Wein und mehr | 11. Januar 2021

Prosecco: Weltweite Flutwelle

Von Thierry Joly
Prosecco ist seit 2015 der meistverkaufte Schaumwein der Welt. Er wird in den beiden nordostitalienischen Regionen Venetien und Friaul-Julisch Venetien erzeugt.
Das Appellationsgebiet für Prosecco umfasst fast 25.000 Hektar Reben in Höhenlagen zwischen zwei und 50 Metern. Sie werden von rund 11.500 Winzern bewirtschaftet, von den kleinsten häufig im Nebenerwerb. Die Hauptrebsorte für Prosecco ist Glera.
Im Jahr 2019 haben die Italiener 486 Millionen Flaschen Prosecco auf den Markt gebracht, wovon 78 Prozent in den Export gingen, hauptsächlich in drei Länder: Großbritannien, USA und Deutschland. Frankreich folgt auf Platz vier. Die Produktion wird von 1192 Weinerzeugern sichergestellt – private und Genossenschaften –, die den Grundwein  an 347 Prosecco-Häuser liefern.
„Die zweite Gärung findet im Drucktank statt. Die Methode erfordert zwanzigfach höhere Materialinvestitionen als die klassische. Es braucht daher hohe Mengen, damit sich diese Investitionen rechnen”, erklärt Elena Moschetta, die zusammen mit ihrem Bruder Enrico und ihrem Mann Luca Cuzziol das Gut BiancaVigna mit 32,7 Hektar Reben leitet.
Kleine und Giganten
Elena Moschetta führt mit ihrem Bruder und ihrem Mann BiancaVigna, ein „kleines” Haus, das 1,2 Millionen Flaschen pro Jahr erzeugt.
BiancaVigna erzeugt jährlich 800.000 Flaschen, von denen es die Hälfte exportiert. Ein kleiner Mitspieler im Vergleich zu den Schwergewichten der Appellation, die eine hohe Schlagkraft in Werbung und Marketing haben, so wie etwa La Marca. Dieses Haus wurde 1966 von neun Genossenschaften mit insgesamt 440 Mitgliedern gegründet, darunter die von Orsago, rund zehn Kilometer entfernt von Conegliano.
Verteilt auf drei Produktionsstandorte, vermarktet La Marca jährlich 14 Millionen Flaschen und exportiert davon 85 Prozent. Villa Sandi ist ein weiterer Gigant mit Sitz in Crocetta del Montello. Diese Gesellschaft erzeugt 25,5 Millionen Flaschen: 5,5 Millionen unter ihrem Namen für Weinhändler und die Gastronomie; 20 Millionen unter der Marke La Gioiosa, die in Supermärkten in Italien und im Ausland zu haben ist. Der Export absorbiert 60 Prozent der Produktionsmenge.
Selbst im Besitz von 160 Hektar Reben, kauft Villa Sandi daneben Trauben von 1100 Vertragswinzern zu. „Wir zahlen einen Euro je Kilo, entscheiden auf der anderen Seite über den Erntezeitpunkt und überwachen alle anfallenden Arbeiten”, betont Stefano Gava, der Verantwortliche für die Produktion.
Glera – eine wüchsige Rebsorte
La Jara erzeugt Bioprosecco, der fast ausschließlich in den Export geht.
Alles in allem erstreckt sich die Appellation auf 24.450 Hektar Reben. Die Rebflächen befinden sich in der Ebene zwischen fünf und 50 Metern Höhe und sind aufgeteilt unter insgesamt 11.460 Winzern, unter denen die kleinsten im Nebenerwerb wirtschaften. Alle Arbeiten sind hier mechanisiert, und die Flächen sind zu 85 Prozent mit Glera bestockt, der Rebsorte, die zum mindestens gleichen Anteil im Prosecco enthalten sein muss.
Die Reben wachsen in Pflanzdichten von rund 2600 Stöcken je Hektar. „Eine dichtere Pflanzung bringt nichts, weil Glera eine sehr wüchsige Sorte ist mit starkem Ausbreitungsdrang”, erläutert Paolo Marion, Kellermeister von La Jara. „Wir sind Bio aus Überzeugung seit unserer Gründung 1999”, betont Giovanni Iaconis, Vertriebschef dieses Weinguts mit 60 Hektar Reben. „Das ist ein Trumpf auf einigen Märkten, weil wir fast 99 Prozent unserer Produktion exportieren. Unsere Erträge sind vergleichsweise gering: 12 Tonnen pro Hektar, während die Mehrzahl 18 Tonnen erntet, die Höchstmenge, die erlaubt ist”, ergänzt er.
„Das größte Problem für die Rebengesundheit ist die Peronospora”, betont Stefano Gava. „Hinzu kommen heftige Wetterphasen, die seit einigen Jahren zunehmen”, ergänzt Enrico Moschetta. Darunter Trockenperioden, die zur Entwicklung von Bewässerungssystemen im Gebiet der Appellation geführt haben. So haben zum Beispiel La Jara und Villa Sandi Tröpfchenbewässerung in ihren Reben installiert.
Für den schnellen Konsum
Enrico Moschetta im Keller von BiancaVigna.
Auch wenn Bio nur fünf Prozent der Produktion repräsentiert, so betreiben doch etliche Häuser umweltschonende Maßnahmen und heben sie auch hervor. So ist Villa Sandi für seine Kulturführung als „Biodiversity Friend” zertifiziert, während BiancaVigna das Gütezeichen „Casa Clima Wine” für seinen Keller trägt, der 80 Prozent seines Energiebedarfs von Photovoltaikmodulen bezieht.
Besonderheit von Prosecco: Weinbereitung und Abfüllung laufen das ganze Jahr über, „weil er im Verlauf der folgenden 18 Monate getrunken werden muss, um die Frische und Fruchtigkeit der Rebsorte Glera zu bewahren”, erklärt Luca Giavi, Geschäftsführer des Konsortiums des DOC Prosecco. Die Häuser und Weinbereiter halten daher Moste bei null Grad Celsius und Grundwein auf Lager. Produziert wird nach Auftragslage. Die zweite Gärung muss laut Vorgaben der Appellation mindestens einen Monat dauern. Einige Häuser wie BiancaVigna belassen den Schaumwein „zum Ausruhen” zwei Monate auf der Hefe. „Man erreicht damit mehr Komplexität, Cremigkeit und ein höheres Alterungspotenzial”, erklärt Enrico Moschetta.
Die Preise ab Keller für Privatkunden betragen im Allgemeinen zwischen 3 Euro und 4,50 Euro. Aber mehr und mehr Häuser haben Cuvées im Angebot, die zwischen sieben Euro und 8,50 Euro kosten.
Die Vermarktung wurde natürlich durch Covid-19 beeinträchtigt, aber nicht stark: Das Konsortium bezifferte den Verkaufsrückgang Ende Juni auf 8 Prozent und Ende September auf 1,4 Prozent. „Die Verkäufe sind im Fachhandel und Restaurantbereich deutlich zurückgegangen, aber es gab auch eine nie dagewesene Steigerung in den Supermärkten”, sagt Giancarlo Moretti Polegato, Chef von Villa Sandi.
   
