Nachrichten | 05. September 2019

Wyhl wirkt nach

Von Barbara Sester
Vom Widerstand gegen das in den 1970er-Jahren geplante Atomkraftwerk in Wyhl handelt der neue Roman „Kalter Nebel – Widerstand am Kaiserstuhl”, der jetzt im Badischen Landwirtschafts-Verlag erscheint.
Quer durch alle Bevölkerungsschichten gingen die Kaiserstühler in ihren Dörfern auf die Straße.
Am 10. September ist es so weit: Im Haus der Bauern wird die Anlieferung von 8000 frisch gedruckten Büchern erwartet. Die Freiburger Autorin Julia Heinecke komplettiert damit ihre Trilogie über die Familie Schocher: Nach „Kalte Weide” und „Kalte Herzen” nun also „Kalter Nebel”.
Heinecke hatte die Idee für einen dritten Roman,als sie „Kalte Herzen” schrieb. „Das nächste Buch könnte doch die 1970er-Jahre und den Widerstand der Winzer und Bauern gegen das Atomkraftwerk in Wyhl zum Thema haben”, schlug sie vor und stieß damit bei Verlags-Geschäftsführerin Barbara Sester auf offene Ohren.
Monika Schmitt, die beim Verlag für das Buchgeschäft zuständig ist, war gespannt, wie Julia Heinecke die Geschichte der Freiburger Familie Schocher und den tapferen Hütejungen Miggi aus der „Kalten Weide” in Verbindung zu dem neuen Romanthema bringen würde. So ist es gelungen: Die in Wyhl eingeheiratete Hannelore –  jüngste Schwester von Miggi – sowie sein jüngster Bruder Johann, als Polizist auf der Seite der Staatsmacht, sind die Protagonisten. Außerdem Miggis Nichte Klara, die im zweiten Buch als uneheliches Kind geboren wurde und nun als Freiburger Studentin im Widerstand gegen das AKW mitmischt.
Winzer reagierten zuerst
Die baden-württembergische Landesregierung wollte in den 1970er-Jahren am Kaiserstuhl ein Atomkraftwerk errichten, zunächst in Breisach. Mit einem großen Industriegebiet in der Rheinebene sollten Arbeitsplätze geschaffen werden. Auf der elsässischen Seite in Marckolsheim war ein Bleichemiewerk geplant. Man hatte jedoch nicht mit dem Widerstand gegen das Bauvorhaben gerechnet, der zunächst von den Winzern ausging. Sie befürchteten Qualitätseinbußen beim Wein, wenn Wasserdampf aus den Kühltürmen den Pilzdruck erhöhen würde.
Die Verantwortlichen verlegten kurzerhand den Standort an den westlichen Rand des Kaiserstuhls, nach Wyhl, wo man mit weniger Widerstand rechnete. Sie sollten sich täuschen. Redliche Winzer, Bauern, Handwerker, Hausfrauen und Studenten wurden zu  Atomkraftgegnern. Es ging ihnen nicht nur um ihre Existenzgrundlage, sondern auch um die Heimat. Als der Bau ohne Rücksicht auf ausstehende Gerichtsentscheidungen begann, besetzten die protestierenden Kaiserstühler den Bauplatz.
Heutige Bedrohung ist das Volksbegehren
Mit dabei war damals auch der heutige BLHV-Präsident Werner Räpple als Landjugendlicher der Ortsgruppe Oberrotweil. „Zu unseren Gruppenstunden luden wir Mitglieder vom Arbeitskreis Umweltschutz der Freiburger Uni ein. Sie klärten uns über  Radioaktivität und die unlösbare Frage der Endlagerung des Atommülls auf”, erzählt Räpple, der ein Vorwort zum Buch beigesteuert hat. Wenngleich „nicht an vorderster Front dabei”, wie Räpple betont, sei die Zeit für ihn als 16-jährigen Winzerlehrling  prägend gewesen und habe ihn für politische Themen sensibilisiert. Der Streit um das Atomkraftwerk entzweite das Dorf und manche Familie.
Neben  Räpple hat die Autorin mit vielen mutigen Zeitzeugen gesprochen. Ihre Geschichten sind jetzt in einer fiktiven Romanhandlung verwoben. In der klaren  Haltung, für etwas einzustehen, und sei es noch so unbequem, sieht die Autorin den Schlüssel zum Erfolg. Wie dieser aussah, ist bekannt: Das AKW wurde nie gebaut. Bis heute verbindet man mit dem Kaiserstuhl Weinbau – und nicht Atomkraft.
Welche Aktualität das Buchthema haben würde, konnte vor einem Jahr noch niemand ahnen. Klar war schon, dass es sehr gut in die Zeit passen würde: Das Interesse an Politik und Beteiligung wächst bei der jungen Generation wieder, ebenso das Bewusstsein für die Bedeutung der Heimatregion. Aber dann nahm zu Jahresbeginn das Thema Klimaschutz richtig Fahrt auf, bei dem regenerative Energien eine wesentliche Rolle spielen. Und dann ist der Weinbau am Kaiserstuhl heute wegen des Volksbegehrens für  Artenschutz bedroht: Winzer und Bauern fürchten erneut um ihre Existenz.
Schnellbesteller können gewinnen
„Kalter Nebel – Widerstand am Kaiserstuhl” hat 304 Seiten und ist wieder im handlichen Format und hochwertigen Hardcover gestaltet. Es kostet 15,80 Euro und ist im Buchhandel (ISBN 978-3-9818089-6-4) oder direkt bei unserem Verlag erhältlich: Monika Schmitt, Tel. 0761/27133-400, verlag@blv-freiburg.de. Unter den ersten 20 E-Mail-Bestellungen verlosen wir drei Bücher.
Am Donnerstag, 7. November, um 19.30 Uhr findet eine Lesung mit Julia Heinecke im Freiburger Haus der Bauern statt. Musikalisch untermalt wird sie vom Liedermacher und Wyhlaktivisten Roland „Buki” Burkhart.