Wein und mehr
| 07. Februar 2019
Hochburg des „Stierbluts”
Von Mathilde Hulot
Im Nordosten Ungarns beherbergt das Vulkanmassiv von Bükk die kühle und abwechslungsreiche Weinregion Eger. Sie ist bekannt für ihren Verschnittwein Egri Bikavér oder „Stierblut”.
Vilmos Thummerer, eine der Stützen des Weinaufschwungs in Eger, hat sich nach und nach auf 95 Hektar Reben entwickelt. Hier steht er in seiner Lage Teknoshát.
Vilmos ist einer der Leuchttürme des Wiederauflebens von Eger, einer Weinregion, in der über 60 Rebsorten kultiviert werden und die die zweitgrößte Herkunftsregion des Landes in Größe und Bekanntheitsgrad ist, nach Tokaj. Vilmos hat 1984 angefangen, während er noch zusammen mit seiner Frau Blumenhändler war. Damals besaß er lediglich sieben Hektar. Sein Weingut, gelegen in Noszvai, 15 Kilometer von Eger entfernt, ist mithilfe von Banken groß geworden, jedoch stets familiär strukturiert geblieben.
Hier bringt man den berühmten Wein „Stierblut” von Eger hervor, den Egri Bikavér (Egri: von Eger, Bika: Stier, Vér: Blut) – es ist ein roter Verschnittwein. Sein Name entstammt einer Legende von 1552: Um die osmanischen Truppen zu bekämpfen, sollen die ungarischen Kommandanten ihren Soldaten heimischen Wein in großen Mengen verabreicht haben.
Angesichts des unglaublichen Widerstands glaubten die Türken der Legende nach, dass der Wein mit Stierblut vermischt gewesen ist. Seit 2010 existiert sein weißes Pendant: der Stern von Eger, Egri Csillag (in Anlehnung an den ungarischen Romanklassiker „Die Sterne von Eger”). Es ist ebenfalls ein Verschnittwein.
66 Rebsorten
Nach
dem Gesetz vom 1. August 2017 muss der Egri Bikavér (Stierblut von
Eger) mindestens fünf Rebsorten enthalten. 50 Prozent müssen mindestens
von einer lokalen Rebsorte stammen, Kékfrankos oder Kadarka zum
Beispiel.
Die anderen zugelassenen Rebsorten sind Cabernet franc,
Cabernet-Sauvignon, Kékoportó, Menoire, Merlot, Pinot noir, Syrah,
Turan, Zweigelt, Bibor Kadarka und Blauburgunder. Es gibt von nun an
drei Qualitätsstufen: Classic (höchstens 100 hl/ha), Superior (60
hl/ha) und Grand Superior (35 hl/ha).
Für diese vulkanische Region von etwa 4300 Hektar ist
kennzeichnend, dass hier eine sehr große Zahl von Rebsorten angebaut
wird: 66 genau. Die Winzer können sich aus dieser Liste bedienen, je
nach Standortverhältnissen, Weinstil und Markt. Vilmos rodet im
Augenblick Oportó und Spätburgunder auf den Hängen seiner Lage
Teknoshát, um sie mit Merlot zu bepflanzen, der sich hier wohlfühlt. Das
bringt ihm 20 Hektar dieser Rebsorte, das sind dann ebensoviel wie
Cabernet franc und Kékfrankos (Blaufränkisch oder Lemberger), der hier
sehr begehrt ist. Vilmos hat rund 30 Weine im Angebot, um acht bis zehn Euro.
Es kommen viele Gruppen mit Reisebussen. Er verfügt selbst über zwölf Zimmer und eine große Küche, um seinen Gästen Mahlzeiten zu bereiten. 20 Prozent seiner Produktion gehen in den Export, zwischen zwei und 18 Euro/Flasche, ab Keller.
Es kommen viele Gruppen mit Reisebussen. Er verfügt selbst über zwölf Zimmer und eine große Küche, um seinen Gästen Mahlzeiten zu bereiten. 20 Prozent seiner Produktion gehen in den Export, zwischen zwei und 18 Euro/Flasche, ab Keller.
Die ganze Familie im Boot
2006 hat er seinen in Tuffstein gegrabenen
Keller erweitert. Er dachte erst daran, bei 50 Hektar aufzuhören. Jetzt
bei 100 Hektar stößt er an eine Grenze: Personalmangel.
Einige seiner 35 Angestellten werden bald das Ruhestandsalter erreichen und die jungen sind ins Ausland abgewandert. Glücklicherweise kann er auf seine Familie zählen, um sich selbst zur Ruhe zu setzen. Sein Sohn Tamás ist verantwortlich für den Weinbau, seine Tochter Éva und ihr Mann kümmern sich um den Empfang von Gruppen und seine Enkelin, Annett, ist zur Weinlese nach Kalifornien gereist, schon mit der Idee im Kopf, sich später mal um die Weinlese im eigenen Gut zu kümmern.
Einige seiner 35 Angestellten werden bald das Ruhestandsalter erreichen und die jungen sind ins Ausland abgewandert. Glücklicherweise kann er auf seine Familie zählen, um sich selbst zur Ruhe zu setzen. Sein Sohn Tamás ist verantwortlich für den Weinbau, seine Tochter Éva und ihr Mann kümmern sich um den Empfang von Gruppen und seine Enkelin, Annett, ist zur Weinlese nach Kalifornien gereist, schon mit der Idee im Kopf, sich später mal um die Weinlese im eigenen Gut zu kümmern.
