Wie kann der biologische Weinbau in Zeiten des Klimawandels bestehen? Diese Frage stellte Reinhold Pix, Landtagsabgeordneter der Grünen und deren Sprecher für Weinbau, der Biowinzer und Weinbauexperten nach Heitersheim eingeladen hatte.
Solange keine Kaliumphosphonate zur Verfügung stehen, könne er keinem Winzer die Umstellung empfehlen, sagte Weinbauverbands-Vizepräsident Martin Schmidt (rechts). Reinhold Pix, Initiator und Moderator des Abends (links), war in dieser Sache bisher fünf Mal vergebens in Brüssel.
Wie aktuell und existenziell die Thematik ist, machte der Zuspruch für die Veranstaltung deutlich. Anstatt in der Vinothek begrüßte im Weingut Zähringer Hausherr Fabian Zähringer 50 Berufskolleginnen und -kollegen in der Abfüllhalle. Reinhold Pix brachte persönliche Erfahrung und Betroffenheit mit. Sein Sohn, der von ihm sein Demeter-zertifziertes Weingut in Ihringen übernahm, habe in diesem Herbst aufgrund von Frühaustriebsfrösten und Peronospora-Befall gerade mal ein Viertel eines normalen Jahrgangs einbringen können.
Damit liegt er im Schnitt der Biobranche: Trotz enormem Arbeitsaufwand und bisweilen dreitägigen Spritzintervallen erlitten die ökologisch wirtschaftenden Betriebe existenzbedrohende Ertragseinbußen. Seit das als Pflanzenstärkungsmittel eingeführte Kaliumphosphonat 2013 in der EU als Pflanzenschutzmittel zugelassen wurde, darf es im ökologischen Anbau nicht mehr eingesetzt werden. Pix ist in dieser Sache bereits fünf Mal in Brüssel gewesen, wie er sagte – vergebens.
Auch Martin Ries vom Referat für Ökologischen Weinbau im Stuttgarter Ministerium Ländlicher Raum hat in Brüssel frustrierende Erfahrungen gemacht. Minister Peter Hauk habe sich bereits früh im Jahr an die EU-Kommission gewandt, um den Einsatz von Kaliumphosphonat zu erwirken. Die ablehnende Antwort sei am 29. September gekommen.
Winzer wollen Biodiversität
Dass der Klimawandel ursächlich für die Misere ist, liegt für Experten
und Winzer auf der Hand. „Der immer frühere Austrieb macht die Reben
anfällig für Spätfröste”, referierte Dr. Michael Breuer vom
Weinbauinstitut Freiburg. „Der Juni ist bereits jetzt 1,5 °C wärmer als
in den 1980er-Jahren. Dieses Jahr kamen noch große Regenmengen dazu. Wir
sind mittendrin im Klimawandel.” Das Weinbauinstitut sei an allen
relevanten Themen dran – Rebsortenforschung und Piwis, Frostschutz,
Kellerwirtschaft, Optimierung des Kupfereinsatzes. Zudem soll in das
VitiMeteo-Prognosemodell auch die Wirkungsdauer der Produkte integriert
werden.
Wie die im Biodiversitätsstärkungsgesetz angestrebte
Einsparung von 40 bis 50 % an Pflanzenschutzmitteln und die Ausdehnung
des ökologischen Anbaus auf 30 bis 40 % der Fläche gelingen soll,
darauf hatte allerdings keiner der Experten eine Antwort. Jakob Moise
vom Beratungsdienst Ökologischer Weinbau stellte gar die Frage nach der
ökologischen Sinnhaftigkeit: „Wer will angesichts des enormen
Arbeitsaufwandes und der hohen Ertragsausfälle nach diesem Jahr noch
umstellen?”
Der Wille sei bei vielen zwar da, die Winzer möchten ihren
Beitrag zur Biodiversität leisten. Bei Bodenpflege und Düngung werde
bereits häufig nach ökologischen Richtlinien gewirtschaftet, doch beim
Pflanzenschutz wolle man sich verständlicherweise alle Möglichkeiten
offenhalten.
Erhöhung des Öko-Anteils nur mit Piwis
Das sah Martin
Schmidt, Vizepräsident im Badischen Weinbauverband und seit Jahrzehnten
überzeugter Öko-Winzer, ähnlich: „Solange keine Kaliumphosphonate zur
Verfügung stehen, kann ich keinem Winzer die Umstellung empfehlen.” Eine
Ausweitung des Ökoweinbaus könne er sich nur mit pilzwiderstandfähigen
Rebsorten vorstellen. Hier sieht er besonders für die Nebenerwerbswinzer
ein großes Potenzial. „Wir haben immerhin 15.000 ‚Gärtner im Garten
Deutschlands‘. Wenn diese auf Piwis umschwenken, wäre schon einiges
erreicht.
Paulin Köpfer, Betriebsleiter des Weinguts Zähringer und
Vorsitzender von Ecovin Baden, beschrieb die Situation als dramatisch.
Noch so ein Jahr würde für viele das Aus bedeuten. Die Umstellung auf
Piwis brauche Zeit. „Die Politik muss am Thema Kaliumphosphonate
dranbleiben. Die Gesellschaft wünscht sich mehr Bio, die Winzer sind
dafür bereit, wir dürfen diese Chance nicht vertun.”
Fabian
Zähringer forderte einen fairen Wettbewerb für Bio-Lebensmittel.
„Konventionelle Produkte sind nur so günstig, weil die Folgekosten nicht
eingepreist sind.” Die Politik müsse hier einen gerechten
ordnungspolitischen Rahmen schaffen.
Nur langfristig
Lob gab es von ihm für die vom Land
subventionierte Frostschutzversicherung. Er sei froh, dass er sich
dafür entschieden habe. Das werde ihn dieses Jahr retten, sagte er.
Nach
den Experten-Statements kamen auch die eingeladenen Winzer zu Wort.
Neben fairen Preisen und einer gerechten Bezahlung für die Arbeit
erwartet man sich vor allem mehr politischen Druck in Brüssel für die
Belange der Biowinzer.
Deutschland sei der größte Nettozahler in der EU,
da könne man auch einmal Forderungen stellen. Durch den Klimawandel und
die veränderte Virulenz des Peronospora-Erregers habe man völlig neue
Sachargumente, die man bei der Kommission vorbringen müsse.
Einig waren sich alle, dass Piwis Teil einer langfristigen
Lösung des Problems sind. Hier müsse nicht nur die Forschung – im
Weinbauinstitut ist die entsprechende Stelle seit Jahren nur
kommissarisch besetzt – sondern auch die Vermarktung gefördert werden.
Da
die Umstellung jedoch Jahrzehnte dauere und man spätestens zur Saison
2022 eine Lösung brauche, seien andere Strategien gefragt. Reinhold Pix
erinnerte an 2003, als wegen der außergewöhnlichen
Witterungsverhältnisse auch in Deutschland die Säuerung von Wein und
Most zugelassen wurde. „Diese Reißleine müssen wir jetzt auch für
die Pero-Problematik ziehen.”
Ob das gelingt, wird das nächste Treffen
mit der EU-Kommission zeigen: Am 8. Dezember will man in Brüssel das
Thema Kaliumphosphonate wieder zur Sprache bringen.