Wein und mehr
| 12. Oktober 2017
Rosige Zeiten in der Provence
Von Aurélia Autexier
Roséweine der Provence profitieren derzeit zweifach: Die nationale Nachfrage ist dank günstigen Wetters freundlich und international bringt die steigende Beliebtheit trockener Roséweine und der mediterranen Lebensart Schwung.
Die Weine der Provence erleben rosige Zeiten, und das scheint noch nicht so bald zu enden. Die beherrschende Farbe dieses Teils von Wein-Frankreich hat Rückenwind.
Die Provence ist mit 42 Prozent der nationalen Erzeugungsmenge Frankreichs führende Region für Roséweine. Und die bisherigen Zahlen von 2017 sind rundum gut. Die Verkäufe im französischen Einzelhandel sind im ersten Halbjahr um 15 Prozent gestiegen, dank konsumfreundlichen Wetters.
Der Export legte in den ersten fünf Monaten des Jahres um 38 Prozent zu – das gab es noch nie. 2007 gingen lediglich zehn Prozent der Weine „AOC Côtes de Provence” ins Ausland; im vergangenen Jahr waren es 26 Prozent.
Bekanntheitsgrad nahm zu
„Seit 2011/2012 ändern sich die Geschmäcker in den angelsächsischen
Märkten”, stellt Brice Eymard von der Abteilung Wirtschaft der
Interprofession (Branchenverband) für Weine der Provence fest. „Bis
dahin lief der ‚american blush‘ – farbintensiver, süß schmeckender
Roséwein. Aber je mehr sich Weinkultur in den USA Bahn brach und je mehr
Weinkenner dort anzutreffen waren, desto mehr wurden alternative
Genussempfindungen nachgefragt.
So wollte man Rosé zunehmend trocken.
Daneben haben Prominente wie Sacha Lichine und sein Château d’Esclan und
das Paar Brad Pitt - Angelina Jolie mit ihrem Château Miraval die Rolle
der Speerspitze übernommen. Diese Marken haben dazu beigetragen, dass
der Bekanntheitsgrad der Region zunahm.”
Heute beschäftigt sich die
Mehrheit der Erzeuger der Region mit Export. Und die Steigerungen seit
Jahresbeginn sind umwerfend: plus 45 Prozent in den USA bis Ende Mai;
plus 64 Prozent in Großbritannien; plus 70 Prozent in Deutschland.
Mehrere Trümpfe
Valérie Rousselle begutachtet mit Kellermeister
Pierre Gerin (links) und dem weinbaulichen
Leiter Jean-Louis Francone die Reben
von Château Roubine.
Das Erscheinen neuer Händler in der Region von außen ist ein Beleg dafür, dass es um die Roséweine der Provence gut bestellt ist. Jeany und Stephen Cronk haben ihr Handelsunternehmen 2010 gestartet mit einem ersten Kontrakt über 10 000 Flaschen mit dem britischen Einzelhandelsunternehmen Waitrose.
„Ich bin gebürtige Deutsche und mein
Mann ist Engländer. Wir pflegen beide eine Leidenschaft für die Provence
und ihre Weine. Wir haben entschieden, einige Chargen Côtes de Provence
zu kaufen, unseren eigenen Verschnitt zu kreieren und unsere Marke
Mirabeau ins Leben zu rufen”, erzählt Jeany.
Besessen nach mediterraner Lebensart
Der Wein wird bei einem
Dienstleister in Brignoles (Departement Var) verschnitten und
abgefüllt. 2017 kalkulieren die Cronks mit rund 3,8 Millionen Euro
Umsatz für rund 900.000 Flaschen. Sie exportieren mitlierweile in 40
Länder.
„Die angelsächsischen Länder entwickeln eine wahre Besessenheit
für gesunde und entspannte Ernährung. Sie gieren nach der mediterranen
Lebensart und die Rosés der Provence profitieren von dieser
Schwärmerei”, stellt die Fachfrau fest. Und da viele angelsächsische
Touristen ihre Ferien in der Region verbringen, hat der Handel Mirabeau
in dieser Saison einen „Show room” in Cotignac eröffnet.
