Fachliches
| 01. Dezember 2022
SO2 zugeben oder doch besser kühlen?
Von Dr. Ramón Heidinger, Abteilung Oenologie, WBI Freiburg
Weine mit Restsüße sind sehr beliebt. Die Gärunterbrechung ist eine Methode, dies zu erreichen. Dafür eignen sich Schwefeldioxid (SO2) und Kälte. Aber welchen Einfluss haben diese Maßnahmen auf die Bildung von Acetaldehyd und somit den Gehalt an gebundenem Schwefeldioxid?
Im Handel erhältliche Weißweine enthalten durchschnittlich 40 mg Acetaldehyd/l, während es in Rotweinen 20 mg/l sind. Allein Acetaldehyd ist in Weiß- und Rotweinen daher für etwa 60 beziehungsweise 30 mg/l gebundenes SO2 verantwortlich. Um nicht zu viel SO2 im Wein zu haben, gilt es, die unnötige Bildung von Acetaldehyd zu vermeiden.
Mengenmäßig ist die Bildung von Acetaldehyd durch chemische Oxidation von Ethanol nur dann relevant, wenn Weine nicht ausreichend vor dem atmosphärischen Sauerstoff geschützt werden, beispielsweise bei der Lagerung in nicht spundvollen Gebinden oder ohne Inertgas, beim Pumpen oder der Filtration. Bei sorgfältiger Kellerarbeit ist die mit Abstand wichtigste Quelle von Acetaldehyd jedoch die Hefe.
Mengenmäßig ist die Bildung von Acetaldehyd durch chemische Oxidation von Ethanol nur dann relevant, wenn Weine nicht ausreichend vor dem atmosphärischen Sauerstoff geschützt werden, beispielsweise bei der Lagerung in nicht spundvollen Gebinden oder ohne Inertgas, beim Pumpen oder der Filtration. Bei sorgfältiger Kellerarbeit ist die mit Abstand wichtigste Quelle von Acetaldehyd jedoch die Hefe.
Woher Acetaldehyd kommt
Acetaldehyd ist ein Zwischenprodukt der alkoholischen Fermentation und wird zu Beginn der Gärung von Hefen immer ausgeschieden und danach teilweise wiederverwendet. Während der Bildungsphase werden Spitzenkonzentrationen von durchschnittlich 60 bis 100 mg/l erreicht. Die Acetaldehydbildung hängt von der Hefegattung und -art ab.
So bilden beispielsweise Hefen der Gattung Shizosaccharomyces sehr viel Acetaldehyd (mehr als 100 mg/l), während Hefen der Gattung Torulaspora eher wenig ausscheiden (weniger als 15 mg/l). Saccharomyces cerevisiae verursacht mittlere Konzentrationen. Hohe Mostgewichte stressen den Hefestoffwechsel und erhöhen so die Acetaldehydproduktion. Der bedeutendste Effekt wird jedoch durch SO2 verursacht. Wann immer lebende Hefen in Anwesenheit von vergärbarem Zucker SO2 ausgesetzt werden, wird mehr Acetaldehyd gebildet. Wer also SO2 auf Most oder Maische gibt, erhöht die Acetaldehydbildung.
SO2 wird gerne auch benutzt, um Gärungen zu unterbrechen und im Wein eine gewisse Restsüße zu erhalten. Die Methode ist relativ einfach anzuwenden und preiswert. Zudem ist der Wein besser vor Oxidation geschützt.
Der Versuch
In der vorliegenden Studie wurde untersucht, wie effektiv die Anwendung von SO2 im Vergleich zur Kühlung ist, und wie sich beide Methoden auf die Bildung von Acetaldehyd auswirken. Verwendet wurde hierfür ein steril filtrierter Chardonnay (pH 3,2; 8,4 g/l GS, 126 mg/l hefeverwertbarer Stickstoff), der mit zwei verschiedenen Standardhefen (EC1118 und CY3079) nach einer Hefedosage von 25 g/hl vergoren wurde. Nach zehn Tagen Gärung bei 18 °C wurden dem Wein bei laufender Gärung 0 bis 350 mg SO2/l zugegeben. Die Weine wurden anschließend entweder bei 18 °C weiter gelagert oder sofort auf 4 °C abgekühlt und 15 weitere Tage beobachtet.
Das Hefelager wurde nicht abgetrennt. Die Acetaldehyd- und Zuckerkonzentrationen wurden in den 16 Varianten regelmäßig bestimmt. Alle Gärungen waren über den gesamten Zeitraum in einer sogenannten anaeroben Kammer, die keinerlei Sauerstoff enthält. Hierdurch konnte sichergestellt werden, dass die beobachteten Änderungen der Acetaldehydkonzentration ausschließlich auf die Hefeaktivität zurückzuführen waren.
