Nachrichten | 06. August 2021

Erhebliche Ausfälle sind vorgezeichnet

Von Walter Eberenz
Claus Burmeister ist Geschäftsführer und Winzer bei den Weingütern Heitlinger und Burg Ravensburg in Östringen-Tiefenbach im Kraichgau. Wir sprachen mit ihm über die Herausforderungen 2021 im Öko-Weinbau.
Sie bewirtschaften den größten ökologischen Weinbaubetrieb in Baden-Württemberg bzw. das größte biodynamische Weingut in Deutschland. Wie verläuft die Pflanzenschutz-Saison 2021 – was waren die größten Herausforderungen?

Claus Burmeister
Zu Anfang ein paar Eckdaten zu unserem Betrieb: Wir bewirtschaften 112 ha biozertifiziert und biodynamisch, vorwiegend schwere bis mittelschwere Böden. Davon sind über zwei Drittel der Flächen mit mehr als 30 % Steigung und rund 25 ha mit über 45 % Steigung. Der Rebsortenspiegel besteht aus rund 70 % Burgundersorten. Wir benötigen für die gesamte Rebfläche für einen Pflanzenschutzdurchgang – jede zweite  Gasse –   bei guten Bedingungen zwei Tage.
Die größte Herausforderung war, bei einem explodierenden Wachstum der Reben den schützenden Mittelbelag auf den Blättern und  Gescheinen oder Trauben zu halten, den Zuwachs zu schützen und den Belag schnellstmöglich nach den großen Regenereignissen zu erneuern. Für uns hat das konkret bedeutet, jede trockene Minute für den Pflanzenschutz zu nutzen und die Abstände kurz zu halten. Oft haben wir die Spritzen gar nicht abgehängt und direkt von vorne wieder angefangen. Insgesamt rechnen wir mit 16 Behandlungen in diesem Jahr.

Wie sind Sie den Herausforderungen begegnet und mit welchem Erfolg?

Zu den klassischen Bio-Mitteln haben wir Tees und Jauchen zur Pflanzenstärkung
ausgebracht (Schachtelhalm, Brennnessel, Knoblauch, Weidenrinde, Beinwell). Sind die Steillagen nicht rechtzeitig abgetrocknet, haben wir die Traktoren an die Seilwinde gehängt und hochgezogen oder mit dem Schlauch gespritzt. Da die Traktoren fast ausschließlich beim Pflanzenschutz waren oder es zu nass war, mussten viele Arbeiten, wie Entblättern, Laubschnitt und Unterstockbearbeitung, von Hand durchgeführt werden.
Unter Witterungsbedingungen wie 2021 oder 2016 ist es nicht möglich, die Peronospora im Weinberg ohne Schäden in den Griff zu bekommen, da es praktisch unmöglich ist, mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln die Krankheit zu bekämpfen. Totalverlust zeigt sich derzeit an Standorten, die schlecht abtrocknen oder an denen Pflanzenschutz nicht rechtzeitig durchgeführt werden konnte. Erfolg ist, dieses Jahr mehr als eine halbe Ernte einbringen zu können.

Rechnen Sie mit Auswirkungen auf Ertrag und Qualität und wie hoch schätzen Sie diese ein?

Sollte sich die Wetterlage stabilisieren, rechnen wir mit einem Verlust über den ganzen Betrieb von rund 30 %. Sollte es weiter regnen, möchten wir gar nicht an die Folgen denken. Was die Qualität anbelangt, ist es entscheidend, ob wir genügend gesunde Blätter an den Reben behalten, um die Trauben zur optimalen Reife zu führen. Wir können und wollen uns keine Qualitätsverluste erlauben, gegebenenfalls müssen wir also mittels zusätzlicher Ertragsreduzierungen weitere Einbußen akzeptieren, um unseren Qualitätsanspruch erfüllen zu können.

Welche Erwartungen haben Sie aufgrund dieser (erneuten) Herausforderungen an die Politik?

Dass endlich Voraussetzungen geschaffen werden, um dem Bioweinbau ein erträgliches Maß an Ertrags- und damit Existenzsicherheit zu garantieren. Nicht erst seit 2016 ist bekannt, dass solche Jahre Biowinzer extrem hart treffen. Solange keine ausreichend wirksamen Bio-Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stehen, müsste es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Möglichkeiten geschaffen werden, diese Risiken abzufedern. Denkbar wären kofinanzierte und bezahlbare Versicherungen, wie bei Hagel/Frost als Ernteausfallversicherung, oder eine angemessene Aufstockung der Zuschüsse für den Ökoweinbau. Völlig unverständlich ist, dass dies bei einer grün-schwarzen Landesregierung in Baden-Württemberg nicht schon längst installiert ist.
 
Wie beurteilen Sie angesichts der Wetterverhältnisse 2021 die Realisierbarkeit von 30 bis 40 Prozent Ökolandbau in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2030, wie es als Ziel im Biodiversitäts-Stärkungsgesetz steht?

Ich finde es toll,  sich solche Ziele zu setzen. Sollten wir als Berufsstand nicht sogar viel höhere Ziele anstreben? Es geht ja schließlich um die Zukunft der Landwirtschaft und unser kostbarstes Gut: die Böden und die Natur. Der Haken an der Sache ist, genügend Verbraucher auf der Nachfrageseite zu haben, die bereit sind, angemessene und nachhaltige Preise für die Bio-Produkte zu zahlen, sodass der Landwirt auch ein gutes und faires Einkommen trotz Mehraufwand und deutlich erhöhten Ernterisiken erhält. Solange dies nicht gelingt, sind die Ziele nur mit Ausgleichszahlungen an die Biolandwirte zu erreichen, oder es werden grüne Luftschlösser gebaut.