Wein und mehr | 03. November 2016

Montenegro: Ein Riese und Däumlinge

Von Thiery Joly
Die staatliche Gesellschaft Plantaze dominiert die Weinszene in Montenegro. Daneben halten sich Familienbetriebe dank des Tourismus und dank staatlicher Unterstützung.
Rebenmeer in Ebene an Flussschleife: Plantaze, eine staatliche Gesellschaft, die 2006 teilprivatisiert wurde, bewirtschaftet 2310 Hektar Reben. Das Weingut der Gesellschaft ist das größte Europas.
Dass Montenegro Wein produziert, ist nicht zu übersehen. Unmittelbar vor der Landung in Podgorica, der Hauptstadt, erstreckt sich ein Rebenmeer unter den Tragflächen des Flugzeugs. Es handelt sich um Cemovsko, mit 2310 Hektar das größte Weingut Europas. Gepflanzt ab 1977, stehen hier heute 11,5 Millionen Rebstöcke. Dieses große Unternehmen gehört zu Plantaze, einer staatlichen Gesellschaft, der auch zwei Restaurants und fünf Ladengeschäfte gehören. Gegründet 1963, wurde Plantaze im Jahr 2000 teilprivatisiert. Das Unternehmen beschäftigt heute mehr als 600 Mitarbeiter. „44 Prozent des Kapitals werden von den Mitarbeitern  und von Kunden bereitgestellt”, erläutert Biljana Knezevic, die Verantwortliche für die Produktion.  
„Wir erzeugen 15 Millionen Liter pro Jahr, die wir fast ausschließlich in Flaschen vermarkten: ein Liter, 0,75 und 0,18 Liter. Wir machen noch ein wenig Bag-in-Box;  Offenwein geht so gut wie nicht mehr raus”, ergänzt sie.
Der Riese Plantaze und selbstbewusste Kleinbetriebe
Plantaze hat einen alten Tunnel wieder hergerichtet, um Touristen zu Verkostungen zu empfangen. Früher wurde der Tunnel von der Luftwaffe genutzt.
Das Unternehmen erzeugt hauptsächlich Rotwein (zwischen 70 und 75 Prozent), der Rest verteilt sich auf Weißwein, Rosé und Schaumwein. Das Sortiment umfasst mehr als 40 Weine, die zwischen 1,50 Euro und 120 Euro verkauft werden, wobei der größte Teil der Weine zwischen zwei und fünf Euro angesiedelt ist. Ziel ist, das Premium-Segment zu erweitern. Die komplette Ernte stammt vom Gut Cemovsko. Die Reben wachsen auf einer trockenen, kiesigen Ebene. Bei mehr als 80 Prozent der Reben wird von Hand gelesen. Zunächst wurde die Pflanzdichte auf 3800 Rebstöcke/Hektar festgelegt, dann ging man hoch auf 5000.
enta Vucinic, ein kleines Weingut, das vor zehn Jahren unweit der Hauptstadt gegründet wurde, produziert in erster Linie Rotwein, weil das Klima für Weißwein nicht passt.
Auf 70 Prozent der Fläche wächst Vranac - eine Rebsorte mit schwarzen Trauben, die aus Montenegro stammt, wie die Bewohner sagen. 200 Hektar sind mit der weißen Sorte Krstac bepflanzt. Sie wächst sonst nirgendwo. Der Rest wird von 24 anderen Sorten belegt, darunter Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay, Weißburgunder und Sauvignon blanc. Die Erträge bewegen sich zwischen 6–10 Tonnen je Hektar. Dank des trockenen Klimas reichen drei bis vier Behandlungen pro Jahr, um Krankheiten und Schädlinge unter Kontrolle zu halten.
Über den Winter beträgt die Durchschnittstemperatur zwölf Grad Celsius, im Sommer sind es 30 Grad Celsius, mit Spitzen bis 40 Grad. Bewässerung ist somit ein „Muss”. Zu 80 Prozent wird dies auf dem Gut über Tröpfchenbewässerung gewährleistet, der Rest wird konventionell beregnet. „22 Brunnen garantieren uns die Wasserversorgung”, erläutert Biljana Knezevic. Bei Zenta Vucinic, ebenfalls in der Nähe von Podgorica, aber etwas höher gelegen, sind die Verhältnisse etwas anders. Während Plantaze weder Frost noch Hagel kennt, kommt dort beides manchmal vor. „Das Klima ist unvorhersehbarer geworden”, sagt  Drasko Vucinic, der das Gut vor zehn Jahren gegründet hat. Er bewirtschaftet drei Hektar, mit 3500 Rebstöcken/Hektar Pflanzdichte  und Tröpfchenbewässerung. Die Produktion begrenzt sich auf 20 000 Flaschen pro Jahr, zu 70 Prozent ist es Rotwein.
Drasko Vucinic, Gründer von Zenta Vucinic. Das Gut bringt von drei Hektar Reben jährlich 20000 Flaschen Wein hervor.