Das Hefelager wurde nicht abgetrennt. Die Acetaldehyd- und Zuckerkonzentrationen wurden in den 16 Varianten regelmäßig bestimmt. Alle Gärungen waren über den gesamten Zeitraum in einer sogenannten anaeroben Kammer, die keinerlei Sauerstoff enthält. Hierdurch konnte sichergestellt werden, dass die beobachteten Änderungen der Acetaldehydkonzentration ausschließlich auf die Hefeaktivität zurückzuführen waren.
Gärunterbrechung durch SO2-Zugabe
Von einer anfänglichen Zuckerkonzentration von 230 g/l (Glucose und Fructose) verblieben nach zehn Tagen Gärung noch 69 g/l und 86 g/l in den Varianten mit Saccharomyces cerevisiae CY3079 und EC1118. Das entspricht 30 und 38 % des ursprünglichen Gehalts. Die Abbildungen 1 und 2 zeigen den Verlauf der Zucker- und Acetaldehydkonzentrationen in den Varianten, die konstant bei 18 °C gelagert wurden.
In den Kontrollvarianten ohne SO2-Zugabe wurde der Zucker im 25 Tage langen Beobachtungszeitraum fast vollständig abgebaut. Die SO2-Zugabe von 50 mg/l reduzierte zwar die Zuckerabbaurate, konnte die Gärung aber nicht unterbrechen. Anders sah es bei den SO2-Zugaben von 150, 250 und 350 mg/l aus: Hier kam die Gärung bei beiden Hefen sofort vollständig zum Erliegen.
In allen Versuchen war die anfängliche Acetaldehydbildung in den ersten drei Tagen sowie die Wiederverwertung ab Tag drei gut zu erkennen. In den Kontrollgärungen ohne
SO2-Zugabe wurde der Acetaldehydgehalt nach Tag zehn noch um weitere 8 % (CY3079) und 30 % (EC1118) reduziert.
In allen Versuchen war die anfängliche Acetaldehydbildung in den ersten drei Tagen sowie die Wiederverwertung ab Tag drei gut zu erkennen. In den Kontrollgärungen ohne
SO2-Zugabe wurde der Acetaldehydgehalt nach Tag zehn noch um weitere 8 % (CY3079) und 30 % (EC1118) reduziert.
In allen Varianten mit SO2-Zugabe erhöhte sich der SO2-Gehalt im Beobachtungszeitraum jedoch wieder. Besonders schnell und stark war die Erhöhung in Varianten, in denen die Hefen nur teilweise im Zuckerabbau gehemmt waren, das heißt nach Zugabe von 50 mg SO2/l. Die Acetaldehydkonzentration stieg hier nach der SO2-Zugabe wieder um durchschnittlich 36 mg/l.
Bei höheren SO2-Zugaben von 150 bis 350 mg/l kam es in den ersten ein bis zwei Tagen zu keiner oder nur zu einer geringen Erhöhung des Acetaldehydgehalts. Erst danach stiegen die Werte wieder an. Beim Hefestamm EC1118 war dieser Wiederanstieg ausgeprägter.
Bei höheren SO2-Zugaben von 150 bis 350 mg/l kam es in den ersten ein bis zwei Tagen zu keiner oder nur zu einer geringen Erhöhung des Acetaldehydgehalts. Erst danach stiegen die Werte wieder an. Beim Hefestamm EC1118 war dieser Wiederanstieg ausgeprägter.
SO2-Zugabe und/oder Kühlung
Die Abbildungen 3 und 4 zeigen die Varianten, die zusätzlich innerhalb einer Stunde gekühlt wurden. In den Kontrollvarianten ohne SO2-Zugabe wurden während der Kühlphase noch geringe Zuckermengen abgebaut, die danach jedoch stabil blieben. Der kombinierte Effekt von Kühlung und SO2-Zugaben führte sofort zu einem Gärstopp, auch bei der niedrigsten SO2-Zugabe von nur 50 mg/l.
Die Kühlung verhinderte in der Kontrolle ohne SO2-Gabe auch den weiteren Abbau von Acetaldehyd. Stattdessen zeigte sich hier ein geringer Wiederanstieg von maximal 5,5 mg/l bei der Hefe EC1118. In allen Varianten mit kombinierter Kühlung und SO2-Gabe stieg die Acetaldehyd-Konzentration signifikant an. Dieser Prozess begann allerdings erst etwa einen Tag nach der SO2-Zugabe.
Die Kühlung verhinderte in der Kontrolle ohne SO2-Gabe auch den weiteren Abbau von Acetaldehyd. Stattdessen zeigte sich hier ein geringer Wiederanstieg von maximal 5,5 mg/l bei der Hefe EC1118. In allen Varianten mit kombinierter Kühlung und SO2-Gabe stieg die Acetaldehyd-Konzentration signifikant an. Dieser Prozess begann allerdings erst etwa einen Tag nach der SO2-Zugabe.
