Wein und mehr
| 01. Februar 2018
Tuniberg – Freiburgs Weingarten
Von Markus Eisen
Der Tuniberg erhebt sich als längliche Rebterrasse in der Rheinebene vor Freiburg. Von seinem 10 km langen Höhenrücken aus eröffnet sich ein Panoramablick: Nach Westen schaut man hinüber zu den Vogesen, nach Osten zu den Schwarzwaldbergen mit einem Blick über die Freiburger Bucht.
Doch nicht nur das landschaftliche Gegenüber zwischen Stadt und vorgelagertem Weingarten bedingt die Verbindung zwischen Freiburg und dem Tuniberg. Durch die Gemeindereform 1973 wurden die östlichen Tunibergorte Munzingen, Tiengen, Opfingen und Waltershofen zu Freiburger Stadtteilen. Mit deren Ertragsfläche von rund 500 ha bekam Freiburg die größte Rebfläche auf der Stadtgemarkung in Deutschland.
Die Eingemeindung veränderte die bislang dörflichen Weinbauorte in jüngster Vergangenheit am stärksten: Ein enormer Zuzug verdreifachte die Einwohnerzahl und machte die Dörfer zu Freiburger Wohnvororten – man spricht von Suburbanisierung.
Geologisch betrachtet ist der Tuniberg eine Bruchscholle, ein Bruchstück der Landoberfläche, das beim Absenken des Oberrheingrabens stehen blieb. Auf dieser Scholle aus Kalkstein lagerte sich der von den Winden der Eiszeit aus den Alpen hergetragene Kalkstaub ab: Über dem Tuniberg bildeten sich hier bis zu 30 Meter starke Lössauflagen.
Am Abbruch auf der Südseite des Tunibergs tritt an den Steilwänden das Kalkgestein hervor. Auf der höchsten Erhebung am Südende steht auf 271 m die Ehrentrudiskapelle, das weithin sichtbare Wahrzeichen des Tunibergs und Wallfahrtsort seit dem Dreißigjährigen Krieg.
Der Breisgau wird österreichisch
Mit Freiburg verbindet den Tuniberg auch
eine jahrhundertelange gemeinsame Vergangenheit im österreichischen
Breisgau. Vor 650 Jahren begab sich die Stadt Freiburg im Jahre 1368
freiwillig in den Schutz des Hauses Habsburg. Hierfür mussten sich die
Freiburger zunächst freikaufen durch 12.000 Silbermark von ihren
bisherigen Stadtherren, den Grafen von Freiburg. Auch kauften sie den
Grafen die Burg und Herrschaft Badenweiler, damit diese Freiburg
verließen.
Die von Freiburg erwählten Habsburger kamen aus dem
schweizerischen Aargau und besaßen große Gebiete im deutschen Südwesten,
hatten aber inzwischen ihr Herrschaftszentrum in Wien. So wählten sich
die Freiburger mächtige, aber weit entfernt residierende Stadtherren.
Mit Freiburgs Anschluss an Österreich kam die weitgehende Ausweitung der
Herrschaft Österreichs über den Breisgau zu einem Abschluss.
Neben
Habsburg konnten sich am Oberrhein vor allem die Markgrafen von Baden
als Regionalmacht behaupten – die Konkurrenz der beiden mächtigsten
Gebietsherren prägte die Region im Zeitalter der Territorien vor 1806.
Seit der Einführung der Reformation in der Markgrafschaft 1556 kamen zu
den politischen noch kulturelle Unterschiede hinzu.
Der Tuniberg
gehörte weitgehend zum katholisch gebliebenen österreichischen Breisgau. Aber auf der Ostseite gab es eine evangelische Enklave mit Tiengen und
Opfingen, die zu den sogenannten „sechs niederen Vogteien der
markgräflichen Herrschaft Badenweiler” im Breisgau gehörten. So stießen
hier auf engstem Raum politische und konfessionelle Gegensätze
aufeinander - und Landesgrenzen, beispielsweise zwischen Tiengen und
Munzingen.
Adliges Landleben am Tuniberg
Die Konkurrenz zwischen
Österreich und Frankreich um die Vormachtstellung in Europa setzte sich
nach dem Dreißigjährigem Krieg fort und machte den Oberrhein oft zum
Schlachtfeld der beiden Großmächte. Die schrittweise Eroberung des
Elsass bis 1683 durch Frankreich zwang die in Straßburg ansässige
deutsche Adelsfamilie von Kageneck zur Übersiedlung nach Munzingen.
In
den damaligen unruhigen Zeiten ließ 1672 dort Johann Friedrich von
Kageneck als Statthalter Vorderösterreichs ein Landschloss erbauen, das
sich hier bis zum heutigen Tag über dem Ort erhebt. 1726 erwarb ein
Nachfahre ein zentral in Freiburg gelegenes Anwesen, das fortan der
Familie Kageneck als Stadtpalais zum Aufenthalt über den Winter diente.
So hielt der Lebensstil des Adels am Wiener Hof auch im Breisgau Einzug.
