Fachliches | 30. März 2016

Nicht zu oft und nicht bei größerer Hitze ausbringen

Von Karl Bleyer, LVWO Weinsberg
Können Backpulverpräparate die Wirkstoffgruppe der Azole bei der Bekämpfung des Echten Mehltaus ergänzen? Mit dieser Frage befasste sich die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg.
Blattschäden durch Kaliumhydrogencarbonat bei Lemberger
Aufgrund der Resistenzproblematik der Wirkstoffgruppe der Strobilurine bei der Bekämpfung des Echten Mehltaues der Weinrebe wurde das Antiresistenzmanagement zum Schlüsselwort bei der Oidiumbekämpfung. Zwischenzeitlich gibt es jedoch immer mehr organische Oidiumfungizide mit zwei Wirkstoffgruppen. In der Regel ist dies die Wirkstoffgruppe der Azole. Als Beispiele wären hier Dynali, Luna Experience oder auch Vento Power zu nennen.
Azole dürfen laut der FRAC (Fungicide Resistance Action Commitee) viermal pro Saison angewendet werden. Der Pilz reagiert auf die Azole nicht direkt mit Resistenzbildung, aber er stellt sich auf die Anwendungsmengen ein, so dass mit der Zeit höhere Mengen der Mittel notwendig sind. Man spricht hier von einem „Shifting”. So musste auch bei dem Produkt Topas mit dem Wirkstoff Penconazol im Jahr 2012 bei der Neuzulassung die Basisaufwandmenge von 0,6 auf 0,8 l/ha erhöht werden. Gleichzeitig wurde die Anzahl der maximalen Anwendungen von sechs auf vier reduziert. Dies zeigt auch deutlich, dass man hier mit einem „Shifting” irgendwann an einen Punkt kommt, an dem die zur Wirksamkeit notwendige Aufwandmenge eventuell aus Umweltaspekten nicht mehr tragbar ist.
Versuche
Seit dem Jahr 2014 haben die Backpulverpräparate Vitisan und Kumar mit dem Wirkstoff Kaliumhydrogencarbonat im Weinbau eine Zulassung. Der Wirkstoff Kaliumhydrogencarbonat wird schon seit längerer Zeit im ökologischen Weinbau gegen Oidium verwendet. Ihm wird auch immer wieder eine sogenannte „Stopp-Wirkung” nachgesagt. Er gehört wie der Schwefel zu den Wirkstoffgruppen, die keine langanhaltende Wirkung zeigen, aber durch  ihre kurzen Wartezeiten im  Gegensatz zu Netzschwefelprodukten auch noch in den letzten abschließenden Spritzungen eingesetzt werden können.Die entscheidenden Mehltaubehandlungen finden kurz vor der Blüte bis hin zur Erbsen-größe der Beeren, im sogenannten „Mehltaufenster”, statt. Die letzten Spritzungen dienen mehr dem Schutz der Blätter als dem der Beeren. In den Jahren 2013 bis 2015 wurden an der LVWO Weinsberg Versuche durchgeführt, in denen die sonst üblichen letzten beiden Behandlungen mit Azolen durch Kaliumhydrogencarbonat ersetzt wurden. Als Beispiel ist die Spritzfolge von 2015 in der Tabelle dargestellt. Kumar ist eine Fertigformulierung, Vitisan ist kein formuliertes Produkt mit Haftmittel, so dass oft ein Zusatzprodukt angewendet wird. In den Versuchen wurde jeweils Vitisan angewendet, 2013 ohne Zusatzmittel, 2014 und 2015 mit PrevB2, was zusätzlich als Haftmittel empfohlen wird.Die Produkte mit Kaliumhydrogencarbonat sind laut Zulassung mit sechsmaliger Anwendung als raubmilbenschädigend eingestuft. 2015 wurde geprüft, inwieweit diese bei einer zweimaligen Anwendung am Ende noch einen Einfluss auf die Raubmilbenpopulation haben könnten.
