Fachliches | 09. Januar 2020

Wichtige Neuerungen auf der Sitevi

Von Martin Strauß, Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg
Vom 26. bis 28. November 2019 hat in Montpellier die Messe Sitevi zum 29. mal stattgefunden. Themen waren Weinbau und Kellereitechnik, Oliven-, Obst- und Gemüseanbau.
So sehen Gewinner aus. Der mit einer Goldmedaille ausgezeichnete Geräteträger von New Holland.
Wichtige Themen im Weinbau sind der Klimawandel, der Arbeitskräftemangel, die Erwartungen des Marktes und der Verbraucher sowie die Frage, ob und wie Pflanzenschutzmittel in Zukunft noch verwendet werden können und welche Konsequenzen die sich abzeichnenden Einschränkungen haben werden. Einige Antworten auf diese Herausforderungen wurden auf der Sitevi präsentiert.
Mit den Sitevi Innovation Awards zeichnet eine Jury aus rund 20 renommierten französischen und internationalen Spezialisten die besten Messeneuheiten aus. Die Juroren hatten die Wahl aus 77 eingereichten Anmeldungen. Schlussendlich gab es zwei Goldmedaillen, fünf Silbermedaillen und zwölf Bronzemedaillen, dies entspricht einer Medaillenquote von rund 25 Prozent. Einige davon werden im Folgenden vorgestellt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Eine Goldmedaille hat New Holland erhalten, nach eigenen Angaben der Weltmarktführer für Traubenvollernter. Schon immer versteht der Hersteller seine Maschine als Geräteträger. Die teure Anschaffung soll nicht nur während der Weinlese, sondern das ganze Jahr über zum Einsatz kommen. Mit „Intelliview IV” wird „Multipurpose on Demand” auf der Maschine Einzug halten. Was aber verbirgt sich hinter diesen Begriffen? Als Geräteträger kann der Vollernter mit vielen verschiedenen Anbaugeräten kombiniert werden, und zwar von diversen Herstellern.
Geräteträger
Normalerweise hätte dies die Montage immer neuer und zusätzlicher Bedien- und Anzeigeinstrumente in der Kabine zur Folge. Mit der von New Holland in Montpellier präsentierten Lösung soll diese Herausforderung der Vergangenheit angehören. Zu diesem Zweck kann jedes Anbaugerät im Vollernter einmalig angelegt werden. Die gewünschten Funktionen werden auf den vorhandenen Joystick programmiert und die Anzeige auf dem vorhandenen Monitor konfiguriert.
Von da an kann die Gerätekombination jederzeit abgerufen und gesteuert werden. Besonders interessant ist auch die Option, bereits vorhandene Konfigurationen zu übertragen. Dies kann zwischen Anwendern oder auch mithilfe des Händlers geschehen. Eine Unterstützung des Herstellers soll im Regelfall nicht erforderlich sein. Angesichts der möglichen Kombinationsvielfalt handelt es sich ohne Zweifel um eine herausragende Leistung, die auch mit sicherheitsfördernden Einrichtungen kombiniert wird: beispielsweise schaltet sich der Laubschneider automatisch aus, sobald der Fahrer den Sitz verlässt. Ein Vorgewendemanagement rundet die Innovation zusätzlich ab.
Zweite Goldmedaille
Auch die zweite Goldmedaille betrifft die pflanzliche Erzeugung im Außenbetrieb. Ausgezeichnet wurde eine Klimaschutzlösung mittels dynamischer Photovoltaikelemente des Anbieters Sun’Agri. Bekannt ist die automatische Ausrichtung von Photovoltaikelementen, um die Stromausbeute zu optimieren.
Sun’Agri geht einen anderen Weg. Über der Sonderkulturanlage werden Solarmodule aufgebaut. Je nach Wetterlage erfolgt die Ausrichtung derselben. Hierbei steht jedoch nicht der energetische Nutzen im Vordergrund, sondern der Schutz der darunter befindlichen Dauerkultur.
Mithilfe lang erprobter Algorithmen werden die Module nach Wunsch des Bewirtschafters gesteuert. Es kann so das Mikroklima in der Anlage möglichst optimal beeinflusst werden – je nach Tag-und-Nacht-Schwankungen, Beschattung, Verdunstung, indirektem Frostschutz, Beeinflussung phänologischer Parameter, Wasserverbrauch und anderem. Sicherlich ist dieser Ansatz zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Fläche vorstellbar, jedoch könnte es ein modernes, energetisch interessantes System für die Zukunft werden.
Zweimal Silber für weniger Abdrift beim Rebschutz
Das französische Weinbauinstitut (IFV – Institut Français de la vigne & du vin) wurde für eine Kennzeichnung von Pflanzenschutzgeräten mit einer Silbermedaille ausgezeichnet. Bei dem „LabelPulvé” genannten System wird einem Pflanzenschutzgerät ein Buchstabe (C, B, A oder A+) verliehen. Dieser Buchstabe gibt Auskunft über die Applikationsqualität des Gerätes. Es sollen unter anderem Investitionsentscheidungen erleichtert werden. Die Einstufung erfolgt nach den Regularien des EvaSprayViti-Tests.
Eine weiterer zweiter Platz ging an IRSTEA. Auch hier geht es um die Reduktion von Abdrift in Verbindung mit einer verbesserten Anlagerung von Pflanzenschutzmitteln. Der Bereich vor den Düsen wird von einer „Luftbarriere” flankiert.
So sollen die Tröpfchen weder in die Luft noch auf den Boden gelangen. In der Folge sei die Anlagerung optimiert und es könne sogar die Aufwandmenge reduziert werden, betont der Anbieter. Bereits im kommenden Jahr soll vom Prototypenstatus direkt in die Markteinführung gegangen werden.
