Fachliches | 11. Januar 2021

Mit Schafen im Weinberg arbeiten

Von Jakob Hörl, Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg
Lange war die Beweidung im Weinberg vergessen. Nun wird sie langsam wieder zur gefragten Dienstleisung, wie beispielsweise eine Kooperation in Ebringen bei Freiburg zeigt. Dass die Schafe den Aufwuchs zwischen den Rebzeilen abfressen, ist nur einer von mehreren Vorteilen.
Die Schafe fressen die Begleitvegetation im Unterstockbereich und ebnen den Boden ein. Verholzte Triebe fressen sie nicht.
Für die meisten unter uns sind es eher ungewohnte Bilder, wenn eine Schafherde im Herbst durch die Reben streift. Dabei ist es eigentlich nichts Neues. Bis in die 1960er-Jahre war es sogar gängige Praxis, Schafe den Winter über im Weinberg weiden zu lassen. Winzer und Schäfer profitierten gleichermaßen: Ersterer war für die günstige Nährstoffzufuhr von außerhalb sowie das Abfressen des Aufwuchses dankbar. Letzterer freute sich über die Möglichkeit der Winterweide in schneefreien Regionen. Die zunehmende Mechanisierung und Spezialisierung im Weinbau sowie der Einsatz von modernen Betriebsmitteln führte dazu, dass die Tiere nur noch wenig Nutzen für den Winzer brachten.
Am Ebringer Sommerberg, einem westlichen Ausläufer des Schönbergs, lebt diese Tradition derzeit wieder auf. Hier weidet die 180-köpfige Schafherde von Matthias Gerteiser. Für den Schäfer ist es nach drei trockenen Sommern eine willkommene Möglichkeit, knappes Winterfutter einzusparen und seinen Tierbestand zu halten. Gleichzeitig ist die Beweidung wieder eine gefragte Dienstleistung. Das Weinbauinstitut Freiburg hat kürzlich Flächen für die Beweidung zur Verfügung gestellt, woraufhin sich weitere Winzer der Gemarkung Ebringen anschlossen.
Vorteile für den Weinbau
Der Aufwuchs zwischen den Rebzeilen und insbesondere im Unterstockbereich wird abgefressen. Eine hohe Besatzdichte in Kombination mit kurzen Standzeiten führen dazu, dass die Begleitvegetation gleichmäßig abgefressen wird.
Im Unterstockbereich können die Tiere Aufwürfe, die durch die mechanische Bodenbearbeitung entstanden sind, abflachen. Zeitweilig entstandene „Erosionsrinnen” werden ebenfalls zugetrampelt, ohne weitere Verdichtungen zu schaffen. Im Folgejahr kann die mechanische Bodenbearbeitung wesentlich leichter durchgeführt werden, da die Bearbeitungsgeräte effektiver im Boden laufen.
Die verholzten Triebe werden von den Schafen nicht abgefressen. Bei nachgesetzten Reben mit unzureichendem Wuchs und dementsprechend nicht abgeschlossener Holzreife sollten Parzellen mit hoher Nachpflanzdichte ausgezäunt oder die jungen Reben separat geschützt werden.
Wann beweiden?
Nach der Weinlese eignen sich die Weinberge als Weidefläche für Schafe.
Als Beweidungsperiode eignet sich die Zeit nach dem Herbsten bis zum Ausheben der verholzten Triebe. Sobald die Triebe in den Gassen liegen, ist von einer Beweidung abzuraten, da die Tiere die Ruten verziehen können und nachfolgende Bearbeitungsschritte behindert werden, insbesondere im Unterstockbereich.
Ist eine zweite Beweidung im Frühjahr geplant, sollte das Holz bald gemulcht oder gehäckselt werden. Die im Herbst abgefressene Begleitvegetation regeneriert sich den Winter über und im zeitigen Frühjahr – vor dem Knospenaustrieb – kann nochmals beweidet werden. So können Arbeitsschritte bei der Bodenbearbeitung und Begleitwuchsregulation eingespart werden.
Die positiven Auswirkungen von Schafsbeweidung auf den Boden und die Lebewesen im Weinberg sowie konkrete Umsetzungsmöglichkeiten werden im Projekt „Win-Win im Weinberg” untersucht.
Für den Schäfer Matthias Gerteiser und seine Schafe ist die Beweidung bereits heute eine gute Sache. Die Wiedereinführung des Doppelnutzungssystems Schafe im Weinberg kann als Baustein zur Ökologisierung des Weinbaus beitragen und gleichzeitig neue Geschäftszweige für die Schäferei eröffnen. Klar ist: Auch bei den zahlreichen Herbstspaziergängern lösen die Schafe in den Weinreben Erstaunen und Begeisterung aus.