Wein und mehr
| 08. Januar 2019
Die Wiederkehr
Von Thierry Joly
Begünstigt durch den Klimawandel, erwacht der Weinbau in Polen zu neuem Leben. Die Winzer kultivieren Hybriden und Vitis vinifera und wählen mit Bedacht die Standorte für die Reben aus, damit sie die Härte des Winters ertragen.
Wird Polen eines Tages bekannter für seine Weine sein als für seinen Wodka? Diese Frage ist erlaubt, nachdem sich die Weinberge im Kielwasser des Klimawandels seit rund zehn Jahren vermehren und im Jahr 2008 das Gesetz gelockert wurde, das die Produktion reguliert. „Es vergeht kein Monat, keine Woche, in der wir nicht neue Mitglieder bekommen”, bestätigt Rafal Stac, der Präsident der polnischen Winzer.
Stac, hauptberuflich in der Immobilienwirtschaft tätig, hat 2013 die Winnica Rodziny Steców gegründet, gelegen bei Tarnów, etwa 100 Kilometer östlich von Krakau. Er bewirtschaftet mit seinem Sohn Michal, der in Vollzeit auf dem Gut arbeitet, fünf Hektar Reben. Seine Parzellen befinden sich in Höhenlagen zwischen 180 und 320 Meter und sind in Dichten von 3500 bis 4000 Rebstöcken je Hektar bepflanzt. Es sind steile Hanglagen mit Ausrichtung Süd-Südwest. „Das ist überall eine Notwendigkeit, damit die Kälte während der Frühjahrsfröste, unserem Hauptfeind, schnell Richtung Talgrund abzieht”, erklärt er. Mit der Konsequenz, dass wie überall der Zeilenzwischenraum begrünt ist, um Erosion entgegenzuwirken.
30 Rebsorten im Anbau
Rafal Stac kultiviert 30 Rebsorten, immer auf der
Suche nach denjenigen, die am besten zu seinem Standort passen. Weil die
Temperaturen im Winter manchmal bis auf minus 25 Grad sinken, bevorzugt
er Hybriden wie Hibernal, Maréchal Foch, Culman, Léon Millot, Aurora
oder Seyval blanc. Er hat auch etwas Spätburgunder, Grauburgunder,
Muscat Ottonel und Traminer im Anbau.
„Vitis vinifera-Reben sind in der
ersten Jahren sehr frostempfindlich, danach weniger”, unterstreicht
Stac. Das zweitgrößte Weingut des Landes, die Winnica Srebrna Góra,
verfügt vor den Toren Krakaus über 28 Hektar. Riesling, Chardonnay,
Gewürztraminer, Grauburgunder, Spätburgunder und Zweigelt stehen auf der
Hälfte der Fläche. Der Rest sind Piwis und Hybriden: Johanniter,
Hibernal, Solaris, Seyval blanc, Regent, Rondo und Cabernet Cortis.
„Die
Nähe des Flusses Vistule schwächt die Kälte etwas ab und wir bedecken
den Fuß der Reben im Winter mit 20–25 Zentimeter Erde. Daneben
bepflanzen wir nur Bereiche, die am meisten windgeschützt und am
steilsten sind, in Höhenlagen zwischen 230 und 280 Meter”, erläutert
Miroslaw Jaxa Kwiatkowski, ehemaliger Gastwirt und einer der Betreiber
dieses im Jahr 2008 gegründeten Weinguts. Einige Kilometer weiter,
in der Winnica Wieliczka, setzen Agnieszka Rousseau und ihr Kompagnon
Piotr Jaskola auf biodynamische Wirtschaftsweise und auf Vitis vinifera.
Sie schätzen, dass das derzeitige Klima ihrer Region in etwa jenem im
Norden von Ungarn vor 30 Jahren entspricht, wo ebenfalls schon Vitis
vinifera-Reben gepflanzt waren. Sie wollen keine Hybriden, weil „selbst
wenn es möglich ist, daraus gute Weine zu erzeugen, sie jedoch kaum
mehr als drei Jahre alterungsfähig sind”, betont Agnieszka Rousseau.
Diese Önologin hat ihre Ausbildung in Montpellier absolviert und in der
ganzen Welt gearbeitet. Sie wählte Hanglagen in 410 bis 470 Meter
Höhenlage mit Südausrichtung. Vor fünf Jahren mit 5500 Rebstöcken je
Hektar bepflanzt, endet die senkrecht zum Hang ausgerichteten sechs
Hektar Reben auf halber Höhe: „Um eine maximale Besonnung zu
gewährleisten und von den Winden zu profitieren, die die Reben belüften
und so die Risiken von Oidium, Peronospora und Botrytis mindern”.