 

 
Prosecco als Rosé
Luca Giavi, Geschäftsführer des Konsortiums der Appellation Prosecco, macht darauf aufmerksam, dass Prosecco getrunken werden sollte, bevor er 18 Monate alt ist.
Seit dem vergangenen Herbst präsentiert sich Prosecco auch als Rosé. Bestehend aus Glera und 10 bis 15 Prozent Spätburgunder, muss der Rosé zwingend mit Jahrgang versehen sein und die zweite Gärung muss mindestens über zwei Monate laufen.
„Unsere Kundschaft hat nach diesem Produkt gefragt, vor allem in den USA”, unterstreicht Luca Giavi, der den Markt augenblicklich auf 20 bis 30 Millionen Flaschen taxiert. „In zwei bis drei Jahren könnte er 10 bis 15 Prozent des Prosecco-Absatzes einnehmen”, schätzt Giancarlo Moretti Polegato.
Eine weitere Entwicklung: In den vergangenen Jahren ist der Anteil von brut und extra-brut gestiegen auf heute 30 Prozent und fünf Prozent. Der traditionelle Extra-dry (12 bis 17 Gramm Zucker pro Liter) kommt auf 65 Prozent.
Die Mehrzahl der großen Häuser hat zudem in ihrer Angebotspalette Cuvées von Prosecco superiore, Jahrgangseditionen und Schaumweine aus anderen Rebsorten als Glera. La Jara bietet sogar vegane Cuvées an.