Der vorderösterreichische Adel bildete den Stand der „österreichischen
Ritterschaft”, der sich mit dem Prälatenstand (Klosterobrigkeit) die
Grundherrschaft im Breisgau teilte. In Oberrimsingen waren die
Freiherren von Falkenstein die ritterlichen Ortsherren. Ihr 1774 dort
errichtetes Landschloss blieb ebenfalls bis heute erhalten.
Mit dem
Friedensbündnis zwischen Österreich und Frankreich 1756 verbesserten
sich im vorderösterreichischen Breisgau die Lebensbedingungen. Es kam zu
einer regen Bautätigkeit, deren Spuren auch heute vielerorts zu sehen
sind. Nun wurden im Hügelvorland Freiburgs auch weitere Landschlösser in
Umkirch, Neuershausen und Hugstetten gebaut, die ihre Schauseite nach
Osten der Stadt zuwenden.
Burgunderoase Tuniberg
Auf dem 1969 fertiggestellten Tuniberg-Höhenweg
(10 km) erschließt sich die Terrassenlandschaft des Tunibergs am besten
per Fahrrad. Für Wanderer wurde unlängst mit Förderung durch PLENUM der Burgunderpfad (13 km) angelegt, der entlang der Westkante führt
und mit informativen Thementafeln versehen ist. Das
Rebflurbereinigungsdenkmal oberhalb von Munzingen im Gewann Schellenberg
trägt die Inschrift „aus Anlass der umwälzenden Neugestaltung des
Tunibergs am 12. Oktober 1969 errichtet”.
In der Tat umwälzend war hier die Rebflurbereinigung, die durch die Anlage der Großterrassen in den 1960er-Jahren dem Tuniberg eine neue Gestalt gab. Mit der Rebflurbereinigung wurde die Rebfläche beträchtlich erweitert und die Landwirtschaft von nun an weitgehend auf den Weinbau ausgerichtet – entscheidende Voraussetzungen für die Bereichstrennung von 1990, als der Tuniberg sich vom Kaiserstuhl abkoppelte und als eigenständiger Weinbaubereich positionierte.
In der Tat umwälzend war hier die Rebflurbereinigung, die durch die Anlage der Großterrassen in den 1960er-Jahren dem Tuniberg eine neue Gestalt gab. Mit der Rebflurbereinigung wurde die Rebfläche beträchtlich erweitert und die Landwirtschaft von nun an weitgehend auf den Weinbau ausgerichtet – entscheidende Voraussetzungen für die Bereichstrennung von 1990, als der Tuniberg sich vom Kaiserstuhl abkoppelte und als eigenständiger Weinbaubereich positionierte.
Nach dem umfassenden Rebenneuaufbau (abgeschlossen in Munzingen 1969, in Tiengen 1977, in Waltershofen 1979)
startete 1989 am Tuniberg das Pilotprojekt „umweltschonender Weinbau”,
seit 1993 wird der Tuniberg flächendeckend umweltschonend
bewirtschaftet.
Beginnend mit Opfingen 1952 kam es vor allem in den
1950er-Jahren in allen acht Weingemeinden des Tunibergs zur Gründung
von Winzergenossenschaften. Sie liefern alle ihre Erträge dem
benachbarten Badischen Winzerkeller in Breisach ab, der für die
Genossenschaften eigene Weine ausbaut. 1997 gründeten die
Genossenschaften den „Verein Tuniberg Wein” zur gemeinschaftlichen
Werbung für den Weinbaubereich. Der Verein begleitet auch die 2011
eingeführte „Tuniberg-Wein-Edition”, mit der die besten Weine adäquat
vorgestellt werden sollen. Die Weingüter spielen am Tuniberg mit rund
20 Prozent Anteil an der Vermarktung eine zunehmende Rolle.
Höchster Rotweinanteil in Baden
Bei
einer Ertragsrebfläche von 1066 ha im Jahre 2016 ist der Tuniberg zu
gut 75 Prozent mit den Burgundersorten bepflanzt. Mit 52,7 Prozent
Spätburgunder hat die „Burgunderoase” Tuniberg den höchsten Anteil an
Rotwein in Baden. Die hiesigen kalkhaltigen Lössschichten bieten dem
Rotweinanbau beste Bedingungen.
Bereits zu Vorderösterreichs Zeiten war
der Tuniberg eine Rotweindomäne. Wie es in der „Statistik der K. K.
Vorlande” von 1798 heißt, „…wird in dem eigentlichen Breysgaue zu
Norsingen, Mördingen, zu Munzingen u.s.w. eine sehr gute Gattung von
rothen Weine gebaut. Die übrigen Weingebürge und auch jene Weingärten,
die in der Ebene oder um die Stadt Freyburg herumliegen, bringen weisen
und auch hie und da rothen Wein, der nicht unter die schlechten Weine
gesetzt werden kann”.
Mit seinem barocken Ortsbild blieb in
Merdingen, westlich des Tunibergs, am meisten
vorderösterreichisches Flair erhalten. Günstig gelegen an der Steige,
die von der vorderösterreichischen Landstraße Freiburg – Breisach am
Tuniberg überwunden werden musste, entwickelte sich das Dorf damals zu
einem ländlichen Gewerbemittelpunkt und galt 1754 als „eins von den
grösten Dörfern in Breisgau”.
In Tiengen finden am 24./25. März 2018 die
26. Tuniberger Weintage statt.