In Anbetracht der Tatsache, dass in Frankreich noch immer über 50 Prozent der Pflanzenschutzgeräte über eine pneumatische Tropfenaufbereitung verfügen, steigern diese zwei Maßnahmen hoffentlich die Applikationsqualität und Abdriftreduktion.
Zwei weitere Silbermedaillen
Eine weitere Silbermedaille ging an die Innovationsschmiede Pellenc. Die Firma ist seit jeher für einen Preis auf der Sitevi gut. Mit „Combined Multitasking” geht Pellenc in Sachen Schlagkraft und Benutzerfreundlichkeit einen Schritt voran.
Zunächst sind die Anbauoptionen in der Geräteträgerfront sowie im Heck den neuen Anforderungen der Anbaugeräte in hydraulischer, elektrischer und elektronischer Form angepasst worden. Nun ist es möglich, zwei Rebzeilen in einer Überfahrt mit je einem Anbaugerät vorne und hinten zu bearbeiten. Die Herausforderung, die Anbaugeräte zu bedienen, wird durch einen Joystick und einen Bildschirm gemeistert.
Ferner ist es möglich, viele Handgriffe zu automatisieren. Pellenc hat bereits in der Vergangenheit mit „Multiviti” Erfahrungen gesammelt und in diesem Fall sicher davon profitiert.
Eine weitere Silbermedaille ging an Parsec SRL für eine kellerwirtschaftliche Softwarelösung. Bei dem computergestützten Steuerungssystem steht die Automatisierung der Sekt- und Perlweinproduktion im Vordergrund.
Mit Bronze aufs Treppchen
Agrauxine wurde für ein Biofungizid mit einer Bronzemedaille ausgezeichnet. Das Botrytizid kann in Reben und anderen Obst- und Gemüsearten zum Einsatz kommen. Es handelt sich um Hefepilze aus der Gattung der Zuckerhefen (Saccharomyces) – keine unbekannten Wesen für Winzer.
Im Rahmen einer Reduktionsstrategie soll durch die Anwendung des Biofungizids auf eine oder zwei Anwendungen mit chemisch-synthetischen Fungiziden verzichtet werden können. Bei einer Aufwandmenge von 2,5 kg/ha und einer Wartezeit von einem Tag ist es ein anwenderfreundliches Produkt. Das Produkt wird in Frankreich unter dem Namen „Julietta” vertrieben.
Ebenfalls den Pflanzenschutz betreffend ist das mit Bronze bedachte Expertensystem „DeciTrait” des französischen Weinbauinstituts. Im Kern handelt es sich um ein Prognosemodell für Oidium, Peronospora, Schwarzfäule und Botrytis. Dieses ist eingebunden in eine wählbare konventionelle oder ökologische Bewirtschaftungsform in Verbindung mit den zur Verfügung stehenden Handelspräparaten. Vom Modell werden der Behandlungstermin und die einzusetzenden Mittel vorgeschlagen. Eine Antiresistenzstrategie soll dabei Berücksichtigung finden.
Einen weiteren dritten Platz erhielt das Bewässerungssystem „Andromede” von Aquadoc. Der mancherorts heute schon knappe Faktor Wasser soll damit optimal genutzt werden. Ziel ist es, in einer Bewässerungsgemeinschaft den Wasserverbrauch nach vorher festgelegten Regeln und Prioritäten zu verteilen. Wird die Ressource Wasser knapp, reagiert das System anhand der gemachten Vorgaben. Dieses Werkzeug wird in Zukunft vermutlich an Bedeutung gewinnen.
neues Feld
Die Roboter kommen. Naio Technologies zeigte eine Lösung für die Beikrautkontrolle im Weinberg.
BM Emballage ist ein Begriff unter Pflanzguterzeugern. Mit der BM76G ist eine Schneidmaschine für Edelreiser in Hochgeschwindigkeit mit Bronze ausgezeichnet worden. Bei einer Stundenleistung von etwa 4500 Edelreisern werden diese, sortiert in maximal drei Kategorien, ausgeworfen. Möglich ist diese Geschwindigkeit durch eine sehr schnelle Bildverarbeitung. Mit einer zweiten Kamera wird zusätzlich die Qualität der geschnittenen Edelreiser kontrolliert.
Felco wurde auf der Sitevi für eine Lösung zur Datenerfassung im Feld in Kombination mit einer Webanwendung mit Bronze ausgezeichnet. Georeferenziert werden Informationen mittels eines kleinen Terminals – Collector genannt – am Handgelenk erfasst. Die Daten werden in Echtzeit über eine Mobiltelefonverbindung an die Digivitis-Anwendung übertragen. Dort werden die Informationen über Diagramme oder Karten veranschaulicht. Des Weiteren sind die Verteilung von Arbeitsaufträgen sowie die Erstellung von Berichten sehr leicht möglich.
Same-Deutz Fahr kassiert Bronze
Für SDF (Same-Deutz Fahr) gab es eine Bronzemedaille für den Frutteto CVT Activesteer. Die Juroren haben hier sicherlich das Gesamtpaket des Traktors mitbewertet. Dazu gehört ein stufenloses Getriebe, die MaxCom Multifunktionsarmlehne, eine leistungsstarke Load-Sensing Hydraulikanlage und erstmalig eine Vierrad-Lenktechnologie namens „ActiveSteer”. Solange die vorgegebene Geschwindigkeit nicht überschritten wird, können die Hinterräder bis zu 18 Grad einschlagen. Der minimale Wenderadius reduziert sich auf 2,87 m. Sicherlich für den Alltag wichtig ist der Automatikmodus von ActiveSteer, der die vier vorhandenen Lenkmodi ergänzt.
Neben den beschriebenen Auszeichnungen wurden noch weitere im Bereich der Kellerwirtschaft vergeben.