Wein und mehr
| 16. November 2017
Hokkaido - das japanische Eldorado
Von Thierry Joly
Auf der nördlichen japanischen Insel Hokkaido ermöglicht die Klimaerwärmung, dort französische Rebsorten anzubauen. Diese Entwicklung zieht viele Investoren an.
Für die Winzer von Hokkaido ist die Klimaerwärmung spürbar und nützlich zugleich. „Zuvor konnten wir nur deutsche Rebsorten anbauen. Heute gelingt auch der Anbau französischer Sorten”, bestätigen Kiichiro Oichi und seine Frau Masami, die 2013 das Weingut Occi Gabi gegründet haben. Es befindet sich bei Yoichi, etwa 60 Kilometer westlich von Sapporo.
Das Gut hat sechs Hektar Reben: Spätburgunder und Grauburgunder, Muscadet und sechs Hybriden von Cabernet Sauvignon in einer Pflanzdichte von 3000 Rebstöcken je Hektar. Das Paar vekauft seine Weine in einem kleinen, schicken Laden und führt ein Restaurant mit Panoramablick auf die Reben. Das Ziel ist, die zahlreichen Touristen in dieses bergige Hinterland zu locken.
Das Gut hat sechs Hektar Reben: Spätburgunder und Grauburgunder, Muscadet und sechs Hybriden von Cabernet Sauvignon in einer Pflanzdichte von 3000 Rebstöcken je Hektar. Das Paar vekauft seine Weine in einem kleinen, schicken Laden und führt ein Restaurant mit Panoramablick auf die Reben. Das Ziel ist, die zahlreichen Touristen in dieses bergige Hinterland zu locken.
„Die Region hat alles, um zum japanischen Napa Valley zu werden”, versichern sie. „Vor 40 Jahren, als wir unser Weinbaugebiet Tsurunuma nordöstlich von Sapporo begründet haben, pflanzten wir ausschließlich deutsche Sorten: Kerner, die bekannteste der Insel, Müller-Thurgau, Zweigelt... Heute haben wir auch Sauvignon blanc, Chardonnay, Weißburgunder, Grauburgunder und Spätburgunder”, ergänzt Kimihiro Shimamura, Chef von Hokkaido Wine.
Spürbarer Klimawandel
Hokkaido Wine ist eines der ältesten Weingüter der Insel und das
bedeutendste. Es hat seinen Sitz mit Keller und Verkaufsraum nahe bei
Otaru, 20 Kilometer vor Yoichi. Es produziert die Hälfte der Weine von
Hokkaido – 2,5 Millionen Flaschen pro Jahr und fast 100 Cuvées.
Gut
70 Prozent entstammen Vitis labrusca-Reben, der Rest kommt von Vitis
vinifera. Die Trauben kommen zu 20 Prozent der 100 Hektar von
Tsurunuma-Reben der Region Yoichi, bei denen die Erträge vier
Tonnen/Hektar erreichen. Das Unternehmen kauft zudem Trauben von
300 Winzern der Region Yoichi zu.
Für Vitis labrusca erhalten sie
80 Cent pro Kilogramm und für französische Sorten 4,60 Euro pro
Kilgramm. Als Folge des Klimawandels ist der Anteil
der Weißweine auf 60 Prozent gesunken, die Roten und Rosés haben
entsprechend zugelegt. Letztere sind auf der Insel noch nicht so gängig,
wenngleich Rosé-Sekte einen Aufschwung erleben.
Schnee im Oktober
Besonders in der Winery Yamazaki, gegründet 1998 nordöstlich von Sapporo von Taichi Yamazaki, einem ehemaligen Lehrer. „Aus Leidenschaft heraus, und um zur Entwicklung meiner Region beizutragen. Seither sind einige Nachbarn meinem Beispiel gefolgt”, erklärt er.
Seine elf Hektar Reben auf kleinen Hügeln sind ausschließlich mit französischen Sorten bepflanzt. Die Südhänge hat er für Merlot und Sauvignon blanc reserviert, damit sie gut ausreifen. Chardonnay und Spätburgunder erwiesen sich als robuster.
„Sie bringen fast überall was”, beobachtet Taichi Yamazaki, der wegen seiner Frühreife auch noch die Sorte Bacchus pflanzen will: „Unser Hauptrisiko ist Schnee im Oktober, bevor die Weinlese beendet ist.” Auf der anderen Seite gibt es mit Hagel und Frost keine Probleme, obwohl die Temperaturen im Winter bis auf minus 20 Grad sinken können.
