Fachliches
| 25. April 2024
Pero 2023: starke Primärinfektionen
Von Gottfried Bleyer
Ende Mai und Anfang Juni 2023 wurde in ganz Baden-Württemberg und auch in Teilen anderer Weinbaugebiete Deutschlands ein starker Befall mit Peronospora beobachtet. Die Krankheit trat zuerst an den Blättern und ein bis zwei Wochen später auch an den Gescheinen massiv auf.
Für 2024 aus dem vergangenen Jahr lernen: Je Rebstock wurden im Jahr 2023 bis zu 15 Ölflecken und bis zu sieben befallene Gescheine gezählt. Diese teilweise sehr starken Infektionen waren auf Primär- oder Bodeninfektionen zurückzuführen, die überwiegend im Zeitraum zwischen dem 5. und 15. Mai stattgefunden hatten. Der erste Öfleck wurde auf der Gemarkung Jechtingen bereits am 14. Mai gefunden, ausgelöst durch eine Primärinfektion vom 28. April. Die Meldungen der amtlichen Weinbauberatung schwankten um die Monatswende Mai/Juni in einzelnen Rebflächen zwischen 20 bis 40 % Gescheinsbefall, mancherorts auch mehr. Vorzugsweise waren die phänologisch weiter entwickelten Rebanlagen stärker betroffen. Auch Rebsorten und Klone mit langem Stielgerüst zeigten mehr Befall. In vielen Rebanlagen trat die Peronospora in deutlich geringerem Umfang auf. Dennoch wurden derart heftige Primärinfektionen in Baden-Württemberg jahrzehntelang nicht beobachtet, auch nicht in den Peronospora-Jahren 2012, 2016 und 2021. Glücklicherweise verhinderte die trockene Witterung ab Ende Mai bis Ende Juni eine weitere Ausbreitung der Krankheit.
Versuchsergebnisse des Weinbauinstituts (WBI) Freiburg
Auf einigen Versuchsflächen
des Staatlichen Weinbauinstituts Freiburg (WBI) wurden 2023
umfangreiche Erhebungen zum Auftreten von Primärinfektionen
durchgeführt. In einer 36 Ar großen, unbehandelten Monitoringfläche, die
mit Blauem Spätburgunder und Weißburgunder bepflanzt ist, wurden die
ersten Ölflecken am 23. Mai gefunden, umgerechnet 100 Stück je Hektar.
Die Ölflecken verteilten sich relativ gleichmäßig auf der Fläche. In
einer mit Müller-Thurgau bestockten Peronospora-Versuchsfläche, die nur
200 Meter Luftlinie von der Monitoringfläche entfernt liegt, ergab sich
ein gänzlich anderes Bild. Die Bonituren erbrachten am 25. Mai einen
Befall mit mehr als 12.000 Ölflecken je Hektar, siehe Tabelle (vergrößern per Klick).
Ungleichmäßiger Befall
Am 6. Juni 2023 wurde zusätzlich die Befallshäufigkeit an Gescheinen
bonitiert. In der Abbildung ist gut zu erkennen, dass der
Gescheinsbefall sehr ungleich auf der Fläche verteilt ist. Im
Peronosporaversuch schwankte der Befall zwischen den Rebzeilen enorm,
nämlich zwischen fünf und 40 % Befallshäufigkeit. In einigen
kleinräumigen Bereichen der Rebfläche war ein stärkerer Befall
vorhanden, der sich aber fachlich nicht erklären ließ. Der Blattbefall
trat gleichfalls sehr ungleichmäßig in der Fläche auf: In einem Bereich
wurden vereinzelt Rebstöcke mit bis zu 20 Ölflecken – teilweise vier bis
sechs Ölflecken auf einem Rebblatt – und bis zu acht befallenen
Gescheinen bonitiert.
Bei den Zeilen, die vom Staatsweingut Freiburg bereits am 9. Mai 2023 gegen Rebenperonospora behandelt worden waren, war indessen fast kein Befall zu beobachten, siehe Balkendiagramm.
Bei den Zeilen, die vom Staatsweingut Freiburg bereits am 9. Mai 2023 gegen Rebenperonospora behandelt worden waren, war indessen fast kein Befall zu beobachten, siehe Balkendiagramm.
Im Peronospora-Versuch wurde erst am 11. Mai 2023 zum ersten Mal
behandelt. Die auffälligen Befallsunterschiede zwischen der
Versuchsfläche und der vom Staatsweingut Freiburg behandelten,
angrenzenden Fläche lassen sich nur mit einer extremen Primärinfektion
erklären, die vom 9. auf den 10. Mai 2023 stattgefunden hat: Insgesamt
fielen in dieser Zeitspanne 18 mm Regen bei rund 15 °C
Durchschnittstemperatur in zwei Meter Höhe sowie 15 °C in einer
Bodentiefe von 5 cm. Die Trieblängen der Reben lagen zwischen 20 und
30 cm, die phänologischen Stadien bewegten sich zwischen BBCH 13 und 16.