SO2 führt immer zur Neubildung von Acetaldehyd
Abbildung 5A fast die Ergebnisse aus den 32 Versuchen graphisch zusammen. Interessanterweise führten SO2-Zugaben immer zur Neubildung von Acetaldehyd, auch wenn der Abbau von Zucker praktisch nicht relevant oder messbar war. Die höheren SO2-
Gaben mit 250 und 350 mg/l führten dabei zu geringeren Anstiegen als die niedrigeren mit 50 und 150 mg/l.
Gaben mit 250 und 350 mg/l führten dabei zu geringeren Anstiegen als die niedrigeren mit 50 und 150 mg/l.
Dieser Sachverhalt liest sich auch gut vom Acetaldehydertrag ab – siehe Abbildung 5B. Bei 50 und 150 mg SO2/l lagen die Bildungsraten nach 25 Tagen zwischen 180 und 720 µg Acetaldehyd pro zugegebenem mg SO2, während bei 250 und 350 mg SO2/l die Werte zwei- bis siebenfach geringer waren. Die Kombination mit einer Kühlung führte über die gesamten 25 Tage immer zu einer Verringerung der Acetaldehydbildung im Vergleich zur SO2-Zugabe bei normaler Gärtemperatur.
Zusammenfassung
Durch die Zugabe von Süßreserven lassen sich Weine mit Restsüße herstellen. Es kann aber auch Vorteile haben, eine Gärunterbrechung herbeizuführen, um Restzucker bei gleichzeitig reduzierten Alkoholgehalten zu bewahren. Im Laufe der weiteren Klimaerwärmung und der damit einhergehenden Mostgewichte und Alkoholgehalte sowie der Einführung von Nährwerttabellen wird diese Methode wahrscheinlich auch relevanter werden.
In diesem Zusammenhang muss auch betont werden, dass bei identischem Zuckernährwert Restzucker durch Abstoppen süßer ist als Süßreserve. Grund hierfür ist, dass die Hefe Saccharomyces cerevisiae glucophil ist. Bereits nach einigen Tagen Gärung verbleibt daher oft schon doppelt so viel Fructose wie Glucose im Jungwein – siehe Abbildungen 1 bis 4. Sobald der Restzucker unter etwa 15 g/l fällt, ist oft nur noch Fructose vorhanden. Fructose wird vom Menschen 1,5- bis 1,7-mal süßer wahrgenommen als Saccharose. Die Glucose hingegen wird als weniger süß empfunden: nur mit 0,7- bis 0,8-mal der Süßkraft von Saccharose. Hinsichtlich des reinen physiologischen Brennwerts ist Restzucker in Form von Fructose daher vorzuziehen.
SO2-Gehalt im Auge behalten
Das Interesse an Gärunterbrechungen steigt. Deshalb wird eine bessere Charakterisierung der dafür benutzten Methoden erforderlich. Apparative Methoden wie die Verwendung von Zentrifugen oder Tangentialfiltern sind denkbar und möglich, in vielen Kellern aber nicht vorhanden oder nicht für diese Anwendung nutzbar. Deshalb wurden hier die beiden gängigen Methoden, die Zugabe von SO2 und die Kühlung, verglichen.
Die Zugabe von SO2 ist praktisch sehr einfach durchzuführen, effizient und angesichts der hohen Energiepreise auch ökonomisch meist vorteilhaft. Zudem wird SO2 bei den meisten Weinen ohnehin zur mikrobiologischen und oxidativen Stabilisierung eingesetzt, sodass mehrere Arbeitsschritte vereint werden können. Ein Nachteil ist jedoch, dass SO2 bei lebensfähigen Hefen in Anwesenheit von Zucker unweigerlich zur Bildung von Acetaldehyd führt.
Die Zugabe von SO2 ist praktisch sehr einfach durchzuführen, effizient und angesichts der hohen Energiepreise auch ökonomisch meist vorteilhaft. Zudem wird SO2 bei den meisten Weinen ohnehin zur mikrobiologischen und oxidativen Stabilisierung eingesetzt, sodass mehrere Arbeitsschritte vereint werden können. Ein Nachteil ist jedoch, dass SO2 bei lebensfähigen Hefen in Anwesenheit von Zucker unweigerlich zur Bildung von Acetaldehyd führt.
Dieses bindet wiederum SO2 und verursacht somit höhere Werte an gebundenem und letztendlich gesamtem SO2. Die hier gemessenen Erhöhungen des Acetaldehydgehalts nach SO2-Zugabe hätten das gebundene SO2 um 20 bis 50 mg/l erhöht. Der gesamte Acetaldehydgehalt hätte in den Versuchen ohne Kühlung statt 50 bis 80 mg/l dann 70 bis 115 mg/l gebundenes SO2 verursacht, was bei Bioweinen oder geringen Restzuckergehalten bereits problematisch ist.
