Nachrichten | 08. Juni 2020

Mit Dampf aus der Corona-Talsohle

Von Walter Eberenz
Bruno Metz (61) ist seit 1995 Bürgermeister der Stadt Ettenheim, innerhalb deren Gemarkungsgrenzen rund 200 Hektar Reben wachsen. Wir sprachen mit ihm über Weinbaubereiche und die Herausforderungen für den Weinbau in Pandemie-Zeiten.
Bruno Metz, Bürgermeister der Stadt Ettenheim, stammt aus Oberkirch, wo die Eltern Nebenerwerbslandwirtschaft mit Obst- und Weinbau betrieben. „Der Weinbau ist Teil der Kultur dieser Region und er prägt die Menschen”, betont Metz.
Wenn man von Süden Richtung Ettenheim fährt, kommt zuerst das Schild Ortenau und dann Ettenheim. Die Stadt nennt sich ja selbst „Die südlichste Stadt der Ortenau”. Sie steht aber für den Weinbaubereich Breisgau und rührt dafür kräftig die Werbetrommel mit. Betreiben Sie doch bitte etwas Aufklärung für Unkundige über diesen offenbar nur scheinbaren Widerspruch.

Ich nehme an, dass das noch daher rührt, als der Weinbau sich an den ganz alten Grenzen orientiert hat. Tatsächlich gehören wir heute politisch zum Ortenaukreis und weinbaumäßig zum Breisgau, wie übrigens auch die nördlich von uns gelegenen Orte bis nach Friesenheim. Die nördliche Weinbaugrenze Ortenau/Breisgau verläuft so etwa in der Mitte zwischen Lahr und Offenburg. 
Umso wichtiger ist, dass wir das Weinland Baden miteinander voranbringen. Im Zweifel werden im Ausland wenige wissen, wo genau die Ortenau liegt, der Breisgau oder das Markgräflerland. Ich glaube, da ist es gut, dass wir die Dachmarke Baden haben.

Regional treten Sie aber klar für den Weinbaubereich Breisgau ein?

Ich komme aus der politischen und weinbaulichen Ortenau, aus Oberkirch. Eine frühere Initiative, die Weinbaugrenzen mit den Kreisgrenzen stimmig zu machen, hat nicht zum Erfolg geführt. Wir sind im Breisgau strukturell etwas schwächer aufgestellt. Sowohl nördlich als auch südlich von uns gibt es größere traditionelle Weinbaubetriebe sowie Winzergenossenschaften mit eigenen Kellern. Hier in der ganzen Raumschaft gibt es ja fast ausschließlich trockene WGs mit Anschluss an den Badischen Winzerkeller, daneben viele sehr gute Weingüter im Breisgau wie in Ettenheim.
Wir haben Weinqualitäten, die ganz vorne mitmischen können, insbesondere bei den Burgundersorten. Wir müssen unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Der Breisgau wird aber nicht zuallererst über den Weinbau wahrgenommen. Deswegen war mir wichtig, dass wir auch als Stadt Aktivitäten für den Weinbaubereich Breisgau unterstützen und Neues auf den Weg bringen.

Nun müssen wir leider auch über Corona reden. Was bekommen Sie denn von den Weinbaubetrieben mit: Wie gehen sie damit um, wie leiden sie darunter?

Der Weinbau gehört zu den Branchen, die leiden, weil der Umsatz in der Gastronomie weggebrochen ist und weil viele Veranstaltungen nicht stattfinden konnten. Wir haben seit 20 Jahren eine Weinmesse im April. Die ist dieses Jahr natürlich auch Corona zum Opfer gefallen. Es fehlen den Winzern Umsatzmöglichkeiten, es fehlen Präsentationschancen. Weinbau hat ja auch etwas mit der Kultur zu tun und die Weinfeste, die Weinaktivitäten, von denen wir auch in Ettenheim eine ganze Menge haben, finden seit Mitte März alle nicht mehr statt. Und wir wissen noch nicht, wann es wieder anläuft. Deswegen unterstützen wir die Betriebe bei Aktivitäten, soweit wir es können. Aber die Corona-Verordnung gilt natürlich auch in Ettenheim. Erfreulich sind kreative Aktivitäten in der digitalen Welt und den sozialen Medien. Das eröffnet neue Chancen.

Nun hat ja der Breisgau vor einigen Jahren erst eine umfassende Image- und Werbekampagne ins Leben gerufen. Sie gehören zu den Mitbegründern. Inwieweit nehmen Sie Corona hierfür als Dämpfer wahr?

Ja, es ist ein junges Projekt. Ich war damals zusammen mit dem damaligen Bereichsvorsitzenden Dietrich Jörger, der leider nicht mehr unter uns ist, Mitinitiator. Wir haben zusammen mit der Fachhochschule an der Westküste Ideen entwickelt. Bei vielen Veranstaltungen haben wir dafür geworben, dass der Weinbau nicht solitär im Raum steht, sondern dass er vielfältige Verbindungen zum Tourismus, zur Gastronomie, zum Lebensgefühl, zu den Vereinen hat.
Der Weinbau hat diese Region schon immer mitgeprägt und er prägt sie viel mehr, als es vielen bewusst ist. Uns geht es zum einen darum, klassisches Binnenmarketing zu betreiben, um die Breisgauer selber daran zu erinnern, welche tollen Produkte hier wachsen. Und natürlich geht es auch darum, die Winzer stärker zusammenzubringen, sie besser mit anderen Branchen zu vernetzen – um unter dem Strich natürlich auch den Wein besser verkaufen zu können. Die Pandemie ist hier klar ein Dämpfer. Nach Corona werden fast alle weniger Mittel zur Verfügung haben als vorher. Und so ist ein noch junges Projekt wahrscheinlich eher gefährdet  als eines, das schon seit Jahrzehnten selbstverständlich dazugehört.

Wie lautet Ihre persönliche Prognose?

Ich hoffe sehr, dass es gelingt, auch mit dem Projekt  nach der Corona-Krise wieder mit Dampf, mit Drive aus der Talsohle herauszukommen. Isabelle Vetter macht da in Emmendingen eine tollen Job. Gerade beim Weinbau würde es mich freuen, wenn die Leute erkennen, welchen Wert sie da vor der Haustür haben. Ich denke, wir werden dafür nicht nur Monate, sondern wahrscheinlich Jahre brauchen. Je länger wir mit der  Pandemie zu tun haben, umso mehr Geld fehlt auf fast allen Ebenen. Das wird Einschränkungen bringen, in allen Lebensbereichen, im Konsum, bei den Investitionen. Und da ist der Weinbau natürlich auch Teil des Wirtschaftslebens. Umso mehr müssen wir darum kämpfen, dass die Menschen erkennen, welche Schätze sie vor der Haustür haben, hier in Baden, hier im Breisgau. Wir brauchen uns absolut nicht zu verstecken.