Fachliches | 02. September 2016

Saison 2016: Kampf um jede Traube

Von Herbert Krebs
2016 mussten die Winzer um jede Traube kämpfen: Frost, extrem intensiver, früher Peronosporabefall und Verrieselungen reduzierten die Ernteerwartungen. Die Ernte wird regional und betrieblich sehr unterschiedlich ausfallen. Allerdings stimmte die Wetterlage im August viele Winzer wieder zuversichtlicher.
Leider stehen noch zwei Herausforderungen an, die sich auch auf die Qualität der Weine auswirken können:
  1. Botrytisbefall und
  2. Kirschessigfliege.
Dort, wo Peronospora und Verrieselungen kleine und lockere Trauben hinterlassen haben, dürften diese beiden Herausforderungen gut zu meistern sein. Aber es finden sich auch Anlagen mit vielen und kompakten Trauben, die einem höheren Risiko unterliegen. Es ist zu hoffen, dass die Mühe der Winzer um eine gut belüftete Traubenzone belohnt wird. In diesem Jahr war auch in südlicheren Ländern eine intensive Entblätterung zu beobachten.
Den richtigen Termin finden
Die Herstellung von gutem Rotwein wird 2016 zu einer Herausforderung werden. Unklar ist derzeit, inwiefern auch die Kirschessigfliege in relevantem Maß auftreten wird.
Nach Möglichkeit gilt es wieder, den optimalen Reifegrad der Trauben abzuwarten. Bei ungünstiger Witterung wird es einen Kompromiss zwischen Risiko und Qualität geben müssen. Zu dünne Weine aus zu früher Lese ohne Rebsortenbukett und Lagerpotenzial wünscht der Markt nicht. Die von der Kirschessigfliege besonders gefährdeten Rebanlagen sind täglich zu kontrollieren. Mit dem rechtzeitigen Einsatz der Erntemaschine können diese Anlagen schnell abgeerntet werden. Das Abwarten und Vorlesen kann nur in Einzelfällen empfohlen werden. Bei befallenem Lesegut sollten alle Behälter und Geräte nach der Verarbeitung desinfiziert werden – eine einfache Reinigung reicht nicht aus.
Mit Botrytis komm man im Keller besser zurecht – aber der vom Kunden gewünschte, frisch-fruchtige Weinstil ist nur schwer zu erreichen. Bei kritischem Lesegut hat sich eine extrem schnelle und kühle Verarbeitung mit anschließender Flotation bewährt. Für mehr Sicherheit und die Inaktivierung des Botrytisenzyms Laccase ist die Mostpasteurisation zu empfehlen.
Möglichkeiten der Verarbeitung
Botrytisbefallene Trauben bringen eine hohe Keimzahl an Hefen und Bakterien mit in den Most. Eine gute Vorklärung muss garantiert werden. Notfalls helfen Kühlung und Schweflige Säure. Falls eine Säuerung 2016 zugelassen werden sollte, ist sie bereits bei der Traubeneinlagerung zu nutzen. Die Absenkung des pH-Wertes ist den Bakterien abträglich und erhöht sehr deutlich die Wirksamkeit der Schwefelung. Zur Schwefelung von Trauben, Maische und Most kann die Zusatzwirkung des Ammoniumsulfits genutzt werden, weil es weniger Risiko für den Anwender birgt und im Gegensatz zum Kaliumdisulfit kein zusätzliches Kalium einträgt.
Bei botrytisbefallenen Trauben aus Rebsorten, die nicht oxidationsempfindlich sind (Burgunder, Silvaner, Gutedel), kann auf eine Schwefelung verzichtet werden, damit eine Mostoxidation erfolgen kann. Man erhöht zwar das Risiko, kann aber mit hellen, appetitlichen Weinfarben belohnt werden.
Auf diesen Weißburgunder freut sich der Kellermeister.
Die Mostoxidation wird generell für Grauburgunder und Blanc de Noirs empfohlen, die stets aus gesunden Trauben hergestellt werden.