Richtiges Maß schwer zu schätzen
Berücksichtigt werden muss, dass die hier gezeigten Daten Extremwerte darstellen. Denn die Weine wurden nach der Stabilisierung absichtlich nicht abgestochen, um die Hefeaktivität weiter beobachten zu können. Wer rasch absticht, kann daher im Vergleich zur Kühlung von kleineren Unterschieden ausgehen.
Die Ergebnisse zeigen, dass man sofort eine ausreichend hohe SO2-Zugabe wählen sollte. Wo das richtige Maß liegt, kann allerdings schwer abzuschätzen sein. Zudem wurde auch bei den sehr hohen SO2-Zugaben von 350 mg/l noch Acetaldehyd in signifikanten Mengen gebildet, wenn der Wein auf dem Hefelager verblieb, auch wenn die Hefe nicht aufgerührt wurde.
Die Ergebnisse zeigen, dass man sofort eine ausreichend hohe SO2-Zugabe wählen sollte. Wo das richtige Maß liegt, kann allerdings schwer abzuschätzen sein. Zudem wurde auch bei den sehr hohen SO2-Zugaben von 350 mg/l noch Acetaldehyd in signifikanten Mengen gebildet, wenn der Wein auf dem Hefelager verblieb, auch wenn die Hefe nicht aufgerührt wurde.
Goldstandard Kühlung
Besser ist deshalb die ausschließliche Kühlung. Mit einem Kältespeicher, der durch Umgebungsluft betrieben wird, könnte die Kühlung auch ökonomisch sinnvoll sein, wenn entsprechende Außentemperaturen herrschen. Die Kühlkapazität der meisten Keller wird es zurzeit aber nicht erlauben, große und gärende Jungweinvolumen innerhalb der hier erreichten Zeitspanne abzustoppen.
Eine langsame Annäherung an den Gärstopp durch stetiges Abkühlen mag ein Kompromiss sein, der es auch erleichtert, einen bestimmten Zielwert beim Restzucker zu erreichen. Die Gärstärke lässt sich im Übrigen durch eine stärkere Mostvorklärung (NTU <50) und kleinere Gärsalzgaben besser regulieren. Um hierbei Böckser zu vermeiden, ist die Wahl einer modernen Hefe, die keinen Schwefelwasserstoff (H2S) bildet, hilfreich. Wen die Reduktion von H2S interessiert, kann im Artikel „Was ist DAS” in der September-Ausgabe des Badischen Winzers nachlesen.
SO2-Zugabe unter bestimmten Voraussetzungen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kühlung ohne SO2-Zugabe der „Goldstandard” ist. Hier entsteht am wenigsten Acetaldehyd, wodurch der Gehalt an gebundenem SO2 gering bleibt. Aber auch nach einer kälteinduzierten Gärunterbrechung sollte die SO2-
Zugabe erst nach dem Abtrennen der Hefe stattfinden, da selbst in gekühlten Jungweinen die Hefen noch ausreichend metabolisch aktiv sind und den Acetaldehydgehalt um 10 bis 25 mg/l erhöhen.
Die Zugabe von SO2 ohne Kühlung ist hinsichtlich der möglichen Acetaldehyderhöhung auch vertretbar. Allerdings sollte dann eine relativ hohe Gabe erfolgen und der Kontakt von großen Mengen metabolisch aktiver Hefen mit SO2 reduziert werden: Nach Möglichkeit durch Abtrennung der Grobhefe vor der SO2-Gabe und einen weiteren Abstich sofort nach Ende der Gäraktivität und dem Absetzen des Hefelagers.
Zugabe erst nach dem Abtrennen der Hefe stattfinden, da selbst in gekühlten Jungweinen die Hefen noch ausreichend metabolisch aktiv sind und den Acetaldehydgehalt um 10 bis 25 mg/l erhöhen.
Die Zugabe von SO2 ohne Kühlung ist hinsichtlich der möglichen Acetaldehyderhöhung auch vertretbar. Allerdings sollte dann eine relativ hohe Gabe erfolgen und der Kontakt von großen Mengen metabolisch aktiver Hefen mit SO2 reduziert werden: Nach Möglichkeit durch Abtrennung der Grobhefe vor der SO2-Gabe und einen weiteren Abstich sofort nach Ende der Gäraktivität und dem Absetzen des Hefelagers.
Das schnelle Absetzen von Hefen kann durch eine Bentonitgabe verbessert werden. Beim Umpumpen sollte auf ausreichendes Vorspannen der Gebinde mit Inertgas geachtet werden, um die oxidative Acetaldehydbildung zu reduzieren, die in dieser Studie vermieden wurde.