Darüber hinaus fielen in den 30 Tagen vor der nachweislichen
Primärinfektion 82 mm Niederschlag. Die Witterungsbedingungen des
Standortes Freiburg herrschten auch an vielen anderen Standorten.
Ursachen für das heftige Pero-Auftreten 2023
Der große Unterschied
zwischen den Primärinfektionsbedingungen in der Vegetationsperiode 2023
und den Vorjahren war, dass im vergangenen Jahr alle wichtigen Parameter
für eine Boden- und Primärinfektion in einem sehr förderlichen Bereich
lagen.
Nachfolgend sind die sechs wichtigsten, bisher bekannten und ausschlaggebenden Faktoren für eine Pero-Primärinfektion exemplarisch aufgelistet:
Nachfolgend sind die sechs wichtigsten, bisher bekannten und ausschlaggebenden Faktoren für eine Pero-Primärinfektion exemplarisch aufgelistet:
- Durchfeuchtung des Bodens für eine erfolgreiche Keimung der Oosporen: 30 mm Niederschlag in den 30 Tagen vor der Primärinfektion
- Keimbereitschaft der Oosporen: Temperatursumme erreicht
- Niederschlagshöhe, -intensität und -verteilung: mehr als 10 mm Niederschlag
- Blatt- und Gescheinsbenetzungsdauer: mehr als 50 Gradstunden bei Blattnässe (Nässedauer × Temperatur)
- Die Temperaturen in der Luft und im Oberboden: mehr als 8 °C Durchschnittstemperatur in Luft und Boden
- Die phänologische Entwicklung und somit die Anfälligkeit der Reben: Drei- bis Sechs-Blatt-Stadium.
Die unterschiedliche Verteilung des Befalls an Blättern und Trauben an den verschiedenen Standorten sind beispielhaft in der Tabelle zusammengefasst.
Konsequenzen für die Zukunft
Der Schwerpunkt der Bekämpfung der
Peronospora wird auch zukünftig in deren frühen Ausbreitungsphase zu
positionieren sein. Diese liegt zwischen dem Drei- und Sechs-Blatt-Stadium und den Stadien
Schrotkorn- und Erbsengröße der Beeren. Die Erfahrungen mit den frühen
und heftigen Primärinfektionen 2023 haben diese Strategie eindrucksvoll
bestätigt. In den meisten Jahren sind nicht alle oben genannten Faktoren
für eine Primärinfektion optimal. Falls dies aber zukünftig wieder
zutreffen sollte und entsprechende Niederschläge vorhergesagt werden,
ist eine vorbeugende Behandlung vor dem Drei- und Sechs-Blatt-Stadium
sehr empfehlenswert.
In diesen phänologischen Stadien sind im allgemeinen die Gescheine bereits vorhanden und sehr anfällig für Infektionen, da sie länger nass bleiben als die Blätter. Besonderes Augenmerk sollte hierbei auch auf das Wachstum gelegt werden. In dem kritischen Zeitraum von 1. bis 10. Mai 2023 war ein außergewöhnliches Wachstum vorhanden, das heißt die Reben waren innerhalb von zehn Tagen von einem unempfindlichen Stadium in ein anfälliges gewachsen.
Im vergangenen Jahr wurden die Primärinfektionen vom Prognosemodell „VitiMeteo Rebenperonospora” wieder sicher erkannt. Die anstehende Saison 2024 wird erneut flexible und an die Witterung angepasste Bekämpfungsstrategien erfordern. Das Prognosemodell „VitiMeteo Rebenperonospora” (www.vitimeteo.de ) bietet der Beratung sowie der Praxis für die Anwendung von modellbasierten Strategien eine wertvolle Unterstützung.
In diesen phänologischen Stadien sind im allgemeinen die Gescheine bereits vorhanden und sehr anfällig für Infektionen, da sie länger nass bleiben als die Blätter. Besonderes Augenmerk sollte hierbei auch auf das Wachstum gelegt werden. In dem kritischen Zeitraum von 1. bis 10. Mai 2023 war ein außergewöhnliches Wachstum vorhanden, das heißt die Reben waren innerhalb von zehn Tagen von einem unempfindlichen Stadium in ein anfälliges gewachsen.
Im vergangenen Jahr wurden die Primärinfektionen vom Prognosemodell „VitiMeteo Rebenperonospora” wieder sicher erkannt. Die anstehende Saison 2024 wird erneut flexible und an die Witterung angepasste Bekämpfungsstrategien erfordern. Das Prognosemodell „VitiMeteo Rebenperonospora” (www.vitimeteo.de ) bietet der Beratung sowie der Praxis für die Anwendung von modellbasierten Strategien eine wertvolle Unterstützung.