um ein Destillat zu erhalten, das sich am Gaumen weich präsentiert”, erläutert Bruno.
Die Reifung ist das Geheimnis eines guten Branntweins. Das gilt für die Genossenschaft und die Quinta do Rol gleichermaßen. „Unsere Barriques sind aus französischer und portugiesischer Eiche sowie aus Kastanienholz. Der ‚Anteil für die Engel‘ (was natürlich verdunstet) beträgt bei uns aufgrund des Klimas in den ersten beiden Jahren etwa fünf Prozent pro Jahr, danach jährlich nur noch zwei Prozent. Nach dem Reifungsprozess wird der Alkoholgehalt mit destilliertem Wasser auf 40 Volumenprozent eingestellt,” ergänzt Bruno.
Die Quinta do Rol widmet 15 Hektar Reben der Produktion von Lourinhã. „Das ist eine strategische Entscheidung unseres Betriebes. Wir entwickeln ein Markenimage auf Basis eines hochwertigen Produktes mit guter Wertschöpfung. Es ist ein schönes Produkt, aber man braucht dafür ein breites Kreuz und Geduld, um es zur Geltung zu bringen”, bemerkt Ulisses Cortès, der Produktionsleiter der Quinta do Rol.
Trotz seiner Vorteile leidet der Lourinhã darunter, dass er nur ein kleines Produktsegment ist in einer Marktumgebung, in der braune Schnäpse gegenüber klaren an Boden verlieren. Dennoch hält der Lourinhã kontrollierten Ursprungs in seinem bernsteinfarbenen Gewand, mit seinen Aromen von Vanille, Karamel und Trockenfrüchten dem Vergleich mit seinen großen Schwestern Cognac und Armagnac stand. 
Die Zehner-Regel
Der Weinbrand der kontrollierten Herkunftsbezeichnung Lourinhã präsentiert sich ansprechend bernsteinfarben.
In Lourinhã braucht man zehn Liter Wein und zehn Euro, um einen Liter Branntwein zu erzeugen. Danach braucht es zehn Jahre Reifung, um ein gutes Produkt zu erhalten. So heißt es. Angesichts dieser Ansprüche und der geringen Größe der kontrollierten Ursprungsbezeichnung (Appellation) zögern viele Winzer, sich in dieses Abenteuer zu stürzen. José Manuel Bento zum Beispiel, Eigentümer von 48 Hektar Reben, würde gerne seine eigene Marke kreieren können, um die Wertschöpfung für sich zu erhöhen. Mangels Unterstützung für den Bau eines neuen Kellers und mangels eigener finanzieller Mittel bleibt er Genossenschaftswinzer und liefert dorthin weiter seine Trauben.
Die Stadtverwaltung von Lourinhã möchte Bewegung in die Sache bringen: „Wir versuchen in ein regionales Entwicklungsprojekt hineinzukommen, um Fördergelder zu erhalten, die der Weiterentwicklung der DOC Lourinhã zugute kommen sollen. Unsere Region ist es wert, dass sie durch mehr bekannt wird als durch Dinosaurierknochen, die man hier im Übermaß findet”, erklärt der Stadtverordnete Fernando Oliveira.