Mächtige Schneedecken als Frostschutz
Schneedecken, die ein bis zwei Meter mächtig
sind, schützen die Reben. Zudem werden die Reben nach dem Schnitt vom
Drahtrahmen genommen und Ende April wieder aufgedrahtet. „Dieser
Eingriff schützt vor Frost, auch wenn er die Lebensdauer der Reben auf
20 Jahre begrenzt”, betont Yuki Kasai, der Kellermeister von Hokkaido
Wine.
Die Winter sind auf Hokkaido strenger als im restlichen Japan,
aber die Insel profitiert auch von einem gewichtigen Vorteil: weniger
Regen im Sommer. „Gegen Echten und Falschen Mehltau reichen in der Regel
fünf bis sieben Behandlungen. Das ist die Hälfte weniger als auf
Honshu, der Hauptinsel Japans”, stellt Kiichiro Oichi fest, der dort
früher selbst tätig war.
Mit Schädlingen gibt es wenig Probleme, einmal
abgesehen von Säugetieren, die manchmal zuschlagen. „Wir müssen die
jungen Pflanzen vor Damwild schützen und zweimal haben Bären große
Schäden in unseren Reben angerichtet”, erläutert Kimihiro Shimamura.
Reben und Kellereibedarf aus Frankreich
Arbeitskräfte sind ein Bereich, der den Winzern Sorge bereitet. Yuki
Kasai klagt: „Unsere Mitarbeiter müssen manchmal den Bauern helfen, die
uns die Trauben liefern, weil die Jungen zur Feldarbeit nicht bereit
sind.” Trotzdem wird von Hand gelesen, wegen der kleinen Parzellen und
um den Boden zu schonen. „Wir haben mit der mechanischen Lese aufgehört,
weil das Gewicht der Maschine den Boden verdichtete und die Wurzeln
beschädigte”, betont Kasai.
Bei
Occi Gabi und Yamazaki werden die Trauben bei der Lese in kleine Kisten
gelegt, wandern über vibrierende Sortiertische und werden dann per
Schwerkraftprinzip weitergeleitet, ebenso wie der Most. Klimatisierte
Keller, Tanks mit Temperatursteuerung und Einlagerung in Fässer aus
französischer Eiche sind die Regel. Jedenfalls für die Spitzenweine von
Hokkaido Wine, das seine Einrichtung vor drei Jahren modernisiert hat.
Auch die Flaschen kommen aus Frankreich. „Die japanischen
Glashersteller stimmen sich über die Preise ab und berechnen zu hohe
Preise, wenn man andere Modelle wünscht als die für Saké”, unterstreicht
Kiichiro Oichi. All diese Weine gehen für zehn bis 30 Euro je Flasche
in den Verkauf, in etwa je zur Hälfte auf der Insel und im übrigen
Japan.
Bei Occi Gabi und Yamazaki gilt dasselbe Preisgefüge. Sie setzen
60–80 Prozent ihrer Produktion direkt am Platz oder per Versand ab. „Es
kommen Kunden aus Honshu, um meine Weine zu probieren”, betont Tachai
Yamazaki. „Ich habe einen Sponsoring-Club gegründet, dessen Mitglieder
jedes Jahr eine Flasche gratis erhalten. Aber sie müssen sie bei uns
abholen, damit wir sie zum Kaufen animieren können”, erläutert Kiichiro
Oichi. Nur Hokkaido Wine exportiert ein wenig nach Asien.
Wo Erfolg ist, sind Nachahmer
Der Erfolg der örtlichen Erzeuger lockt auch Nachahmer. „Durch Kontakt zu Taichi Yamazaki habe ich gesehen, dass man hier gute Weine erzeugen kann. So habe ich mich entschieden, selbst den Start zu wagen”, bestätigt dies Hirofumi Hamada, ein Akademiker im Ruhestand, der im vorigen Jahr zwei Hektar Reben gepflanzt hat.
Des Weiteren ziehen die geänderten klimatischen Verhältnisse und die Grundstückspreise Winzer anderer Regionen an, so wie Kiichiro Oichi. „Die Weine aus französischen Sorten verkaufen sich hochpreisiger und es ist leicht, Grund und Boden für die Pflanzung zu erschwinglichen Preisen zu finden, weil viele Bauern keine Nachfolger haben”, erläutert er.
Innerhalb von sechs Jahren hat die Zahl der Weingüter von 16 auf 33 zugenommen. Und die Entwicklung läuft weiter. Große Akteure der japanischen Getränke-Branche wie Suntory, Kirin und Asahi halten Ausschau nach Land, um hier Güter zu gründen. Auch der französische Winzer Etienne de Montille aus Puligny-Montrachet will hier 2019 zusammen mit einem japanischen Partner einen Weinberg anlegen. „Wir werden Sorten aus Burgund pflanzen, nahe bei Hakodate, an der Südspitze der Insel. Hier fällt der Schnee nicht so früh und nicht so ergiebig”, sagt er.