Nachrichten | 02. Juli 2021

„Wir plädieren für eine Doppelnutzung”

Von Gerda Oswald
Als Leuchtturmprojekt „Weinbau 4.0” werden ab 2022 für fünf Jahre mehrere Projektpartner verstärkt zusammenarbeiten, um den traditionellen Weinanbau mithilfe digitaler Technologien fit für die Zukunft zu machen.
Es ist eine alte betriebswirtschaftliche Weisheit, dass gemeinsame Projekte am erfolgreichsten sind, wenn jeder Partner davon profitiert und letztlich der Anwender vom Produkt begeistert ist.
An namhaften Experten fehlt es nicht bei diesem Projekt. Da sind die Wirtschaftsförderer der Landkreise Emmendingen und  Ortenau, die Winzer und Genossenschaften aus dem Breisgau, Kaiserstuhl und der Ortenau, der Sensorhersteller Sick AG aus Waldkirch und Robot Makers aus Kaiserslautern, die ZG Raiffeisen, Viti-PV Team Riegel, Badenova Freiburg, Gsun in Mengen sowie als Berater das Weinbauinstitut Freiburg und der Weinbauverband, die Handwerkskammer Freiburg und das landwirtschaftliche Bildungszentrum Emmendingen für die Aus- und Weiterbildung.
Udo Opel demonstrierte den Einsatz einer Sprühdrohne im Rebberg. Hier bei der Burgruine Hochburg im Kreis Emmendingen.
Doch um was geht es eigentlich? Die digitale Automatisierung soll im Rebberg verstärkt werden. Dafür brauchen die Techniker die Erfahrungen der Winzer vor Ort. Gerade in Steillagen werde die Bearbeitung der Reben immer anstrengender und die nachfolgende Generation verliere das Interesse, so Udo Opel, Geschäftsführer der WG Roter Bur vom Glottertal.
Seit drei Jahren begleitet er ein Drohnen-Projekt, um die Spritzmittel GPS-genau in den Steillagen auszubringen. Eine enorme Zeit- und Arbeitsersparnis hat er festgestellt. In 45 Minuten besprüht er einen Hektar Steillage und 90 Prozent Abdriften des Spritzgutes gegenüber dem Einsatz eines Schlauchwagens würden verhindert. Er führt den Einsatz einer Sprühdrohne mit einem Tankvolumen von 9 Litern vor. Demnächst experimentiert er mit einem Volumen von 16 Litern.
Strom im Rebberg erzeugen
„Und wie laden Sie die Akkus auf ?”, fragte Timo Beck von der Weinbau und Photovoltaikfläche Viti-PV Team Riegel. Mit einem mitgeführten Generator auf Benzinbasis. Hier greifen nun die Ideen seiner Firma: „Wir erzeugen Strom im Rebberg”. Reben wachsen in sonnigen Lagen. „Wir plädieren für eine Doppelnutzung der Fläche”, so Beck. Da wachse zum einen die Rebe, die auch mit Extremwettern wie Hagel, Sonnenbrand, frühem Frost oder Pilzbefall wegen Dauerregen zu kämpfen habe. Und es gebe die Möglichkeit eines Daches aus einem Photovoltaik-Element. Weiter könne vor Ort etwa der Akku der Sprühdrohne aufgeladen werden. Denke man weiter, gebe es sogar die Möglichkeit der Energieeinspeisung. Sicherlich nicht überall, aber mancherorts doch als ein weiteres Standbein eines Winzers.
Wirtschaftsförderer Robin Derdau, Landrat Hanno Hurth und der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung des Kreises Emmendingen, Thorsten Kille (v.l.), mit der Urkunde zur Ernennung des Projektes als Leuchtturmprojekt Weinbau 4.0.
Bei der Photovoltaikanlage in Riegel sowie in Freiburg und der Ortenau sollen Akzeptanz und Bildung Schwerpunkt des Projekts sein. „Wir überlegen auch, ob die Gestelle aus Holz für die Photovoltaik-Elemente besser akzeptiert werden”, sagt Beck. Da werde es sicherlich im kommenden Jahr noch viele Gespräche mit Winzern geben.
Außerdem ist geplant, Multikopter für die Weinbauberatung in den beiden Kreisen zu kaufen, um das Flächenmanagement zu verbessern. „Die Rebflächen werden GPS-basiert automatisch überflogen und fotografiert, um mithilfe einer Multispektral-Analyse die Pflanzenvitalität besser zu bewerten und Stressfaktoren wie Trockenheit sowie Pilz- und Schädlingsbefall besser erkennen zu können”, so Wirtschaftsförderer Robin Derdau.
Manuel Fischer, zuständig für den Bereich mobile Automation bei der Sick AG, zeigte auf, dass die Automation im Rebberg mit den Drohnen keineswegs zu Ende sei. Man sei am Forschen, welche mechanischen Arbeiten wie etwa Mulchen von Robotern vereinfacht werden könnten: „Sensoren unterstützen dabei die Navigation der autonomen Fahrzeuge.” Drei Geräte sollen zu Forschungszwecken im Einsatz sein.
ZG mit im Boot
Weiterer Partner im Projekt ist die ZG Raiffeisen. Jochen Schneider, Geschäftsführer ZG Raiffeisen Digital 4.0, und Fachbereichsleiter Daniel Keller bezeichneten das Projekt als „super Anstoß”. Die ZG will für die Winzer vor Ort Ansprechpartner sein. Schneider betonte, dass man in Sachen Drohnen-Service oder Vermitteln von Fachwissen Teil des Projektes sei.
Alle Partner bekundeten, dass es für einen einzelnen Betrieb nicht möglich wäre, diese komplexe Aufgabe zu stemmen, weder finanziell noch vom Wissen her. Der Preis gebe einen wichtigen Impuls in die Region.   
Die Projektkosten belaufen sich auf rund 5,2 Millionen Euro. Drei Millionen oder 60 Prozent können vom Land und aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) beantragt werden.