Und unsere
adoptierten Bewohner der Provence wollen hier nicht stehen bleiben: Sie
zielen 2018 auf den französischen Markt. Weil Rosé aus der Provence
so stark nachgefragt wird, beobachtet man derzeit eine Neujustierung bei
den Vetriebskanälen zugunsten der Märkte mit höherer Wertschöpfung.
Direktverkauf boomt
Der
Lebensmitteleinzelhandel verliert an Gewicht, innerhalb von zehn Jahren
ging sein Anteil von 55 Prozent auf 40 Prozent zurück. Dabei ist auch
hier der Durchschnittspreis gestiegen: von 2,50 Euro (inklusive
Mehrwertsteuer) je Flasche AOC Côtes de Provence im Jahr 2006 auf 4,80
Euro im Jahr 2016. Im Export beträgt der Durchschnittspreis je Flasche
(fob, free on board) 4,40 Euro für einen Wein der Provence.
Eine gute
Wertschöpfung erzielt der Direktverkauf. Als Marie-Pierre Caille Château
Mentone in Saint-Antonin du Var übernahm, hatte es sich noch keinen
wertbringenden Namen gemacht. Der größte Anteil der Produktion wurde als
Fasswein verkauft.
Um den Ruf des Namen Mentone aufzubessern, setzte
die neue Eigentümerin auf Weintourismus. Sie hat zunächst Gästezimmer
angeboten, und dann kam ab 2015 eine Gastwirtschaft (ferme auberge)
hinzu. Um diese Bewirtungsart betreiben zu können, ohne den Status
eines landwirtschaftlichen Unternehmens zu verlieren, verlangt das französische Reglement, dass die Hälfte der verwendeten Produkte vom
Betrieb stammt. Das ist bei Mentone der Fall bei Gemüse, Obst, Olivenöl,
Eiern und natürlich beim Wein.
„Die ferme auberge funktioniert zwar nur
in der touristischen Saison, von Mai bis Oktober. Dank dieses
Betriebszweigs kam jedoch unser Direktverkauf richtig in Fahrt”, erklärt
die Unternehmerin. „Heute macht der Direktverkauf ein Fünftel des
Geschäfts mit Wein aus. In der Hochsaison erreichen wir 10 000 Euro
Umsatz pro Woche im Keller”, betont sie.
Mit dem knappen Wein haushalten
Die Sonne scheint über dem Rosé der Provence und wie Adeline
de Barry analysiert, „muss man mit dem knappen Wein haushalten”. Um ihre
eigene Versorgung zu erhöhen, ist auch diese Winzerin vor fünf Jahren
in den Handel eingestiegen. „Ich habe Trauben zugekauft, manchmal auch
Wein. Dieser Zweig macht heute ein Drittel des betrieblichen Umsatzes
aus. Ich arbeite zurzeit mit vier Winzern zusammen, bleibe aber offen
für weitere.”
„Alle unsere Vertriebskanäle wachsen. Wir haben schon
einen Wettlauf um die Versorgung mit Wein. Was den Preis anbelangt, hört
man jedoch auch warnende Stimmen, die sagen, dass man nicht zu teuer
werden darf. Unser Weingut hat einen Durchschnittspreis von sieben Euro
ab Weingut für den Export. Unser Absatz steigt ununterbrochen und seit
zwei Jahren wachsen unsere Umsätze zweistellig”, stellt Valérie Roussel
fest.
Die Eigentümerin von Château Roubine mit 90 Hektar Reben hat den
glücklichen Umstand genutzt, sich mit dem Eigentümer des Weingutes
Sainte-Béatrice, ebenfalls in Lorgues, zusammentun zu können. Der Mann
in den Siebzigern hatte keinen Nachfolger in der Familie und ihr seine
50 Hektar Reben verkauft.
Zur Höhe der Transaktion machen sie keine
Angaben. Es dürfte kein Schnäppchen gewesen sein, denn der Markt für
Grund und Boden ist in der Provence sehr angespannt. Denkt man an
den Klimawandel mit der angekündigten Erwärmung, dürfte der Rosé, den
man frisch und kühl genießt, noch schöne Tage vor sich haben.