Ergebnisse
2013 lagen die Versuchsvarianten in einer Fläche, in der es schon im Vorjahr einen starken Befall gab. Von insgesamt zehn Versuchsvarianten waren außer der Standardvariante alles Öko-Varianten, die dem Oidiumdruck trotz kürzerer Spritzabstände nicht standhalten konnten. Unter diesen Verhältnissen hatte auch die Standardvariante Probleme. Sie war mit einer Befallsstärke (BS) der Trauben von über 20 Prozent und einer Befallshäufigkeit (BH) von 70 Prozent nicht zu akzeptieren. Dieselbe Spritzfolge konnte bei geringerem Befallsdruck in einem parallel durchgeführten Versuch mit einer Befallsstärke von zwei Prozent  überzeugen. Die Variante mit Vitisan könnte in diesem Fall bei den Trauben auf das  Mycel eine stoppende Wirkung gehabt haben. Die Befallsstärke an den Trauben wurde von 21,9 auf 10,8 Prozent um die Hälfte reduziert (Abbildung 1). An den Blättern war sowohl bei der BS als auch bei der BH ein leichter Anstieg zu beobachten (Abbildung 2). Weder an den Trauben noch an den Blättern gab es signifikante Unterschiede.
Traubenveränderungen (Glanz) durch Kaliumhydrogencarbonat bei Lemberger
2014 war der Druck durch viele Zeigertriebe und einen frühen Beginn der Epidemie enorm hoch, was in der Kontrolle zu einer Befallshäufigkeit an Blatt und Traube von 100 % und an den Trauben zu einer Befallsstärke von 80 Prozent führte. Die Ergebnisse beider Varianten mit Azol und mit Vitisan+PrevB2 waren vergleichbar mit den in Abbildung 3 und Abbildung 4 aufgeführten Ergebnissen aus 2015.
Die Raubmilbenpopulation wurde viermal ausgezählt. Die erste Auszählung fand vor der ersten und die zweite nach der fünften Behandlung statt. Die dritte Auszählung wurde direkt vor den letzten beiden Spritzungen mit Azol und Vitisan, die vierte dann eine Woche nach der letzten Behandlung durchgeführt. In Abbildung 5 ist zu erkennen, dass sich die Population gleichmäßig entwickelt und dass sich die Raubmilbenpopulation durch den zweimaligen Einsatz von Vitisan gegenüber der Variante mit Azol nicht verringert hat. Die gleichmäßige Abnahme in beiden Varianten könnte eventuell auf schlechte Vermehrungsbedingungen in dieser Zeit zurückzuführen sein.
Verbrennungen
Bei der Anwendung von Kaliumhydrogencarbonat kann es zu Verbrennungen an den Blättern kommen. Auch die Traubenoberfläche verändert sich, wenn der Wirkstoff öfters angewendet wird. Die Beduftung verschwindet und die Oberfläche der Beeren wird glänzend. Deshalb sollte mit diesem ökologischen Produkt vorsichtig umgegangen werden. Es sollte nicht zu oft und nicht bei größerer Hitze ausgebracht werden. Bei mehrmaliger Anwendung und anhaltender Trockenheit besteht die Gefahr, dass den Blättern Wasser entzogen wird. Dadurch kann es zu Verbrennungen kommen. Das Mittel Kumar sollte auch aus diesem Grund laut Hersteller nicht in Kombination mit Schwefel ausgebracht werden.
Fazit
Eine Anwendung von Backpulverpräparaten gegen Oidium ist durchaus auch im konventionellen Weinbau sinnvoll. Versuche haben gezeigt, dass es beim Einsatz von Backpulverpräparaten bei den letzten beiden Anwendungen zu keinem weiteren Oidiumbefall auf Blatt und Traube kommt, wenn im Vorfeld noch kein Befall vorhanden war. Dies kann zu einer Entlastung der Azole dienen, die in dieser Phase normalerweise eingesetzt werden. Dadurch würde das Antiresistenzmanagement vereinfacht, da in den  letzten Jahren immer mehr Präparate mit Azolzusatz auf den Markt gekommen sind. Mit einer Verminderung der Raubmilbenpopulation aufgrund eines zweimaligen Einsatzes von Backpulverpräparaten ist nicht zu rechnen. Es ist jedoch zu beachten, dass es bei falscher Anwendung zu Blattverbrennungen kommen kann.