Wein und mehr
| 01. Februar 2018
Südtirol: Alpine Weinperle
Von Pierrick Bourgault
In Südtirol, wohlhabende und deutschsprachige Alpenregion ganz im Norden Italiens, haben die Winzer stark in Qualitätsverbesserung, umweltschonende Produktion und den Tourismus investiert. Ein Konzept,
das Früchte trägt.
Im Jahr 1919, nach dem Ersten Weltkrieg, wurde das österreichische Südtirol zum italienischen Alto Adige. Ein Jahrhundert später ist Deutsch nach wie vor die vorherrschende Sprache in der nordöstlichen Provinz Italiens, mit gemeinsamen Grenzen zu Österreich und zur Schweiz. Die Region pocht auf ihre Verwaltungsautonomie und hält ihre Traditionen hoch, sie weiß sich aber auch zu entwickeln.
Der Weinbau macht hier keine Ausnahme. „Vor 30 Jahren noch wuchsen die Reben fast ausschließlich in Pergolas. Die klassische Drahtrahmenerziehung ist noch jung”, bekundet Andreas Gottlieb, Schriftsteller und Önologe im Kloster Neustift bei Brixen. Die schweren Trauben der roten Sorten Vernatsch (Trollinger) und Lagrein erbrachten einen leichten Rotwein, der als Fasswein nach Österreich und Deutschland exportiert wurde.
Mit dem Drahtrahmen sanken die Erträge. Die Weine präsentieren sich
konzentrierter. In Flaschen erzielen sie eine höhere Wertschöpfung.
Traditionelles lebt weiter
In
Tramin ansässig, erinnert sich Elena Walch gut, wie sie Pergolareben
rodete und Grauburgunder, Chardonnay, Gewürztraminer, Spätburgunder,
Merlot und andere Cabernets in Linie zog. Um den Ertrag zu begrenzen,
hat sie sodann mit der Grünlese angefangen. „Es ist ein Verbrechen,
Trauben wegzuwerfen, hat man mir früher nahegelegt”, sagt sie.
Mit ihren
Töchtern betreibt sie heute ein Weingut mit 60 Hektar, das ihren Namen
trägt. Es ist jeweils zur Hälfte mit roten und weißen Trauben bepflanzt,
in Höhenlagen zwischen 250 und 1000 Metern. Aber die traditionellen
Methoden und Sorten scheinen ihr letztes Wort noch nicht gesprochen zu
haben.
In Kaltern, etwa zehn Kilometer nördlich von Tramin, bestätigt
dies Judith Unterholzner. „1980 gab es in Südtirol etwa 10 000 Hektar
Reben, davon waren 80 Prozent Vernatsch. Heute sind es noch 5300 Hektar,
mit nur noch 20 Prozent Vernatsch”, erläutert die Vertriebsleiterin der
örtlichen Winzergenossenschaft. Mittlerweile kommt dieser leichte und
vergleichsweise farbschwache Rotwein wieder in Mode, die Trauben stammen
nach wie vor von Pergolareben.
Der Vernatsch kommt wieder
„Seit fünf
Jahren wächst die Nachfrage”, versichert Judith Unterholzner. Ihr
Nachbar Oskar Andergassen aus Klosterhof erinnert daran, dass es
angenehm ist, im Schatten zu arbeiten, ohne sich bücken zu müssen: „Mit
88 Jahren verbringt mein Vater immer noch seinen Tag in den Reben, aber
nur in den Pergolas.” Diese Erziehungsform schützt sowohl Menschen als
auch Trauben vor zu viel Sonne.
Eine weitere Wiederkehr alter Methoden
kann man sich im Weingut Manincor in Kaltern anschauen: Graf Michael
Goess-Enzenberg sät hier Getreide zwischen die Rebzeilen, „damit die
Wurzeln dem Boden Luft und Leben zuführen”. Er hält zudem Hühner und
bald auch Kühe der Rasse Tiroler Grauvieh. Die Eichen aus seinen Wäldern
werden zu Fässern, „dank eines 80-jährigen Küfers, leider der Letzte
seiner Zunft”.
Goess-Enzenberg hat auf 50 Hektar 18 Sorten im
Anbau, darunter Weißburgunder, Sauvignon blanc, Chardonnay, Viognier,
Petit Manseng, Merlot, Lagrein, Vernatsch. Er vermindert 30 Prozent der
Ausbringmenge an Schwefel und Kupfer dank eines Recycling-Sprühgeräts.
