Wein und mehr
| 03. November 2016
Montenegro: Ein Riese und Däumlinge
Von Thiery Joly
Die staatliche Gesellschaft Plantaze dominiert die Weinszene in Montenegro. Daneben halten sich Familienbetriebe dank des Tourismus und dank staatlicher Unterstützung.
Dass Montenegro Wein produziert, ist nicht zu übersehen. Unmittelbar vor der Landung in Podgorica, der Hauptstadt, erstreckt sich ein Rebenmeer unter den Tragflächen des Flugzeugs. Es handelt sich um Cemovsko, mit 2310 Hektar das größte Weingut Europas. Gepflanzt ab 1977, stehen hier heute 11,5 Millionen Rebstöcke. Dieses große Unternehmen gehört zu Plantaze, einer staatlichen Gesellschaft, der auch zwei Restaurants und fünf Ladengeschäfte gehören. Gegründet 1963, wurde Plantaze im Jahr 2000 teilprivatisiert. Das Unternehmen beschäftigt heute mehr als 600 Mitarbeiter. „44 Prozent des Kapitals werden von den Mitarbeitern und von Kunden bereitgestellt”, erläutert Biljana Knezevic, die Verantwortliche für die Produktion.
„Wir erzeugen 15 Millionen Liter pro Jahr, die wir fast ausschließlich in Flaschen vermarkten: ein Liter, 0,75 und 0,18 Liter. Wir machen noch ein wenig Bag-in-Box; Offenwein geht so gut wie nicht mehr raus”, ergänzt sie.
Der Riese Plantaze und selbstbewusste Kleinbetriebe
Das Unternehmen
erzeugt hauptsächlich Rotwein (zwischen 70 und 75 Prozent), der Rest
verteilt sich auf Weißwein, Rosé und Schaumwein. Das Sortiment umfasst
mehr als 40 Weine, die zwischen 1,50 Euro und 120 Euro verkauft werden,
wobei der größte Teil der Weine zwischen zwei und fünf Euro angesiedelt
ist. Ziel ist, das Premium-Segment zu erweitern. Die komplette Ernte
stammt vom Gut Cemovsko. Die Reben wachsen auf einer trockenen, kiesigen
Ebene. Bei mehr als 80 Prozent der Reben wird von Hand gelesen.
Zunächst wurde die Pflanzdichte auf 3800 Rebstöcke/Hektar festgelegt,
dann ging man hoch auf 5000.
Auf 70 Prozent der Fläche wächst Vranac -
eine Rebsorte mit schwarzen Trauben, die aus Montenegro stammt, wie die
Bewohner sagen. 200 Hektar sind mit der weißen Sorte Krstac bepflanzt.
Sie wächst sonst nirgendwo. Der Rest wird von 24 anderen Sorten belegt,
darunter Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay, Weißburgunder und
Sauvignon blanc. Die Erträge bewegen sich zwischen 6–10 Tonnen je
Hektar. Dank des trockenen Klimas reichen drei bis vier Behandlungen pro
Jahr, um Krankheiten und Schädlinge unter Kontrolle zu halten.
Über den
Winter beträgt die Durchschnittstemperatur zwölf Grad Celsius, im
Sommer sind es 30 Grad Celsius, mit Spitzen bis 40 Grad. Bewässerung ist
somit ein „Muss”. Zu 80 Prozent wird dies auf dem Gut über
Tröpfchenbewässerung gewährleistet, der Rest wird konventionell
beregnet. „22 Brunnen garantieren uns die Wasserversorgung”, erläutert
Biljana Knezevic.
Bei Zenta Vucinic, ebenfalls in der Nähe von Podgorica, aber etwas höher
gelegen, sind die Verhältnisse etwas anders. Während Plantaze weder
Frost noch Hagel kennt, kommt dort beides manchmal vor. „Das Klima ist
unvorhersehbarer geworden”, sagt Drasko Vucinic, der das Gut vor zehn
Jahren gegründet hat. Er bewirtschaftet drei Hektar, mit
3500 Rebstöcken/Hektar Pflanzdichte und Tröpfchenbewässerung. Die
Produktion begrenzt sich auf 20 000 Flaschen pro Jahr, zu 70 Prozent ist
es Rotwein.
„Die sommerlichen Temperaturen eignen sich für die Weißen
nicht so gut”, sagt Drasko Vucinic fast rechtfertigend.
Das Kleinstweingut Masanovic (ein Hektar, 3000 Flaschen) in Virpazar
beim Skadarsee hat deswegen die Erzeugung von Weißwein ganz eingestellt.
