Wein und mehr | 12. Oktober 2017

Rosige Zeiten in der Provence

Von Aurélia Autexier
Roséweine der Provence profitieren derzeit zweifach: Die nationale Nachfrage ist dank günstigen Wetters freundlich und international bringt die steigende Beliebtheit trockener Roséweine und der mediterranen Lebensart Schwung.
In der Provence wachsen auf rund 38 000 Hektar Reben. 89 Prozent der AOC-Weine, die von hier kommen, sind Rosés.
Die Weine der Provence erleben rosige Zeiten, und das scheint noch nicht so bald zu enden. Die beherrschende Farbe dieses Teils von Wein-Frankreich hat Rückenwind.
Die Provence ist mit 42 Prozent der nationalen Erzeugungsmenge Frankreichs führende Region für Roséweine. Und die bisherigen Zahlen von 2017 sind rundum gut. Die Verkäufe im französischen Einzelhandel sind im ersten Halbjahr um 15 Prozent gestiegen, dank konsumfreundlichen Wetters.
Der Export legte in den ersten fünf Monaten des Jahres um 38 Prozent zu – das gab es noch nie. 2007 gingen lediglich zehn Prozent der Weine „AOC Côtes de Provence” ins Ausland; im vergangenen Jahr waren es 26 Prozent.
Bekanntheitsgrad nahm zu
„Seit 2011/2012 ändern sich die Geschmäcker in den angelsächsischen Märkten”, stellt Brice Eymard von der Abteilung Wirtschaft der Interprofession (Branchenverband) für Weine der Provence fest. „Bis dahin lief der ‚american blush‘ – farbintensiver, süß schmeckender Roséwein. Aber je mehr sich Weinkultur in den USA Bahn brach und je mehr Weinkenner dort anzutreffen waren, desto mehr wurden alternative Genussempfindungen nachgefragt.
So wollte man Rosé zunehmend trocken. Daneben haben Prominente wie Sacha Lichine und sein Château d’Esclan und das Paar Brad Pitt - Angelina Jolie mit ihrem Château Miraval die Rolle der Speerspitze übernommen. Diese Marken haben dazu beigetragen, dass der Bekanntheitsgrad der Region zunahm.”
Heute beschäftigt sich die Mehrheit der Erzeuger der Region mit Export. Und die Steigerungen seit Jahresbeginn sind umwerfend: plus 45 Prozent in den USA bis Ende Mai; plus 64 Prozent in Großbritannien; plus 70 Prozent in Deutschland.
Mehrere Trümpfe
Valérie Rousselle begutachtet mit Kellermeister Pierre Gerin (links) und dem weinbaulichen Leiter Jean-Louis Francone die Reben von Château Roubine.
Ende Juli dieses Jahres hatte Valérie Roussel, Eigentümerin von Château Roubine in Lorgues, bereits den Exportumsatz des gesamten Vorjahres erreicht. „Wir profitieren gerade von mehreren Trümpfen. Rosé aus der Provence passt sehr gut zur internationalen Küche, besonders zur asiatischen. Und neben der Übereinstimmung von Speisen und Wein findet die mediterrane Lebensart gerade viel Anklang. Unser Importeur aus Hongkong hat gerade eine Rosé-Bar eröffnet”, erläutert sie.
Das Erscheinen neuer Händler in der Region von außen ist ein Beleg dafür, dass es um die Roséweine der Provence gut bestellt ist. Jeany und Stephen Cronk haben ihr Handelsunternehmen 2010 gestartet mit einem ersten Kontrakt über 10 000 Flaschen mit dem britischen Einzelhandelsunternehmen Waitrose.
„Ich bin gebürtige Deutsche und mein Mann ist Engländer. Wir pflegen beide eine Leidenschaft für die Provence und ihre Weine. Wir haben entschieden, einige Chargen Côtes de Provence zu kaufen, unseren eigenen Verschnitt zu kreieren und unsere Marke Mirabeau ins Leben zu rufen”, erzählt Jeany.
 
