Fachliches | 04. Oktober 2023

Seminar: Weinbau und Energiegewinnung

Von Mario Schöneberg
Welche Vor- und Nachteile haben in Weinbergen Solaranlagen, sogenannte Viti-Photovoltaik? Bei einem Seminar an der Pilotanlage auf dem Blankenhornsberg in Ihringen informierten sich 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Weinbau und von Behörden.
Organisiert und begleitet wurde die Veranstaltung von der Energieagentur Regio Freiburg. Das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg (WBI) und das Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) teilten die Ergebnisse ihrer Untersuchungen an der Pilotanlage.
Weltweit seien im Jahr 2020 Agri-PV-Anlagen mit zusammen mehr als 14 Gigawatt Spitzenleistung (GWp) installiert gewesen, die größten davon in China und Indien, sagte Jona Pillatzke, Referent für Viti-PV beim WBI. In Deutschland gebe es ein technisches Potenzial von etwa 1700 GWp, mit einem Kilowatt Spitzenleistung (kWp) könnten bei unseren klimatischen Verhältnissen zirka 1000 Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugt werden. Hochgerechnet könnte Agri-PV laut Pillatzke auf vier Prozent aller landwirtschaftlich genutzten Flächen den gesamten Deutschen Strombedarf decken. Als Vergleich führte er an, dass schon heute 13 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen für den Energiepflanzenanbau genutzt würden, dabei sei der Stromertrag durch Solarstrom im Schnitt 32-mal höher als der vom Energiemais-Anbau.
Eine Doppelnutzung von Flächen könnte die Ausnutzung des vorhandenen Bodens dabei um 60 Prozent steigern, wenn man davon ausgeht, dass der Ertrag sowohl von der landwirtschaftlichen Ernte als auch beim Strom auf jeweils 80 Prozent im Vergleich zu einer einseitigen Nutzung sinkt. Natürlich, so Pillatzke, sei der Ertrag stets kultur- und jahresabhängig, besonders großes Potenzial sieht er künftig bei wetterempfindlichen Kulturen im Obst-, Beeren-, Wein- und Hopfenanbau, idealerweise mit einem Energiespeicher. Schon heute zeigten sich die Schutzfunktion der Anlagen vor Extremwetter, eine verbesserte Wassernutzung und eine etwas verzögerte Traubenreife.
Gepflanzt wurden die Spätburgunder-Reben auf der Ihringer Anlage 2014 auf einem Vulkanverwitterungsboden, die Versuchsfläche hat 44 Ar und ist nach Süden auf einem abschüssigen Gelände ausgerichtet. Die rund 600.000 Euro teure Solaranlage hat eine Leistung von 220 kWp, kann damit am Standort rund 220.000 Kilowattstunden Strom im Jahr produzieren. Die Versuchsanlage besteht aus 19 Reihen mit unbeweglichen halbtransparenten Modulen sowie aus sieben Reihen mit beweglichen einachsigen Tracking-Modulen und ist rückbaufähig.
Sensoren der Firma Sick messen permanent zahlreiche Umwelt- und Wetter-Parameter. Eigentümer der Anlage ist die Firma Intech Clean Energy aus Kehl, deren Gründer Hansjörg Vollmer erläuterte, dass die Firma eingesprungen sei, weil das WBI selber keine extra Landesförderung für solche Versuchsanlagen bekommen könne. Ohne Förderung seien sie jedoch noch nicht rentabel.
Auch mit Solarpaneelen über den Reben seien Erträge von 150 bis 180 Kilogramm Trauben pro Ar möglich, informierte Vollmer, das sei mehr, als heute weithin abgegeben werden dürfe. Und bei einer Ständerhöhe von vier Metern könnten die Flächen zumindest von schleppergezogenen Maschinen bearbeitet werden. Aus seiner Erfahrung könne er berichten, dass oft Gemeinden offener für Agri-PV-Anlagen seien als Landwirte oder Winzer. Hier gelte es zu informieren und Ängste abzubauen. Wichtig sei, im Vorfeld abzuklären, wo ein Stromanschluss möglich sei und ob es Verbraucher in unmittelbarer Nähe gebe.
Anforderungen
Die Landwirte seien die idealen Partner für die Energiewende, meinte Moritz Gajewski vom 70-köpfigen Agri-PV-Team des ISE, der Mindestanforderungen für solche Anlagen benannte. So müsse die landwirtschaftliche Nutzbarkeit der Flächen weiterhin gewährleistet sein, der Flächenverlust durch Agri-PV solle maximal 15 Prozent betragen. Geprüft würden zudem die Lichtverfügbarkeit und die Lichthomogenität sowie die Verfügbarkeit von Wasser. Generell sollten Solaranlagen stets den landwirtschaftlichen Bedürfnissen untergeordnet werden, Bodenerosion und Schäden gelte es zu vermeiden. Schon heute ließen sich oft positive Effekte der Solaranlagen auf den landwirtschaftlichen Ertrag belegen, erklärte Gajewski, sowohl bei extremem Wetter als auch in ausgesprochenen Dürrejahren. In Frankreich gebe es in der Forschung schon gute erste Ergebnisse im Weinbau.