„Die sommerlichen Temperaturen eignen sich für die Weißen nicht so gut”, sagt Drasko Vucinic fast rechtfertigend. Das Kleinstweingut Masanovic (ein Hektar, 3000 Flaschen) in Virpazar beim Skadarsee hat deswegen die Erzeugung von Weißwein ganz eingestellt. Außer, dass sie klein sind, haben Zenta Vucinic und Masanovic gemeinsam, dass sie die Rebsorte Marselan gepflanzt haben. „Sie ist bekannt dafür, dass sie sich mit ganz unterschiedlichem Wetter verträgt”, erklären beide. Diese Sorte steht neben Vranac, Kratosija, Petit Verdot, Sangiovese und Syrah. Die Pflanzen von gemeinsamen Rebsorten werden von Plantaze geliefert, das 800 000 Propfreben pro Jahr erzeugt.
Die Kellerei-Ausrüstung kommt aus Italien, Kroatien und Slowenien. Einzige Ausnahme: Die Fässer stammen aus Frankreich und den USA. „Wir verwenden künftig aber nur noch französische Fässer, die sind besser”, versichert Simo Knezevic, Kellermeister bei Plantaze. Wegen der hohen Temperaturen zur Lesezeit von Mitte August bis Mitte September ist es zwingend notwendig, Tanks mit Temperatursteuerung zu verwenden. Die Trauben, die zu Weißwein und Rosé verarbeitet werden sollen, werden bei der Annahme heruntergekühlt. 
Absatz vor allem an Touristen
Die kleinen Weingüter bekunden, dass sie keine Probleme haben, neben Plantaze zu existieren, „sofern die Qualität stimmt und der Preis akzeptabel ist”, wie Drasko Vucinic versichert. Er, der seine Kunden selbst aufsucht, verkauft seine Weine zwischen sieben und 18 Euro, vor allem im Sommer an der Küste der Adria, wo es jährlich 1,5 Millionen Touristen hinzieht. Während dieser Zeit empfängt er drei kleine Gruppen pro Woche, vermittelt von Reisebüros. Bei Masanovic sind es im Sommer drei bis fünf Gruppen pro Tag.
Tamara und Milotin Mansanovic vom gleichnamigen Weingut in Virpazar.
Biljana Knezevic ist Produktionsleiterin bei Plantaze, dem größten Weingut des Landes.
„Wir verkaufen 90 Prozent unserer Weine an ausländische Touristen”, betont Tamara Masanovic,  die sich in der Nische der Naturweine bewegt, zu Preisen zwischen zehn und 100 Euro. Plantaze bietet eine Gutsbesichtigung für zehn Euro an, ebenso gibt es Verkostungsseminare und Veranstaltungen zur Kombination von Essen und Wein. „Wir haben das Angebot ursprünglich für Gruppen entwickelt, bieten es jetzt aber auch für Einzelreisende an”, erläutert Dijana Milosevic, die Verantwortliche für Weintourismus. Plantaze organisiert zudem „Events” für bis zu 800 Teilnehmer in einem Keller, in dem zwei Millionen Liter Wein in Fässern und in Flaschen lagern. „Es handelt sich um einen alten Tunnel, in dem einst Flugzeuge der Luftwaffe untergebracht waren und den wir neu hergerichtet haben”, erklärt ein Mitarbeiter des Unternehmens.  
Aber so zahlreich die Touristen auch kommen mögen, kann sich Plantaze damit nicht zufriedengeben. Der eigene Markt reicht nicht mehr aus, zumal die Einwohnerzahl Montenegros nur 700 000 beträgt. „Wir exportieren 65 Prozent unserer Produktion in 35 Länder und nehmen an möglichst vielen internationalen Messen teil, um uns bekannt zu machen”, erklärt Milan Milutinovic, der Leiter für den internationalen Vertrieb. Die Länder Ex-Jugoslawiens, in denen das Unternehmen längst bekannt ist, nehmen zwei Drittel der Exporte auf, gefolgt von Russland, wohin eine Million Flaschen pro Jahr gehen. In den weiteren Rängen stehen China,  USA, Polen, Schweiz und Deutschland.  
Nicht alle haben es geschafft
In Montenegro wachsen 4400 Hektar Reben. Es gibt außer Plantaze noch rund 40 Weingüter. Die meisten davon bewirtschaften weniger als fünf Hektar und sind in den letzten zehn Jahren infolge staatlicher Förderpolitik entstanden. „Der Staat hat bis zu 50 Prozent der Kosten für den Kauf von Pflanzgut, von Kellereizubehör und Fässern erstattet”, sagt Drasko Vucinic. Zudem hat er veranlasst, dass Plantaze über eine bestimmte Zeit Trauben von neuen Winzern aufkauft, um ihnen Zeit zu lassen, in eigene Keller zu investieren. Nicht alle haben es geschafft. Diejenigen, die nicht weiter wussten, haben auf Teufel komm raus versucht, ihre Ernte abzusetzen. „Seit das Aufkaufprogramm von Plantaze beendet ist, kontaktieren mich einige, um mir alle oder einen Teil ihrer Trauben zu verkaufen”, erzählt Drasko Vucinic.