Besessen nach mediterraner Lebensart
Jeany und Stephen Cronk setzen 900.000 Flaschen in 40 Länder ab.
Der Wein wird bei einem Dienstleister in Brignoles (Departement Var) verschnitten und abgefüllt. 2017 kalkulieren die Cronks mit rund 3,8 Millionen Euro Umsatz für rund 900.000 Flaschen. Sie exportieren mitlierweile in 40 Länder.
„Die angelsächsischen Länder entwickeln eine wahre Besessenheit für gesunde und entspannte Ernährung. Sie gieren nach der mediterranen Lebensart und die Rosés der Provence profitieren von dieser Schwärmerei”, stellt die Fachfrau fest. Und da viele angelsächsische Touristen ihre Ferien in der Region verbringen, hat der Handel Mirabeau in dieser Saison einen „Show room” in Cotignac eröffnet.
Und unsere adoptierten Bewohner der Provence wollen hier nicht stehen bleiben: Sie zielen 2018 auf den französischen Markt. Weil Rosé aus der Provence so stark nachgefragt wird, beobachtet man derzeit eine Neujustierung bei den Vetriebskanälen zugunsten der Märkte mit höherer Wertschöpfung.
Direktverkauf boomt
Marie-Pierre Caille vom Chateau Mentone setzt auf Weintourismus.
Der Lebensmitteleinzelhandel verliert an Gewicht, innerhalb von zehn Jahren ging sein Anteil von 55 Prozent auf 40 Prozent zurück. Dabei ist auch hier der Durchschnittspreis gestiegen: von 2,50 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) je Flasche AOC Côtes de Provence im Jahr 2006 auf 4,80 Euro im Jahr 2016. Im Export beträgt der Durchschnittspreis je Flasche (fob, free on board) 4,40 Euro für einen Wein der Provence.
Eine gute Wertschöpfung erzielt der Direktverkauf. Als Marie-Pierre Caille Château Mentone in Saint-Antonin du Var übernahm, hatte es sich noch keinen wertbringenden Namen gemacht. Der größte Anteil der Produktion wurde als Fasswein verkauft.
Um den Ruf des Namen Mentone aufzubessern, setzte die neue Eigentümerin auf Weintourismus. Sie hat zunächst Gästezimmer angeboten, und dann kam ab 2015 eine Gastwirtschaft (ferme auberge) hinzu. Um diese Bewirtungsart betreiben zu können, ohne den Status eines landwirtschaftlichen Unternehmens zu verlieren, verlangt das  französische Reglement, dass die Hälfte der verwendeten Produkte vom Betrieb stammt. Das ist bei Mentone der Fall bei Gemüse, Obst, Olivenöl, Eiern und natürlich beim Wein.
„Die ferme auberge funktioniert zwar nur in der touristischen Saison, von Mai bis Oktober. Dank dieses Betriebszweigs kam jedoch unser Direktverkauf richtig in Fahrt”, erklärt die Unternehmerin. „Heute macht der Direktverkauf ein Fünftel des Geschäfts mit Wein aus. In der Hochsaison erreichen wir 10 000 Euro Umsatz pro Woche im Keller”, betont sie. 
Mit dem knappen Wein haushalten
Adeline de Barry von Château Saint-Martin: „Wir müssen auf die Qualität aufpassen.”
Die Sonne scheint über dem Rosé der Provence und wie Adeline de Barry analysiert, „muss man mit dem knappen Wein haushalten”. Um ihre eigene Versorgung zu erhöhen, ist auch diese Winzerin vor fünf Jahren in den Handel eingestiegen. „Ich habe Trauben zugekauft, manchmal auch Wein. Dieser Zweig macht heute ein Drittel des betrieblichen Umsatzes aus. Ich arbeite zurzeit mit vier Winzern zusammen, bleibe aber offen für weitere.”
„Alle unsere Vertriebskanäle wachsen. Wir haben schon einen Wettlauf um die Versorgung mit Wein. Was den Preis anbelangt, hört man jedoch auch warnende Stimmen, die sagen, dass man nicht zu teuer werden darf. Unser Weingut hat einen Durchschnittspreis von sieben Euro ab Weingut für den Export. Unser Absatz steigt ununterbrochen und seit zwei Jahren wachsen unsere Umsätze zweistellig”, stellt Valérie Roussel fest.
Die Eigentümerin von Château Roubine mit 90 Hektar Reben hat den glücklichen Umstand genutzt, sich mit dem Eigentümer des Weingutes Sainte-Béatrice, ebenfalls in Lorgues, zusammentun zu können. Der Mann in den Siebzigern hatte keinen Nachfolger in der Familie und ihr seine 50 Hektar Reben verkauft.
Zur Höhe der Transaktion machen sie keine Angaben. Es dürfte kein Schnäppchen gewesen sein, denn der Markt für Grund und Boden ist in der Provence sehr angespannt. Denkt man an den Klimawandel mit der angekündigten Erwärmung, dürfte der Rosé, den man frisch und kühl genießt, noch schöne Tage vor sich haben.