Die oxidationsempfindlichen Aromen der Rebsorte Sauvignon blanc lassen keine oxidative Phase zu. Wer unbedingt Maracujanoten im Weißwein wünscht, sollte ebenfalls reduktiv arbeiten und die Trauben schwefeln. 
Sicherlich werden die Mostgewichte nicht so steigen wie 2015. Man sollte den zu erwartenden Alkohol nach den aktuellen Formeln berechnen (siehe Homepage des WBI, Oenologischer Hinweis Nr. 8/2015) und nicht die veralteten Anreicherungstabellen verwenden. Es ist eine geringere Alkoholausbeute bei erhöhtem zuckerfreien Extrakt (Botrytisbefall und hohe Gesamtsäure) einzukalkulieren. Ein schwieriger Jahrgang erfordert eine gezielte Planung der Abläufe und lässt kein starres Schema zu.
Schlüsselrolle der Hefe
Der Markt bietet eine Vielzahl unterschiedlicher Präparate für spezielle Anwendungen an. Bei kritischem Lesegut kann nur eine schnell angärende, sichere Hefe empfohlen werden.
Nur wenn alle Rahmenbedingungen stimmen (pH-Wert, Keimzahl, freie Schweflige Säure, Temperatur bei der Verarbeitung der Trauben, betriebliche Hefepopulation im Keller), kann ausgereiftes, gesundes Lesegut spontan vergoren werden. Unreifes Lesegut enthält eine zu geringe Keimzahl an Saccharomyceten, um spontan angären zu lassen.
Wer mit besonderen, gärschwachen Hefen experimentieren möchte, sollte sich das passende Lesegut aussuchen und sich die Möglichkeit des Rückverschnitts offen halten.
Torulaspora delbrueckii kann testweise zur Angärung hochgrädiger Moste eingesetzt werden.
Ein bis drei Tage später muss eine vitale Saccharomyceshefe zugesetzt werden, weil Torulaspora delbrueckii nur maximal 10 % Alkohol bildet.
Hefeernährung
Die Zugabe von Ammoniumsulfit erhöht den Gehalt an hefeverfügbarem Stickstoff nur minimal. Der gestaffelte Einsatz von Di-Ammonium-Phosphat (DAP) hat sich bewährt und ist eine preiswerte Alternative. DAP sollte im frisch gekelterten Most aus folgenden Gründen nicht eingesetzt werden:
  1. Es erhöht den pH-Wert im Most und erschwert somit die Vorklärung.
  2. Zudem führt eine Zugabe vor Gärbeginn zu einer extremen Hefevermehrung.
  3. Die große Hefemenge bindet viel hefeverfügbaren Stickstoff.
  4. Die Gärung verläuft sehr schnell.
Zur Reduzierung des Schwefelbedarfs im Wein wird dem Most Thiamin zugegeben. Für Moste mit hohem Zuckergehalt oder bei Gärproblemen im Betrieb sind organische Hefenährstoffe zu empfehlen, die teilweise bereits im Hefeansatz eingesetzt werden. Sollen Weine restsüß verbleiben, gibt man nur in der Angärphase Nährstoffe zu. Gärprobleme erkennt man bei der täglichen Gärkontrolle. Oft kann frühzeitig mit Anwärmen, Nährstoffdosage oder Luft erfolgreich reagiert werden. Restsüß verbliebene Weine eignen sich oft besonders gut zur Süßung und zum Verschnitt.
Für Burgundersorten und Gutedel kann der biologische Säureabbau zu mehr Schmelz und Reife führen. Eine ausreichende Hefemenge und die Lagerung auf der Hefe nach dem BSA reduzieren die Diacetylnote.
Ausblick
Die Trauben werden dieses Jahr nicht so früh wie im Mittel der letzten Jahre geerntet werden. Trotz spätem Reifebeginn ist schon eine sehr gute Qualität erreicht. Die Weinerzeuger werden wieder alles daran setzen, auch 2016 die Weinfreunde zu überzeugen. Betrachtet man andere Regionen, so könnte man vermehrt frische, fruchtige Roséweine erzeugen, die ein zartes Rosé, aber keine Goldtöne aufweisen.