Außer, dass sie klein sind, haben Zenta Vucinic und Masanovic
gemeinsam, dass sie die Rebsorte Marselan gepflanzt haben. „Sie ist
bekannt dafür, dass sie sich mit ganz unterschiedlichem Wetter
verträgt”, erklären beide. Diese Sorte steht neben Vranac, Kratosija,
Petit Verdot, Sangiovese und Syrah. Die Pflanzen von gemeinsamen
Rebsorten werden von Plantaze geliefert, das 800 000 Propfreben pro Jahr
erzeugt.
Die Kellerei-Ausrüstung kommt aus Italien, Kroatien und
Slowenien. Einzige Ausnahme: Die Fässer stammen aus Frankreich und den
USA. „Wir verwenden künftig aber nur noch französische Fässer, die
sind besser”, versichert Simo Knezevic, Kellermeister bei Plantaze.
Wegen der hohen Temperaturen zur Lesezeit von Mitte August bis Mitte
September ist es zwingend notwendig, Tanks mit Temperatursteuerung zu
verwenden. Die Trauben, die zu Weißwein und Rosé verarbeitet werden
sollen, werden bei der Annahme heruntergekühlt.
Absatz vor allem an Touristen
Die kleinen Weingüter bekunden, dass sie
keine Probleme haben, neben Plantaze zu existieren, „sofern die Qualität
stimmt und der Preis akzeptabel ist”, wie Drasko Vucinic versichert.
Er, der seine Kunden selbst aufsucht, verkauft seine Weine zwischen
sieben und 18 Euro, vor allem im Sommer an der Küste der Adria, wo es
jährlich 1,5 Millionen Touristen hinzieht. Während dieser Zeit empfängt
er drei kleine Gruppen pro Woche, vermittelt von Reisebüros. Bei
Masanovic sind es im Sommer drei bis fünf Gruppen pro Tag.
„Wir
verkaufen 90 Prozent unserer Weine an ausländische Touristen”, betont
Tamara Masanovic, die sich in der Nische der Naturweine bewegt, zu
Preisen zwischen zehn und 100 Euro. Plantaze bietet eine
Gutsbesichtigung für zehn Euro an, ebenso gibt es Verkostungsseminare
und Veranstaltungen zur Kombination von Essen und Wein. „Wir haben das
Angebot ursprünglich für Gruppen entwickelt, bieten es jetzt aber auch
für Einzelreisende an”, erläutert Dijana Milosevic, die Verantwortliche
für Weintourismus. Plantaze organisiert zudem „Events” für bis zu
800 Teilnehmer in einem Keller, in dem zwei Millionen Liter Wein in
Fässern und in Flaschen lagern. „Es handelt sich um einen alten Tunnel,
in dem einst Flugzeuge der Luftwaffe untergebracht waren und den wir neu
hergerichtet haben”, erklärt ein Mitarbeiter des Unternehmens.
Aber
so zahlreich die Touristen auch kommen mögen, kann sich Plantaze damit
nicht zufriedengeben. Der eigene Markt reicht nicht mehr aus, zumal die
Einwohnerzahl Montenegros nur 700 000 beträgt. „Wir exportieren
65 Prozent unserer Produktion in 35 Länder und nehmen an möglichst
vielen internationalen Messen teil, um uns bekannt zu machen”, erklärt
Milan Milutinovic, der Leiter für den internationalen Vertrieb. Die
Länder Ex-Jugoslawiens, in denen das Unternehmen längst bekannt ist,
nehmen zwei Drittel der Exporte auf, gefolgt von Russland, wohin eine
Million Flaschen pro Jahr gehen. In den weiteren Rängen stehen China, USA, Polen, Schweiz und Deutschland.
Nicht alle haben es geschafft
In Montenegro wachsen 4400 Hektar Reben. Es gibt außer Plantaze noch rund 40 Weingüter. Die meisten davon bewirtschaften weniger als fünf Hektar und sind in den letzten zehn Jahren infolge staatlicher Förderpolitik entstanden. „Der Staat hat bis zu 50 Prozent der Kosten für den Kauf von Pflanzgut, von Kellereizubehör und Fässern erstattet”, sagt Drasko Vucinic. Zudem hat er veranlasst, dass Plantaze über eine bestimmte Zeit Trauben von neuen Winzern aufkauft, um ihnen Zeit zu lassen, in eigene Keller zu investieren. Nicht alle haben es geschafft. Diejenigen, die nicht weiter wussten, haben auf Teufel komm raus versucht, ihre Ernte abzusetzen. „Seit das Aufkaufprogramm von Plantaze beendet ist, kontaktieren mich einige, um mir alle oder einen Teil ihrer Trauben zu verkaufen”, erzählt Drasko Vucinic.