Rückkehrer aus Amerika
Im Herzen der
historischen Stadt Eger, in der Veroszala-Straße, wo sich alte Keller
aneinanderreihen, erwartet uns eine andere Welt. Nimród Kovács ist ein
Dissident, der Ungarn 1971 Richtung USA verlassen hat. Nachdem er es auf
der anderen Seite des Atlantik im Medienbereich und im Marketing zu
etwas gebracht hatte, haben ihn seine Wurzeln in die Heimat
zurückgezogen.
1995 finanzierte er zwei Winzer, die einen
Kellereibetrieb eröffneten. 2009 wurde er selbst Winzer. Sein
Kellerbetrieb heißt nach ihm Kovács Nimród (KNW für Kovács Nimród Wine)
und erstreckt sich unterirdisch.
In diesen „Gedärmen” von Tuffstein
brauchen eine Presse von Defranceschi, kleine Tanks, französische,
amerikanische und ungarische Fässer und im Lager liegende Flaschen jeden
Winkel. Am Ende des Labyrinths vervollständigen ein Verkostungs- und
Verkaufsraum das Ensemble.
Einfallsreiche Weinbezeichnungen
Mit 69 Jahren macht
es Nimród Freude, einprägsame Bezeichnungen für sein Weinsortiment zu
kreieren. Blues (100 Prozent Lemberger), Rhapsody, Battonage (ein
Chardonnay), Soul (ein Syrah), Grand Bleu und eine Cuvée, seine
Weinikone, die nach seinen Initialen NJK heißt. „Der Vorname Nimrod
erinnerte zu sehr an die stupide Person im amerikanischen
Zeichentrickfilm von Loony Tunes”, lacht er.
Deswegen, weil dieser
vermögende Mann zehn Prozent seiner Weine in den USA verkauft. Von einem
Verkaufsstützpunkt in Colorado aus, wo er einen Teil von sich gelassen
hat. Er ist stolz darauf, dass seine Weine in 20 US-Bundesstaaten Absatz
finden.
Um seine 30 Hektar zu organisieren und 120.000 Flaschen Wein pro Jahr zu produzieren, beschäftigt er einen ungarischen Kellermeister und einen „flying winemaker” aus den USA.
Um seine 30 Hektar zu organisieren und 120.000 Flaschen Wein pro Jahr zu produzieren, beschäftigt er einen ungarischen Kellermeister und einen „flying winemaker” aus den USA.
Sehr aufs Marketing
ausgerichtet, bis hin zur Bezeichnung „Monopol” auf den Etiketten, setzt
er bei den Rebsorten vor allem auf zwei autochthone, den Furmint bei
den weißen und Kékfrankos (Lemberger) bei den roten, daneben auf die
Kultlage Nagy Eged von Eger.
Weingut an den Thermen
Im benachbarten Dorf Egerszalók ziehen
Thermen einheimische und ausländische Touristen an. Hier, an der Route
eines Thermal-Hotels, hat György Lorincz 2002 seinen Keller gebaut. Er
hat ihn St.Andrea genannt, nach dem Namen seiner Frau.
György war einige
Jahre Önologe bei Egervin, dem Staatsbetrieb, und hatte nicht einen
Forint (ungarische Währung) zum Investieren. 2002 finanzierte ihn
jemand. Dieser starb jedoch drei Jahre später, was ihn zu anderen
Lösungen zwang. Zwei Architekten haben sich auf sein Abenteuer gesetzt.
St. Andrea gehören nicht weniger als 45 Hektar an den schönsten Standorten von Eger, bepflanzt sind sie mit 21 Rebsorten. György muss seinen Keller vergrößern: Viel Arbeit ist im Gang. György Junior, 27, arbeitet mit ihm zusammen und sein anderer Sohn Balint, 24, verkauft die Weine im Kedves Bisztró, im „Tal der schönen Frauen”, einem touristischen Ort in Eger.
St. Andrea gehören nicht weniger als 45 Hektar an den schönsten Standorten von Eger, bepflanzt sind sie mit 21 Rebsorten. György muss seinen Keller vergrößern: Viel Arbeit ist im Gang. György Junior, 27, arbeitet mit ihm zusammen und sein anderer Sohn Balint, 24, verkauft die Weine im Kedves Bisztró, im „Tal der schönen Frauen”, einem touristischen Ort in Eger.
90 Prozent seiner Weine werden in Ungarn verkauft, via
Bortársaság, einer Ladenkette, und auch über Tesco. Weine mit vielen
farbigen Etiketten, zwischen acht und 26 Euro.
Keller im Tuffstein
In der ganzen Region
vereinen kleine Dörfer eine Vielzahl Keller im Tuffstein. In Cserépfalu
verwirklicht Mihály Roszkos seinen Traum. Mit 45 Jahren betreibt der
Weinbauleiter bei Demeter Csaba, einem anderen Betrieb von Eger, zwei
Hektar Weinbau für sich selbst. Bald sollen es drei sein.
Er verkauft
einen Teil seiner Trauben und baut den anderen Teil im Keller aus, den
er mit Hacke und Presslufthammer vergrößert. Er produziert Chardonnay
und Spätburgunder und will zudem Kékfrankos und Merlot pflanzen. Seine
Tochter, Studentin, hilft bei Lese und Weinausbau. Hier, auf einer
Terrasse mit anregendem Blick auf die Landschaft, serviert er den
Touristen seine Weine und verkauft seine Flaschen für drei Euro. Ein
Moment des Glücks zu einem unschlagbaren Preis.