Eine seiner Methoden, um Pilzkrankheiten zu begrenzen, ist, die jungen,
empfindlichen Blätter zu entfernen. Seine Kosten der Traubenproduktion
beziffert er auf drei Euro je Kilo. 350 000 Flaschen Wein erbringen
seine 50 Hektar Reben.
Eine Million Euro pro Hektar
Dominiert von den Alpen, sind die Reliefs
weitläufig schroff. Man könnte meinen, dass diese nur über kurvige
Straßen erreichbaren Bergdörfer, diese steilen Parzellen, in denen oft
nur per Hand gearbeitet und geerntet werden kann, stark benachteiligt
sind. Aber der Hektar Reben wird mit einer Million Euro gehandelt – ein
Beleg, dass der Weinbau etwas abwirft.
In diesen Bergregionen ist
bebaubares Land rar und teuer. Hier einen Keller zu errichten, ist viel
schwieriger als in der Ebene, umso mehr, als die Tendenz zu Öko-Kellern
geht. Michael Goess-Enzenberg hat für seinen Keller 30.000 Kubikmeter
Erde und Gestein bewegt. „In die Tiefe hinein, um die Kühle zu bewahren.
Er funktioniert nach dem Schwerkraftprinzip, mit wenig Energieeinsatz.
Wir brauchen wenig für Klimatisierung und Heizung, dank der Erdwärme und
dem Holz aus unseren Wäldern.”
Wie bauen in der Umgebung von
Bauwerken, die als historische Monumente klassifiziert sind? „Unser
Architekt setzt auf ultramoderne, hochwertige Konstruktionen. Wir
imitieren hier nicht das Alte mit einem pseudo-rustikalen Stil”, erklärt
Michael Laimer, Politiker und Winzer vom Weingut Pacherhof in Neustift.
Er hat gerade einen Bau abgeschlossen, großteils unterirdisch, in dem
Konzerte und Shows stattfinden sollen.
Die Keller sind raffiniert:
Bei Walch, in Tramin, dienen zweigeteilte Behälter (21 Hektoliter und
81 Hektoliter) für parzellengenauen Weinausbau, ein Behältnis auf
Schienen verteilt die entrappten Beeren, mit dem Waschwasser werden die
Reben bewässert. Walch lässt eigene Hefen von einem Dienstleister
kultivieren, „um unserem Wein eine persönlichere Note zu geben”.
Hochwertiger Weintourismus
Südtirol
erzeugt nur 0,7 Prozent der Weinmenge Italiens, gewinnt aber zahlreiche
Preise, besonders für seine Weißweine. Im Verlauf der Jahre haben die
Winzer unentwegt an der Qualität gefeilt, um den größtmöglichen Nutzen
vom Strom der Touristen und den Liebhabern der Region aus Deutschland,
Österreich und der Schweiz zu ziehen.
„Es gibt 5400 Hektar Reben für 5000 Bewirtschafter in Südtirol”, erläutert Michael Laimer, Winzer in Neustift. Die Mehrzahl der Winzer verkauft daher die Trauben und geht einem anderen Beruf nach. Andere erzeugen selbst Wein von ihrer Ernte und vermieten Zimmer an Touristen, die ihnen den Wein abkaufen, ohne dass für den Winzer weitere Kosten entstehen.
„Es gibt 5400 Hektar Reben für 5000 Bewirtschafter in Südtirol”, erläutert Michael Laimer, Winzer in Neustift. Die Mehrzahl der Winzer verkauft daher die Trauben und geht einem anderen Beruf nach. Andere erzeugen selbst Wein von ihrer Ernte und vermieten Zimmer an Touristen, die ihnen den Wein abkaufen, ohne dass für den Winzer weitere Kosten entstehen.
Laimers Pacherhof ist ein Hotel-Weingut mit 23 Zimmern, Halbpension und Pool. „Einige unserer Kunden kommen seit 50 Jahren. Hotel und Reben – diese zwei Aktivitäten ergänzen sich gut. Mein Ziel sind 30 Prozent Direktabsatz.”
Fritz Dellago erzeugt zehn Weine von vier Hektar in Missian, um sein Schloss-Hotel Korb herum. Es ist mittelalterlich inspiriert, verfügt aber über Bunker, die Mussolini graben ließ und die heute als Weinkeller dienen. „Ich verkaufe 90 Prozent meiner Weine im Hotel”, freut er sich.
Andere Güter setzen auf innovative Erzeugnisse. Klosterhof bietet ein Pflegeprodukt auf Basis von Traubenkernöl für 140 Euro an. Manincor verkauft eine Schönheitscreme auf Basis von Rebblüten. Und bei Walch werden die Weine in Gläsern der Marke Zalto probiert, Stückpreis 30 Euro.