Problem Papierkrieg
Diese drei Weingüter haben auch gemeinsam, dass sie ihre
Reben einzäunen mussten, um sie vor Rehen und Wildschweinen aus den
benachbarten Wäldern zu schützen. „Aber unser größtes Problem ist der
Papierkrieg, weil wir von 30 Verwaltungen kontrolliert werden”, beklagt
sich Agnieszka Rousseau. Die Erträge variieren zwischen einem und 1,5
Kilo je Rebstock bei Vitis vinifera und steigen auf 2 Kilo bei Hybriden.
„Aber ohne Grünlese würden sie vier Kilo bringen”, erläutert Miroslaw
Jaxa Kwiatkowski.
Rote Sorten sind leicht in der Mehrheit. „Unser Klima ist günstiger für weiße Sorten, aber die Polen konsumieren zu 75 Prozent Rotweine. Deshalb müssen wir uns dem Markt anpassen”, erklärt Miroslaw Jaxa Kwiatkowski. Die Polen bevorzugen zudem fruchtige Weine. Eine lange Reifung in Fässern ist daher nicht so das große Thema.
Lokale Restaurantbetreiber, die alle polnische Weine auf der Karte haben, sind für Rafal Stac und Agnieszka Rousseau der wichtigste Absatzkanal. Die zwei Güter verkaufen ihre komplette Produktion direkt. Bei Rafal Stac, reichen die Preise von 11,50 Euro bis 14 Euro. Agnieszka Rousseau verlangt mehr: 15–20 Euro je Flasche.
Rote Sorten sind leicht in der Mehrheit. „Unser Klima ist günstiger für weiße Sorten, aber die Polen konsumieren zu 75 Prozent Rotweine. Deshalb müssen wir uns dem Markt anpassen”, erklärt Miroslaw Jaxa Kwiatkowski. Die Polen bevorzugen zudem fruchtige Weine. Eine lange Reifung in Fässern ist daher nicht so das große Thema.
Lokale Restaurantbetreiber, die alle polnische Weine auf der Karte haben, sind für Rafal Stac und Agnieszka Rousseau der wichtigste Absatzkanal. Die zwei Güter verkaufen ihre komplette Produktion direkt. Bei Rafal Stac, reichen die Preise von 11,50 Euro bis 14 Euro. Agnieszka Rousseau verlangt mehr: 15–20 Euro je Flasche.
Heimischer Markt prioritär
Beide wollen die Produktion steigern um der Nachfrage nachzukommen. „Wir haben noch sechs Hektar verfügbar und werden sie nach und nach bepflanzen”, bestätigt Agnieszka Rousseau. „Ich habe nicht genug Wein und denke, mich bis auf zehn Hektar zu vergrößern”, erklärt Rafal Stac, der sich auch mit neuen Gerätschaften für den Weinausbau ausstatten will, die mit 14000 Euro gefördert werden.
Miroslaw Jaxa Kwiatkowski wird einen neuen Gärkeller bauen. Eine Investition von 1,5 Millionen Euro, die zu 40 Prozent mit europäischen Fördermitteln bezuschusst wird. Mit einer Produktion von derzeit 110.000 Flaschen und bald 170.000, arbeitet Miroslaw mit Lidl zusammen.
Diese Discount-Kette verkauft 60 Prozent seiner Produktion. Er hat eigens für Lidl eine Produktreihe entwickelt, genannt Polka. Es sind Weine in den drei Farben, die für 6,50 Euro je Flasche verkauft werden. Teurer verkauft er eine Produktreihe von Weinen unter seinem eigenen Namen: von sieben Euro bis 22 Euro für eine Cuvée im Fass gereift. Er exportiert ein wenig nach Österreich und in die Schweiz, aber wie für alle polnischen Winzer bleibt der heimische Markt prioritär.
Eine Vielzahl kleiner Betriebe
Einstmals in Polen präsent, ist die Rebe zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert nach und nach verschwunden. Zu Beginn der 2000er Jahre hat sie wieder Fuß gefasst. Heute zählt der Verband der polnischen Winzer 421 Mitglieder, fast alle befinden sich in der südlichen Hälfte des Landes, vor allem in Schlesien und Malopolska.
Insgesamt bewirtschaften sie 416 Hektar. Freilich sind nur 180 Weingüter mit einer Gesamtfläche von 250 Hektar beim Landwirtschaftsministerium registriert, die ihre Weine vermarkten dürfen. Die anderen setzen sie unter Freunden ab und müssen geringere administrative Vorgaben erfüllen, wenn sie weniger als 1000 Liter pro Jahr erzeugen.
In Polen, das weniger als 1000 Hektar Reben hat, können die Winzer frei neue Parzellen bepflanzen, ohne dafür eine Genehmigung beantragen zu müssen. Auch wenn die polnischen Weinexporte insgesamt vernachlässigbar sind, haben doch einige Winzer aus Polen auf der vorigen Messe ProWein in Düsseldorf ihre Weine präsentiert.