Weinbauverband | 05. Dezember 2023

Die Suche nach Lösungen

Von der Redaktion
Mehrfach verwendete Verpackungen tragen zur Schonung der Ressourcen, Reduzierung der Treibhausgase und zur Müllvermeidung bei. Auch für Wein sind Mehrwegflaschen eine Option. Ein wissenschaftliches Projektteam hat die Möglichkeiten untersucht und eine Umfrage zur Akzeptanz gestartet.
Die Rückgabe von Weinflaschen sollte nach Ansicht der Befragten vor allem im LEH und Getränkehandel möglich sein.
Mehrwegverpackungen wurden vor nahezu 100 Jahren in der deutschen Getränkeindustrie als Bestandteil der Leistung des Produzenten eingeführt. Flaschen wurden bepfandet und nach Gebrauch zurückgenommen. In der Folge hat sich die Softdrink-Industrie in Deutschland das Mehrwegprinzip zu eigen gemacht, insbesondere die Bierindustrie, Mineralwasser- und  Fruchtsafthersteller.
Für die Herstellung bzw. das Schmelzen von Glas wird viel Energie benötigt, was einen hohen Ausstoß von klimaschädlichem CO2 bedingt. Auch in der Logistik schneidet die Glasflasche im Vergleich zu alternativen Verpackungen im Blick auf die Nachhaltigkeit schlecht ab, insbesondere wenn sie schwerer ist. Nur ein kleiner Anteil an Weinflaschen wird in einem Kreislaufverfahren nach einer Spülung wiederverwendet. Die meisten Flaschen werden im Glascontainer entsorgt.
Vorbild Bierbranche
Während in der Bierbranche mehr als drei Viertel aller Flaschen mehrfach genutzt werden, liegt die Mehrwegquote in der deutschen Weinbranche bei etwa 6 %. Dies genügt den Anforderung der geplanten EU-Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle, die bis 2030 in jedem EU-Mitgliedsstaat eine verpflichtende Mehrwegquote für Wein von mindestens 5 % vorsieht. Bis 2040 soll eine Mehrwegquote bei Wein von 15 % realisiert werden. Allerdings ist der Anteil an wiederverwendeten Weinflaschen in Deutschland seit Jahren rückläufig.
Mehrweg hilft Rohstoffe und Energie zu sparen. Doch auch Kundenpräferenzen, Abgabelogistik, Sicherheitsaspekte, Marketingeffekte, Rücknahme und Rückführungslogistik spielen eine Rolle. Ebenso müssen etwaige Nachteile, wie beispielsweise der Transportaufwand für Leergut, evaluiert werden. Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers für die Deutsche Umwelthilfe  haben Mehrwegverpackungen positive ökologische Auswirkungen, zudem sorgen Rücknahmesysteme und Spülinfrastruktur für Arbeitsplätze.
Das Baden-Württembergische Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat das EIP-Agri-Projekt „Wein-Mehrweg”  im Sinne der Förderziele zur Zusammenarbeit im ländlichen Raum beauftragt. Der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband orchestriert das Projekt und koordiniert die eingebundenen Praxispartner. Der Weincampus Neustadt wurde als wissenschaftlicher Partner ausgewählt. Zum Projektteam „EIP-Wein-Mehrweg” gehören Marc Dreßler, Dominik Durner, Katharina Kleiner, Julian Döbler und Jenny Tran. In ihrer Studie beleuchten sie Mehrwegansätze in der Weinwirtschaft und kreative Umsetzungsvarianten. Mögliche Barrieren und Lösungsansätze werden über Experimente evaluiert. 
Umfrageergebnisse
Im Rahmen der ProWein 2023 in Düsseldorf hatte ein studentisches Team anhand eines Fragebogens Vorstellungen und Anforderungen zu Mehrweglösungen beim Fachpublikum in mehr als 190 Interviews abgefragt.  Nachfolgend werden ausgewählte Ergebnisse  dargestellt: Nahezu die Hälfte der Befragten sieht in Mehrweg bei Wein einen relevanten Beitrag zur Senkung des CO2-Footprints und zur Steigerung der Nachhaltigkeit.
Jüngere Befragte zeigen sich optimistischer in Bezug auf ein Mehrwegsystem Wein.
Unter 5 % der Befragten haben sich für eine regionale Mehrweginitiative ausgesprochen. Den größten Zuspruch erfährt ein deutschlandweites, teilweise sogar ein grenzüberschreitendes System. Praxisbeispiele liefern Initiativen wie „Bout’ à Bout’” in Frankreich oder die wiederbefüllbare „Steiermarkflasche”. Fast 70 % der Befragten halten eine Begrenzung auf bis zu fünf Flaschenvarianten für zielführend – derzeit existieren über 200 verschiedene Flaschenmodelle.
Bei der Frage nach Abgabestellen zeichnete sich „Bequemlichkeit” ab: Beim Einkauf wird möglichst viel an einer Stätte erledigt. Als Rücknahmestellen werden Lebensmitteleinzel- und Getränkehandel, aber auch alternative Stellen wie Wertstoffhöfe gesehen.
Die Umfrage unter Personen unterschiedlichen Alters und mit diversem Hintergrund ist nicht repräsentativ. Die Rückläufe werden primär als Impulsgeber genutzt. 
Weiterführende Umfrage
Generell zeigte die Befragung mehr Offenheit und Interesse am Thema „Mehrweg Wein” als erwartet. Dies veranlasste eine zweite Befragung. Das Projekt EIP-Agri Wein-Mehrweg nimmt die Gestaltungsherausforderungen eines Mehrwegsystems ernst. Zeitnahe Lösungen im Hinblick auf Ressourcen- und Klimaschutz sind gewünscht, Erwartungen können aber nur durch langfristig gelebte Mehrwegsysteme erfüllt werden. Das große Potenzial einer Kreislaufwirtschaft bedingt im ersten Schritt mutige Praxispartner, was bereits durch die im Projekt Aktiven sowie weitere Protagonisten erkennbar ist. Die weiterführende Umfrage will die vielfältigen Erwartungen und Erfahrungen bei der Gestaltung berücksichtigen. „Wein-Mehrweg” soll keine zusätzliche Belastung werden, sondern Lösungsansätze bieten.
Das Projekt „Wein-Mehrweg” wird im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit” (EIP-Agri) gefördert. Die Förderung  ist Teil des Maßnahmen- und Entwicklungsplans Ländlicher Raum Baden-Württemberg 2014-2022 (MEPL III) und wird durch das Land Baden-Württemberg und über den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums (ELER) finanziert.

 
Teilnehmen
Die Umfrage "Mehrwegfähigkeit von Weinflaschen" soll weitere Erkenntnisse liefern.